Archiv der Kategorie: Vernetztes Denken

In diesem Bereich geht es um systemisches Denken, Chaos und Komplexität.

Mehr gibt’s nicht

Am 24. Dezember 1968 veränderte ein Photo, das William Anders während der Umrundung des Mondes mit Apollo 8 aufnahm, das Selbstverständnis der Welt. Durch diesen ungewöhnlichen Wechsel der Perspektive wurde der Menschheit mit einem Schlag vorgeführt, wie endlich unsere Lebenswelt ist. Gleichzeitig ermöglichten es Computer, Simulationen durchzuführen, die die Entwicklung der Welt vorwegnahmen. Die Studie Die Grenzen des Wachstums erschien 1972 und sagte das Erreichen der absoluten Wachstumsgrenzen bezüglich Weltbevölkerung, Industrialisierung, Umweltverschmutzung und Nahrungsmittelproduktion bis 2072 voraus. Zur gleichen Zeit kam die Gaia-Hypothese auf, die die Erde als einen sich selbst regelnden Organismus betrachtet, der sich bei Bedarf gegen seine Zerstörung zur Wehr setzt. Unabhängig welche Vorstellung wir haben, sollten wir uns bewusst sein, dass wir uns auf dem einzigen für uns erreichbaren Planeten befinden. Alles, was hier passiert, passiert immer früher oder später allen.

In Anbetracht dieser Vernetzung ist es schwer verständlich, dass manche immer noch meinen sie wären nicht von den grundsätzlichen Entwicklungen betroffen.

  • Gemeinsame Atmosphäre
    Ohne die Lufthülle, die die Erde umschließt, gäbe es kein Leben auf der Erde. Das Zusammenspiel von Fauna und Flora ist entscheidend für die 80% Stickstoff und 20% Sauerstoff. Natürliche chemische und physiologische Prozesse halten das lebensnotwendige Gleichgewicht. Manche scheinen zu denken, dass die Grenzen ihres Landes auch für den Luftraum gelten und sie nicht Teil des Problems sind.
    Die Erde ist jedoch ein geschlossenes System, in dem auf den ersten Blick Probleme von der linken in die rechte Tasche geschoben werden – ohne zu bemerken, dass man die Nachteile nicht wirklich loswird.
  • Gemeinsames Wasser
    Wir verfügen über 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser auf der Erde – 97% Salzwasser, weniger als 1% des Süßwassers im Grundwasser und davon drei Tausendstel im Oberflächenwasser. Das Leben auf Gaia lebt von dem Süßwasser. Diese Ressourcen zu verunreinigen schadet allen, auch den Verschmutzern.
    Damit wir auch morgen noch die benötigten Mengen an Süßwasser haben, müssen wir uns selbst darum kümmern, d.h. nicht zu Gunsten von einer Handvoll Dollars diese Ressource mit Nitrat aus Düngemitteln, Mikroplastik, Öl, Medikamenten und Fracking zu zerstören.
  • Gemeinsame Rohstoffe
    Wir sitzen auf endlichen Rohstoffen – Kohle, Erdöl und -gas, Kupfer, Blei, Gold und seltene Erden. Ohne diese Stoffe können wir den aktuellen Lebensstandard nicht halten – Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser, Energie, Mobilität sowie Information und Kommunikation. Die Schätzungen diesbezüglich beschränken sich auf die uns bekannten Lagerstätten. Diese reichen zwischen 30 und zweihundert Jahre aus. Danach ist Schluss.
  • Gemeinsames Schicksal
    Das Raumschiff Erde ist so groß, dass es uns vorkommt, als wäre es eine Scheibe. Geschützt und am Leben gehalten werden wir durch die Atmosphäre. Unser lebenswichtiger Proviant ist das, was wir auf dem Land erwirtschaften und aus dem Boden und Meer ziehen. Mehr gibt es nicht. Wir verbrauchen heute mehr als doppelt so viele Rohstoffe, als vor fünfzig Jahren. Jährlich gehen durch Überweidung, ungeeignete Anbaumethoden, Erosion sowie durch Straßen- und Städtebau zwölf Millionen Hektar an Agrarflächen verloren. Gleichzeitig steigt die Bevölkerung bis 2050 auf neun Milliarden, die versorgt sein wollen. Was immer auf einer Seite der Erde passiert, hat einen Einfluss auf den Rest – ohne das aktuelle, magische Schlüsselwort zu benutzen.

Fazit: Der Blick auf die aufgehende Erde hat der Menschheit gezeigt, wie beschränkt unser Handlungsspielraum ist und für lange Zeit bleiben wird. Es gibt nur eine Atmosphäre, gemeinsame Wasserspeicher und endliche Rohstoffe, die uns zu EINER Schicksalsgemeinschaft machen. Ressourcen von der einen Seite auf die andere Seite zu verschieben, schadet der anderen Seite und bringt der Erde nichts. Trotz aller Hinweise haben einflussreiche Leute die Grenzen des Wachstums immer noch nicht verstanden, obwohl sie genauso betroffen sind, denn: Mehr gibt es nicht.

P.S.: An dieser Stelle ein Dankeschön an Greta.

