Fraktaler Wahnsinn

Die Welt, in der wir leben, hat nur die Einteilung, die wir ihr geben. Zu diesem Zweck werden aus allen Blickwinkeln Entwürfe erstellt, die die unterschiedlichen Aspekte gliedern. Eine Schwierigkeit ist dabei die Frage, auf welcher Ebene man sich befindet und wie viele es eigentlich gibt. Verschärfend kommt hinzu, dass sich die Sachverhalte mit unterschiedlich feinen Einzelheiten beschreiben lassen. Interessanterweise werden auf jeder Stufe immer wieder ähnliche Fragen gestellt, z.B. Was passiert hier? Wie hängt alles zusammen? Wer ist beteiligt? Sobald gleichartige Aspekte immer wiederkehren, nennt man dies Selbstähnlichkeit oder Fraktalität. Das Dreieck, das aus Dreiecken besteht, die aus Dreiecken bestehen, die aus Dreiecken bestehen und so fort. Dass es bei der Detaillierung kein Ende gibt, haben die Mathematiker beispielsweise mit der Mandelbrotmenge bewiesen. Die Selbstähnlichkeit verunsichert manchmal. Diesen fraktalen Wahnsinn hält man jedoch mit einer geschickten Einteilung mithilfe von Betrachtungsebenen besser aus.

Detaillierungsgrade benötigen immer eine Referenz, um die herum die Ebenen gebildet werden. Nehmen wir unsere Milchstraße als Referenzpunkt, dann ist das uns umgebende Universum Makro, unsere Milchstraße Meso und unser Sonnensystem Mikro. Die folgenden Punkte beschreiben diese Detaillierungsstufen, die bei jeder Größenordnung angewendet werden können.

  • Makro
    Die Makroebene ist stets die gröbste Sicht. Sie bietet einen generellen Überblick des betrachteten Bereichs. Diese Ebene definiert den gesamten Umfang eines Systems. Gleichzeitig bildet sie die Grundstruktur für weitere Verfeinerungen. Beispiele sind die Gesellschaft als Ganzes, die Erde mit den Kontinenten, die Wertschöpfungskette eines Unternehmens mit ihren wesentlichen Funktionen und Reihenfolgen. Zur weiteren Verfeinerung ist es sinnvoll, die vorab festgelegte Reichweite vollständig auf dieser obersten Ebene zu beschreiben.
  • Meso
    Die Mesoebene verteilt sukzessive die Elemente der Makroebene auf mehrere Ebenen, z.B. die Kontinente in Länder, in Landstriche, in Städte, in Viertel, in Straßen usw. Auf einer Ebene sollten stets die Elemente mit einem ähnlichen Detaillierungsgrad beschrieben werden. Der Mesobereich besteht aus mindestens einer Ebene, die die Brücke zwischen der Makroebene und der Mikroebene ist. Manchmal kann es erforderlich sein, mehrere Ebenen aufzubauen. Dabei ist zu bedenken, dass sich die Zahl der zu beschreibenden Elemente mit jeder Ebene vervielfacht. Wenn jede Ebene aus 5 Elementen besteht, finden sich auf der ersten Ebene 5 Elemente, auf der zweiten Ebene 5×5=25, auf der dritten 5x5x5:125 Elemente usw. Der Zweck bestimmt, wie weit man detailliert. Es ist jedoch geschickt dem Impuls zu widerstehen, viele Ebenen anzulegen, da der Verwaltungsaufwand exponentiell wächst – und schließlich jeglichen Vorteil zunichtemacht.
  • Mikro
    Die Mikroebene beschreibt die unterste Ebene des Modells und bietet die am feinsten beschriebenen Details. Darüber hinaus gibt es keine zusätzlichen Verfeinerungen. So finden sich in einer Straße Häuser, in denen Wohnungen sind. In diesem Fall gibt es keine Information über die Anzahl Zimmer oder die Ausstattung oder ähnliche Details der Wohnungen. Damit bestimmt die Mikroebene die Barriere zu weiteren Einsichten. Legt man diese Granularität vorab fest, widersteht man dem Gefühl weiter detaillieren zu müssen. Feinere Auswertungen, als die auf der Mikroebene, sind jedoch nicht möglich.

Neben diesen Detaillierungsebenen gibt es eine Sicht von außen. Diese abstrakte Sicht auf das Ganze beschreibt alle Elemente des Modells, z.B. die Mikro-, Meso- und Makroebene sowie die Eigenschaften, die Beziehungen zwischen den Eigenschaften sowie die Logik, mit der ausgewertet werden soll. Die Metaebene schwebt über den Inhalten, womit Selbstreferenz und andere Modellprobleme vermieden werden. Die Metaebene ist immer ein Bestandteil der Betrachtung, die die Navigation durch das System erleichtert. Beispiel für Metaebenen sind standardisierte Gliederungen, wie z.B. Gesellschaftsmodelle (Gesellschaft, Familie, Individuen), Wirtschaftsmodelle (Märkte, Unternehmen, Haushalte) oder Geschäftsprozesse (Wertschöpfung, Prozesse, Tätigkeiten).

Fazit: Es lassen sich in jeder Granularität Beschreibungen erstellen. Im Interesse der Verarbeitbarkeit der Inhalte liefert die Makroebene einen Überblick und umreißt das Gesamtsystem. Die Mesoebene arrangiert die großen Teilbereiche und stellt den Zusammenhalt her. Auf der Mikroebene finden sich dann die kleinsten Bestandteile. Der Aufsatzpunkt ist frei wählbar und wird aus dem Zweck der Betrachtung abgeleitet. Die Tatsache dass man, egal, auf welcher Ebene man aufsetzt, immer weiter verfeinern kann, verwirrt manchmal und führt zu dem Wunsch noch eine und noch eine und nur noch eine Ebene tiefer zu beschreiben. Dies führt jedoch aufgrund des immer höheren Aufwands zu Frust bei denen, die die weitere Verfeinerung ausarbeiten müssen. Es empfiehlt sich, dem fraktalen Wahnsinn, dass man immer feiner beschreiben könnte, aus dem Weg zu gehen, indem man dem Impuls der Verfeinerung widersteht und einfach die gewünschten Auswertungen auf den verfügbaren Ebenen durchführt.

2 Gedanken zu „Fraktaler Wahnsinn

  1. Prof. Dr. Thomas Druyen

    Es ist zumeist ein Vergnügen und eine synchronisierende Anregung, Ihre Gedanken zu verfolgen. Toll. Gratuliere.

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