Archiv der Kategorie: Kommunikation

Kommunikation besteht aus Wahrnehmung, Denkmodellen und Kommunikationsverhalten.

Als würde ein Auto nur aus der Karosserie bestehen

Der heutige Anteil von Public Relations an Gütern und Dienstleistungen wächst unaufhörlich. In der Vergangenheit standen die Ergebnisse im Mittelpunkt des Interesses. Mittlerweile sind sie zweitrangig, da die Angebote sich minimal unterscheiden und eine entsprechende Präsentation jedes unbefriedigende Ergebnis nachträglich als gelungen darstellen kann. Klappern gehört zum Handwerk. Allerdings optimieren sich eine steigende Anzahl von Verantwortlichen dergestalt, dass sie ihr Tun auf das Klappern beschränken. Und zum Klappern gehört jetzt zusätzlich das Lügen: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ (Walter Ulbricht 15.06.1961). Im Alltag werden die entsprechenden Führungskräfte durch einen vollen Kalender erkennbar. Sie füllen ihn von früh morgens bis spät abends lückenlos mit mehreren gleichzeitigen Terminen. Vor allem verfügen diese Leute über geschliffene Rhetorik und ein souveränes Auftreten – die Karosserie stimmt.

Beobachten können wir diese Schaumacher täglich in den Talkshows und Nachrichten – einer, der dies beherrscht ist der bayrische Noch-Ministerpräsident Söder. Betrachten wir im Folgenden ein paar Tricks.

  • Eigenlob stinkt nicht
    Sich selbst zu beweihräuchern hatte vormals den Schmuddelnimbus des unbescheiden seins. Obwohl sich heute alle in einer Art Castingshow wähnen, vor lauter Auftritten keine Zeit fürs Arbeiten haben und das sich Bescheiden zunehmend verschwindet, tun sich viele schwer mit sich loben. “Ich würde mir selbst eine Eins Plus geben, ist das genug? Kann ich noch höher gehen?” Donald Trump. Entgegen diesem Werteverfall sollten wir alle noch einmal darüber nachdenken, ob Eigenlob nicht stinkt.
  • Der umgedrehte Vorwurf
    Es ist für Verantwortliche unvermeidlich, die eine oder andere Auswahl zu treffen, die von ihren Gegnern, wenn sie nicht die geforderten Effekte bewirkt, gegen sie verwendet wird. Die verloren gegangene Fehlertoleranz wirft einen starken Schatten auf das eigene Bild. Diesem Rufschaden wirken sie entgegen, indem sie die entsprechenden Vorwürfe umdrehen und den anderen vorwerfen. „Die Grünen sind wieder eine reine Verbotspartei geworden.“ Markus Söder. Ungeschickterweise funktioniert dieses Vorgehen, da es schwer zu durchschauen ist und den Zuschauern fällt es oft nicht auf.
  • Betroffen scheinen
    Unterstrichen werden die eigenen Aussagen durch eine angepasste Körpersprache. Die Verantwortlichen geben sich gelassen, betroffen, mitfühlend oder lassen die Schultern hängen. Einen großen Anteil der Präsentation sind Tonfall und (un)bewegte Bilder, die die Zuschauer unbewusst beeindrucken. Beispielhaft für eine betroffene Körpersprache ist der Berliner Bürgermeister Michael Müller. Eine stimmige Präsentation ist unerlässlich. Wir sollten nicht vergessen, dass wir nicht nicht kommunizieren können.
  • Tsunamisieren
    Was heute ohne Ausnahme alle (un)gewollt anwenden, ist das Fluten des Publikums mit Zahlen, Daten und Fakten. Dieses tsunamisieren führt dazu, dass die Zielgruppe zumacht. Durch das umfassende Erklären der Coronakrise werden schwache Gegenmaßnahmen übersehen. Die acht Sekunden, um zu entscheiden, ob wir dem Inhalt weiter folgen, können unterschiedlich genutzt werden. Die einen packen in diese ersten Sekunden ihre Kernbotschaft. Andere sprechen langsam und inhaltslos, um dieses Abschalten abzuwarten, bevor sie unbequeme Wahrheiten aussprechen. Siebenplusminuszwei Aspekte EINER Botschaft ist das uns angeborene Limit des Verständnisses beim Verarbeiten.