Unbeabsichtigte Auswirkungen

Die meiste Arbeitszeit beschäftigen wir uns mit routinemäßigen Aufgaben, die getan werden müssen, aber weder eine Herausforderung noch einen Spaßfaktor darstellen. Da sie weder schwierig noch besonders aufwendig sind, werden sie nebenbei und ohne Eifer entschieden und abgearbeitet. Jemand besorgt USB-Sticks für die Mitarbeiter, die den Speicher vervierfachen und die nur noch einen Bruchteil kosten. Mit dem billigeren Hersteller aus China lassen sich abhängig von der benötigten Stückzahl einige Euros sparen. Das danach die Mitarbeiter regelmäßig ihre Daten verlieren oder den Stick nicht verbinden können, dadurch Kundengespräche scheitern, in der Folge wichtige Verträge nicht zustande kommen und am Ende der Umsatz des Unternehmens dramatisch einbricht, steht in keinem Verhältnis zu den 1250 Euros, die gespart wurden. Es ist die alte Geschichte, dass man sich durch kurzsichtige Einsparungen die Grundlage für den Geschäftserfolg zerstören kann – genau wie der Vorgesetzte, der einen Mitarbeiter abschießt, obwohl der Mitarbeiter der Grund für die eigene Position darstellt.

Entscheidungen erzeugen meistens nicht nur die angestrebten Ergebnisse, sondern man zahlt für dafür auch mit unbeabsichtigte Auswirkungen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

  • Blindheit
    Im Extremfall kann man sich gar keine Konsequenzen vorstellen – weder die gewollten und schon gar nicht die ungewollten. Dies ergibt sich aus einer kontextfreien Abwägung einer Entscheidung: Wähle ich die Lösung A oder die Lösung B? Da hinter einer Entscheidung ein Interesse steht wird leicht vergessen, dass auch Folgen entstehen können, die das Ergebnis nachträglich belasten.
    Aus diesem Grund sollten Sie bei einer Entscheidung nicht nur fragen, was Sie mit der einen oder anderen Alternative ermöglichen, sondern auch, ob unerwünschte Konsequenzen vorliegen, die Sie unter keinen Umständen erleiden möchten.
  • Banalisierung
    Die Vereinfachung einer Entscheidungssituation ist die ungewollte Herbeiführung der genannten Blindheit für die ungewollten Auswirkungen. Dies wird möglich, indem man mit Generalisierungen, Stereotypen und Mehrdeutigkeiten, die Einflussgrößen so vergröbert, sodass die Erkenntnisse beliebig werden. Diese Popularisierung macht zwar die Entscheidungen nachvollziehbarer, aber verbessern die Entscheidung in keiner Weise.
    Aus diesem Grund sollten Entscheidungen nicht banalisiert werden. Es gibt keine Gewähr, dass die gemachten Prognosen eintreten. Allerdings verbessern sich die Voraussagen, wenn man die Entscheidungsparameter angemessen berücksichtigt.
  • Begriffsstutzigkeit
    Eine weitere Variante, die zu einer Form von Blindheit führt, ist der Mangel an Verständnis, der durch zu wenig oder zu viel Information entsteht. Wie soll man vernünftig eine Entscheidung treffen, wenn man die Gegebenheiten nicht ausreichend kennt? Der Schmetterlingseffekt hat uns zwar beigebracht, dass man nie genug wissen kann, um eine zuverlässige Vorhersage abgeben zu können. Das bedeutet jedoch nicht, dass man auf mehr Klarheit verzichten sollte, um Entscheidungen besser treffen zu können.
    Aus diesem Grund sollte man stets die eigene Sicht hinterfragen. Liegen die wichtigen Informationen vor? Ist meine Sicht widerspruchsfrei? Habe ich alles verstanden? Da man aber nie alles überblicken und verstehen kann, bleibt immer ein Restrisiko, das jedoch mit mehr Klarheit sinkt.
  • Beschleunigung
    Unangenehme Entscheidungen werden oft übers Knie gebrochen. Man agiert mit der Einstellung: Wenn man schon nicht weiß, was für Ergebnisse sich ergeben, dann sollte man die Entscheidung wenigstens schnell treffen. Und das, obwohl diese Form der Hetze zu mehr ungewollten Auswirkungen führt.
    Aus diesem Grund sollte JEDER Entscheidung eine angemessene Dauer zugebilligt werden. Im Geschäftsleben gibt es selten Situationen, die in Sekunden über Leben und Tod entscheiden. Der gesunde Menschenverstand rät, dass man jede Entscheidung überschlafen soll – um in der nächtlichen Batch-Verarbeitung zu einem besseren Schluss zu kommen.
  • Bias
    Gelegenheiten, die eine Entscheidung erfordern, werden belastet von unbewussten Verzerrungen der Wahrnehmung, der Erinnerungen, des Denkens und des Urteilens. Diese Filter nennt man kognitive Verzerrung oder Bias. Beispiel ist das Gruppendenken (Groupthink), bei dem eine Einzelperson sich von der Meinung der Gruppe beeinflussen lässt und schlechtere Entscheidungen trifft, als ohne die Gruppe. Ein anderes Beispiel ist die Kontrollillusion, die einem vermittelt, dass man zufällige Einflüsse, kontrollieren könnte.
    Aus diesem Grund sollte eine Entscheidung versachlicht werden, indem man beispielsweise neutrale oder die Positionen von anderen Personen einnimmt und aus diesen Sichten jeweils eine Pro-Con-Liste erstellt.

Fazit: Entscheidungen beinhalten nicht nur angestrebte Ergebnisse, sondern daneben immer auch Folgen, die vielleicht wenig mit dem Ergebnis zu tun haben, aber einem stark schaden können. Man sollte sicherstellen, dass ErSie die (un)gewünschten Folgen sieht, nicht durch übertriebene Vereinfachung beliebige Schlüsse zieht, durch angemessene Information besser Bescheid weiß, aufgrund ausreichender Zeit alles durchdenken kann und Verzerrungen der Wahrnehmung, der Erinnerung, des Denkens und des Urteilens vermeidet, damit keine unbeabsichtigten Auswirkungen erlitten werden.