Die Mauer – ideale Metapher für Grenze

Die Große Mauer wird mit ihren über 21.000 km, trotz der über 3100 km langen Grenzanlagen zwischen den USA und Mexiko, auf absehbare Zeit der größte Grenzwall der Welt bleiben. Der 24 km lange Zaun bei Ceuta, die160 km der ehemaligen Berliner Mauer und die 759 km langen Sperranlagen zwischen Israel und dem Westjordanland zeigen, dass die älteste Form der territorialen Grenze immer noch zum Einsatz kommt. Am Beispiel einer Mauer lassen sich Aspekte einer Grenze aufzeigen.

Grenzen gibt es mit und ohne Mauern. Natürliche Grenzlinien haben sich stets entlang von Gewässern, Wüsten und Bergen gebildet. Sobald auf einer Karte diese Trennungslinien kerzengerade verlaufen, handelt es sich um künstlich geschaffene Grenzen, wie beispielsweise die Nordgrenze der USA zwischen Buffalo Point und Vancouver. Ehemalige Kolonien können ein Lied davon singen. Warum werden trotz unseres globalen Bewusstseins heute noch Mauern hochgezogen?

  • Festlegung
    Im einfachsten Fall werden mit einer befestigten Grenze Besitzverhältnisse angezeigt. Man steckt damit die zu einem Gebiet zählenden Flächen ab und trennt sie dadurch von ihrer Umgebung. Wie eine von Wasser umspülte Insel von anderen Landmassen abgetrennt ist, bildet die Grenze ein zusammengehöriges Gebiet, in dem bestimmte Regeln, Überzeugungen und Verhalten Gültigkeit haben. In vielen Kulturen bestimmt eine Mauer die familiäre Sphäre. Die Hutongs in China und die Anwesen in arabischen Ländern werden von einer übermannshohen Mauer umgeben, die gebaut wird, bevor der eigentliche Hausbau beginnt.
  • Eingrenzung
    Mauern sind immer eine Barriere für die, die sich innerhalb befinden. Damit ist sie ein ideales Mittel, um zu verhindern, dass jemand oder etwas ein bestimmtes Gebiet unkontrolliert verlässt. Das gilt nicht nur für Gefängnisse, sondern auch für Industrieeinrichtungen, die auf diese Weise beispielsweise Diebstahl verhindern. Das umschlossene Gebiet lässt sich durch den Rahmen besser kontrollieren und absichern. Die Grenze bildet eine Hürde, die die Kontrolle im Inneren sicherstellt. Je nach ihrer Größe wird die Umschließung als mehr oder weniger unangenehm wahrgenommen. In der früheren Inselstadt Berlin war die Grenze nie weit entfernt. Ein großes Land, das sich über mehrere Zeitzonen hinzieht, erweckt dabei manchmal den Eindruck von unendlicher Weite. Unsere vergleichbaren mentalen Mauern werden aber durch unsere Erziehung und Erfahrungen aufgebaut. Im Extremfall befinden wir uns in einer Informationsblase, aus der wir nicht herauskommen, da wir beschränkt sind auf die bereitgestellten Information.
  • Ausgrenzung
    Außerhalb der Mauer befinden sich die Anderen, die durch die Grenze gezwungen werden draußen zu bleiben. Mit der Zeit wirkt das, was anders ist, befremdlich, bedrohlich und unerwünscht. Das führt dazu, dass die Bewohner enger zusammenrücken, sich über die Ausgrenzung definieren und immer mehr gegen die Fremden polarisieren. Die Grenze verhindert den erforderlichen offenen Meinungs- und Warenaustausch. Unverständlicherweise folgen Separatisten damit dem falschen Weg von Nordkorea. Auswüchse dieser Ausgrenzung beobachten wir bis heute. Erstaunlicherweise haben frühere Opfer einer solchen Ausgrenzung keine Hemmungen ihren heutigen Rassismus und ihre gelebte Intoleranz öffentlich zu zeigen. Das reicht von dem illegalen Siedlungsbau im Westjordanland bis hin zu den gesicherten Wohnkomplexen (sogenannte Gated Communities) in vielen Ländern.

Grenzen schaffen vor allem Orientierung – dies gehört zusammen und das gehört nicht dazu. Die Mauer ist das Sinnbild einer Grenze zwischen A und B. Innerhalb gelten die einen Gesetze und außerhalb die anderen. Damit ist eine Grenze an sich hilfreich, informativ und praktisch. Sobald jedoch Grenzen dazu missbraucht werden, ein- oder auszusperren, werden sie gefährlich. Derzeit schwingt das Pendel zurück zur Nationalstaatlichkeit. Die Mauern werden gerade erneut errichtet – mental und physisch.

Fazit: Grenzen sind ein wichtiges Werkzeug, um ein zusammenhängendes Gebiet festzulegen, in dem eine gemeinsame Identität und gemeinsame Grundlagen existieren. Dies schafft Sicherheit und Geborgenheit. Gleichzeitig werden Grenzen genutzt, um Menschen ein- oder auszusperren. Die Mauer verdeutlicht diese Situation. Aus diesem Grund ist sie die ideale Metapher für Grenze.