Fazit: Der heutige Wertverlust führt zu einer hemmungslosen Kultur des sich selbst Darstellens. Es wird hingenommen, sich zu beweihräuchern. Berechtigte Vorwürfe werden anderen unterstellt, durch das scheinbar Betroffensein Punkte gesammelt und die Öffentlichkeit mit Zahlen, Daten und Fakten zu überschwemmen. Die Politik verliert dadurch ihre Glaubwürdigkeit und treibt die Wählenden in die Arme von vereinfachenden Populisten. Im beruflichen Alltag sinkt die Performanz, da sich die Mitarbeitenden an ihren Führungskräften orientieren. Wir können jetzt anfangen, uns zu besinnen. Oder wir warten darauf, dass dieses Kartenhaus zusammenfällt, wenn die fehlenden Resultate alle in die Knie zwingen. Die Karosserie ohne Fahrgestell, Motor, Räder und Inneneinrichtung ist kein Auto.

Public Relations braucht das fertige Produkt

Im angloamerikanischen Raum unterstützen risikobereite Anleger Start-ups. Diese Gründenden erarbeiten ihre vorbereitenden Bausteine so gut wie möglich: die Geschäftsidee, das Businessmodell und den Businessplan. Je früher Investoren sich beteiligen, desto größer ist ihr RoI. Für den Erhalt von Fördermitteln müssen die Start-ups die Geldgeber von ihrem Angebot überzeugen – ohne praktische Nachweis. Im Interesse einer frühzeitigen Unterstützung antizipieren die Gründer die zu erwartende Geschäftsentwicklung, obwohl sie noch kein fertiges Produkt haben.

Die etwaigen Geldgeber sollten so früh wie möglich überzeugt werden, um die Vorbereitung des Betriebs zu verbessern. Allerdings reicht eine vage Idee nicht, da viele Unwägbarkeiten zu überzogenen Versprechungen und Erwartungen führen. Die Anbietenden brauchen eine besonnene Schätzung, was sie tatsächlich in welcher Stückzahl, auf welche Art, an wen verkaufen können. Das Marketing erfolgt bei den Stakeholdern (Geldgebern, Partnern, Lieferanten, Fachleuten und der Öffentlichkeit), sobald die folgenden Grundlagen beschrieben sind.

