Standfest durch Rituale

Heraklit hatte bereits vor zweieinhalbtausend Jahren erklärt, dass man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann. Sein Panta rhei (πάντα ῥεῖ) hat uns bewusst gemacht, dass das einzige Beständige der Wandel ist. Unser Tag ist durchdrungen von Ritualen. Neben dem Morgenkaffee und den gleichmäßig verteilten Rauchpausen, gibt es geschäftliche Rituale, die einen durch den Tag, die Woche, den Monat und das Jahr bringen – die Morgenbesprechung (heute Daily Stand-up), Planungs-, Budget-, Projekt- und Berichts-Sitzungen sowie die jährliche Beurteilung der Leistung, das Kamingespräch, die Teamentwicklung und so weiter. Diese Rituale schaffen in der hyperbeschleunigten VUCA-Welt Standfestigkeit und verhindern, dass man von der Flut der Daten nicht weggerissen wird.

Beim Blick auf und der Entwicklung von Ritualen helfen die folgenden Bausteinen.

  • Einfache Struktur
    Durch den simplen Ablauf eines Rituals weiß der bestimmte Teilnehmerkreis, der sich zu wiederholenden Zeitpunkten und für eine bestimmte Dauer an einem vorgegebenen Ort versammelt, was sie entsprechend ihrer Rollen zu tun haben. Klare Symbole, Regeln und Entscheidungswege unterstreichen dabei den Zweck und den Hintersinn – sei es zur Lenkung, der Weiterentwicklung und der Veränderung des Bereichs oder zur Festigung des Gemeinschaftsgefühls.
  • Zweck und Bedeutung
    Ein Ritual verfolgt eine offizielle Absicht, die jedoch für die einzelnen Rollen unterschiedliche Stellenwerte haben. Einerseits verfolgen die Veranstalter mit ihrer Agenda geschäftliche und politische Interessen – vorwiegend, um die Teilnehmer von ihren Absichten zu überzeugen. Andererseits haben die Teilnehmer vielschichtige Bedürfnisse – sie wollen sich beispielsweise informieren, vorbereiten, präsentieren oder die eigenen Ideen vortragen. Das Ritual entspannt die Zwickmühle zwischen diesen unterschiedlichen Anliegen, indem es durch seine einfache Struktur regelmäßigen Austausch sicherstellt.
  • Gemeinschaftsgefühl
    Ein zentraler Baustein ist der Zusammenhalt, der durch ein Ritual gestärkt wird. Die einfache Struktur, der gemeinsame Zweck und die Bedeutung für die Teilnehmer sowie die Routine des Rituals werden mit der Zeit akzeptiert und bringt allen Beteiligten Vorteile. Der Gefahr eines ausgrenzenden Selbstverständnisses kann man durch entsprechend eingebaute Öffnungen entgegenwirken – z.B. durch gelebte Öffentlichkeit, festgeschriebene Toleranz und Gleichbehandlung oder durch entschiedene Verurteilung von Was-auch-immer-Vorurteilen. Die Verbundenheit zwischen den Teilnehmern wird durch dieses Set an Werten untermauert. Vor allem Symbole fördern das Wirgefühl: Logos, Embleme und sonstige Markenzeichen.
  • Wohlbefinden
    Die Volatilität und Mehrdeutigkeit der Referenzpunkte, an denen die Mitglieder ihr Handeln ausrichten, löst häufig Unsicherheiten und Angst aus. Angst ist einer der größten Bremsklötze bei den heutigen Aufgabenstellungen – wenn sich alle umstellen müssen, weil sie mit weniger mehr machen sollen, oder mit Unbekannten zusammenarbeiten müssen, oder von pathologischen Führungskräften bedrängt werden. Im Gegensatz zur Angst ist der Spaß einer der größten Beschleuniger. Mit Zuversicht aufgeladen werden wir alle zu Höchstleistungen angeregt. Spaß bringt uns in den Flow, der maximale Performanz erzeugt. Aus diesen Gründen brauchen Rituale immer Teile, die das Wohlbefinden fördern – z.B. sich treffen auf Augenhöhe, respektvoller Umgang, vorgeführte Wertschätzung und vor allem das Schaffen von Gelegenheiten zur Teilnahme.

Fazit: Die Mitglieder von Gruppen aller Art suchen in der heutigen VUCA-Welt fortwährend nach Halt. Unzählige Rituale bieten dies mithilfe eines einfachen Ablaufs, für und zu bestimmten Zeiten und ermöglichen einem individuellen Teilnehmerkreis sich an einem präzisen Ort auszutauschen. Klare Symbole und Regeln schaffen dabei die Grundlage für das Gemeinschaftsgefühl und erleichtern es den Beteiligten sich zu orientieren und wirksam einzubringen. Der offizielle Zweck ist dabei verbunden mit den Interessen eines jeden Teilnehmers. Das Ritual schafft durch die Überwindung von Ängsten und die Stimulierung von Spaßfaktoren für den Einzelnen Wohlbefinden bei der Arbeit. Rituale sind fester Bestandteil unseres Alltags und fördern damit Standfestigkeit im Fluss der Veränderungen.