  • Solvente Kunden
    Es gibt kein Geschäft ohne Abnehmer, die willig und in der Lage sind zu bezahlen. Abhängig von der Preisklasse des Angebots sind einerseits die ausgeschlossen, die es sich nicht leisten können. Start-ups können eine aufwendige Beratung ohne entsprechende Förderung nicht bezahlen. Andererseits sind auch diejenigen ausgeschlossen, die nicht genug Exklusivität bekommen, selbst für einen hohen Preis. Der Kundschaft ist bei Luxusgütern der Zusatznutzen des Außergewöhnlichen wichtiger als der sowieso vorausgesetzte praktische Nutzwert.
    Sorgen Sie dafür, dass Sie den benötigten Umsatz mit Ihrer Klientel erreichen.
  • Lieferbare Leistungen
    Die Leistungen, wie Güter und Dienste oder ein Mix aus beidem, sollten unter Berücksichtigung der Kunden vorbereitet sein. Das beginnt mit der Gestaltung des Angebots (inklusive Verwendung, Herstellbarkeit, Gütekriterien), geht über die verschiedenen Handbücher, bis hin zu der Verpackung (inklusive Verkaufs-, Um- und Transportverpackung).
    Stellen Sie sicher, dass Ihre Angebote so durchdacht sind, dass sie das liefern, was Sie den Kunden versprechen.
  • Belastbare Abläufe
    Je umfangreicher Ihr Angebot ist, desto vielfältiger sind die erforderlichen Abläufe. Dabei ist es unerheblich, ob und wer sie durchführt – intern oder extern. In jedem Fall brauchen Sie die erforderlichen Abläufe (i.e. Entwicklung, Herstellung, Vertrieb, After-Sales und unterstützende, wie Einkauf, Logistik, HR, IT). Waren sind stärker von reibungslosen Abläufen abhängig als Dienstleistungen, da sie vom Einsatz der Mitarbeiter abhängen. Mit Schulungen und einem unterstützenden Backoffice, standardisieren Sie Ihr Angebot und können die meisten Aspekte während der Arbeit lösen.
    Sorgen Sie dafür, dass Ihre Vorgänge druckbar beschrieben sind, damit alle Beteiligten auf der gleichen Grundlage arbeiten.
  • Fähige Mitarbeitende
    Die „einfachen“ Jobs verschwinden oder vielmehr werden von „intelligenten“ Maschinen übernommen. Dies bedeutet, dass die Modernen Zeiten von Charlie Chaplin vorbei sind. Die Menschen vertreten zukünftig Ihr Unternehmen an den Nahtstellen zu Internen (zwischen verschiedenen Bereichen) und Externen (zu Kunden, Partnern und Lieferanten). Dabei treffen Sie die Entscheidungen, die den obsolet gewordenen, übergeordneten Ebenen vorbehalten waren. Dies erfordert ausreichende Kenntnisse und Fertigkeiten und vor allem Soft Skills.
    Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeitenden UND SIE so geschult sind, damit sie die inneren und äußeren Schnittstellen beherrschen.
  • Eine intakte Infrastruktur
    Die erforderliche Infrastruktur beginnt nicht erst an den Grenzen Ihres Geländes. Die äußeren Netzanbindungen (i.e. Verkehrswege, Energieversorgungen, Telekomnetze) müssen passen und bereits bei der Standortwahl berücksichtigt werden. Ein Produktentwickler kann heute nicht mit 3D-Programmen arbeiten, wenn kein Breitbandanschluss zur Verfügung steht. Innerhalb Ihres Unternehmens brauchen Sie angemessene Wege, beispielsweise für die In-/Outbound-Logistik, und Lagerflächen. Nicht zu vergessen die Digitalisierung der Aufgaben. Ihre gesamte IT ist betroffen (inklusive interne Netze, cross-funktionale Systeme, barrierefreie Zugänge, auch für die externen Partner, und Ihre Webpräsenz). Das gilt nicht nur für einen Konzern, sondern auch für die kleine Bäckerei mit ihrer Kasse, dem Bestellsystem, usw.
    Sorgen Sie dafür, dass Sie die wesentlichen Bestandteile vor dem Start getestet haben, alles einsatzbereit ist und die Mitarbeitenden ihre Rollen kennen.
  • Eine wirksame Außendarstellung
    Erst jetzt ist der Moment gekommen, die Werbemaschine mit Inhalten zu versorgen. Angebote werden anhand der beschriebenen Kundengruppen bepreist. Die Abläufe sind harmonisiert. Die Mitarbeitenden können das Unternehmen nach außen vertreten. Ihre Infrastruktur funktioniert. Jetzt können Sie erfüllbare Versprechen geben.
    Sorgen Sie dafür, dass Sie eine einfache, einheitliche Außendarstellung haben, ohne Über- oder Untertreibungen.
  • Belastbares Durchhaltevermögen
    Das Wichtigste kommt zum Schluss. Das neue Geschäft ist beim Start noch nicht auf Flughöhe. Die Einnahmen sind noch nicht so hoch wie angestrebt. Die Mitarbeitenden sind noch nicht eingearbeitet. Vieles läuft nicht wie gewünscht. In diesem Moment ist es entscheidend, dass alle hart daran arbeiten, die Fehler zu beheben. Dies braucht einen entsprechenden Teamgeist, unterstützende Führung und ein starkes Commitment von allen.
    Sorgen Sie dafür, dass trotz der Schwierigkeiten während des Anlaufs der Einsatz der Mitarbeitenden erhalten bleibt und Fehler zeitnah nachjustiert wird.

Fazit: Der Blick auf den Marktschreier zeigt uns eine Person, die schon alle vorbereitenden Maßnahmen hinter sich hat. Die Produkte sind verkaufsfertig und er weiß, was zu tun ist. Seine Kasse besteht aus einem Geldbeutel voller Wechselgeld. Der mobile Verkaufstisch kann überall aufgebaut werden – sofern er sich als fliegender Händler angemeldet hat. Alle Bestandteile sind vorhanden, wenn sein Stand öffnet. Hoffentlich sind die Umstehenden in der Lage, seine Preise zu bezahlen. Ab jetzt kann er seine Kunden durch seine Außendarstellung mitreißen, denn Public Relations braucht das fertige Produkt.