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Das Glas – die ideale Metapher für eine Botschaft

Die Wege, um eine Idee auf die Reise zu schicken, beschränken sich auf die Mittel unserer Wahrnehmung. Üblicherweise transportieren wir die Botschaften über unsere Sinne: Sehen, Hören, Tasten, Schmecken, Riechen usw. Damit sie sich jedoch zu einer Bedeutung zusammenballen, kommt man um Wörter nicht herum. Die Erläuterung eines Begriffs benötigt Wörter, die wiederum Wörter brauchen, die … – usw. So wird ein Begriff allmählich mit Erklärungen gefüllt, die nie Allen alles auf die gleiche Weise verdeutlichen. Damit werden Botschaften zu einer Hülle, die beliebig mit Informationen gefüllt werden können. In derselben Weise lässt sich ein Glas mit einem x-beliebigem Inhalt füllen. Das macht das Glas zur idealen Metapher für eine Botschaft.

Vor allem neue Ideen kämpfen mit der Tatsache, dass ihnen im wahrsten Sinne die sprachlichen Ausdrücke fehlen. Es gibt in aller Regel drei Wege, um eine Botschaft zielgruppenorientiert mit Inhalt zu füllen.

Das leere Glas (Der unzureichende Inhalt)
Eine Aussage besteht aus einer beschränkten Anzahl von Wörtern. Dies verhindert, dass man in einem Satz alle Wörter erklärt. Nehmen wir einen einfachen Satz wie den folgenden.

Freie Radikale entstehen infolge von bestimmten Prozessen.

Der Kontext könnte uns den Hinweis liefern, dass es sich nicht um Anarchisten handelt, die zuvor im Gefängnis einsaßen und sich gegen jegliche Autorität wendend, mit Einfluss und Ansehen, bestimmt durch ihr Renommee, das auf Andere einwirkt, wodurch sie manipulieren, aber in Verfahren freigesprochen wurden, deren Vorsitz ein Richter gehabt haben könnte, der sich auf einen Paragrafen berief ….
Das Beispiel entspricht einem leeren Glas, dem der Inhalt fehlt, solange der Kontext des Alterns von Organismen nicht näher aufgezeigt wird. Die Auslegung des Satzes wird natürlich auch von dem Fachwissen der Zielgruppe bestimmt. Je nach Fachgebiet interpretieren Juristen den Satz anders als Biologen.
Ein bemerkenswerter Sonderfall des leeren Glases sind Gesellschaften, die Informationen mit sehr wenig Wörtern austauschen und überzeugt sind, dass alle das Gleiche verstehen. Ein Beispiel für diese Art der High Context Kultur bietet Japan. Das Ishin-denshin (以心伝心) suggeriert den Beteiligten ein gleiches Verständnis.

Das randvolle Glas (Der ausschweifende Inhalt)
Manche Aussagen werden derart detailliert beschrieben, dass man im Verlauf den Überblick und am Ende die eigentliche Botschaft verliert.

Eine bestimmte Form der elektromagnetischen Strahlung, deren bestimmte Anteile in Form von Signalen auf eine dünne Schicht, die auf einer leicht brennbaren Mischung von Cellulosenitrat mit Campher oder auf einer durch Schmelzen erzeugten amorphen Substanz aufgetragen ist, bzw. auf ein technisches Bauteil mit bestimmten physikalischen Eigenschaften Einfluss nimmt, um ein Abbild der Wirklichkeit langfristig speichern zu können.

Diese ausführliche Beschreibung ist eine anerkennenswerte Leistung, die einem vermittelt, wie stark sich der jeweilige Autor bemüht alle Bestandteile des Fotografierens zu erklären. Diese Form der Beschreibung entspricht jedoch dem randvollen Glas, das schnell überlaufen kann – was dem Unmut in der Zielgruppe entspricht. Nicht wahr?
Dieser analytische Ansatz der Vermittlung einer Botschaft findet sich eher in westlichen Ländern, in sogenannten Low Context Kulturen. Interessanterweise erzeugt diese Herangehensweise bei den Betrachtern auch kein gleiches Verständnis, sondern führt schnell zu Verwirrung.

Das halb … Glas (Der Inhalt in leichter Sprache)
So wie jedes Glas abhängig von seinem Inhalt einen normalen Füllgrad hat, so sollte auch eine Botschaft mit einem angemessenen Füllgrad vermittelt werden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob wir vom halb vollen oder halb leeren Glas sprechen.

Die folgenden 3 Beispiele zeigen, warum ein Glas das perfekte Bild für ein Wort ist.

  1. Das leere Glas liefert eine Worthülse ohne Erklärungen.
  2. Das volle Glas liefert die Worthülse mit zu vielen Erklärungen.
  3. Das richtig gefüllte Glas liefert die Worthülse mit angemessenen Erklärungen.

Ein Wort dient zur Vermittlung eines bestimmten Inhalts. Zwar entscheiden letztendlich die Empfänger, was sie verstehen, aber die Sender haben die Kontrolle über ihre Wortwahl und den Aufbau ihrer Sätze. Mithilfe einer einfachen Sprache steigt die Wahrscheinlichkeit besser verstanden zu werden. Die Wahl der Wörter wird dabei bestimmt durch die Zielgruppe.
Im Rahmen von Leichter Sprache wird durch bestimmte Regeln, die Verständlichkeit von Botschaften erhöht – z.B. kurze Sätze, eine Aussage pro Satz, eine einfache Satzstruktur, die Vermeidung von abstrakten Begriffen und Anspielungen sowie Fremdwörter und Abkürzungen, die beim ersten Auftreten erklärt werden. Die Wahrscheinlichkeit verstanden zu werden steigt dadurch.

Fazit: Das Glas ist ein Behältnis, in das ein Inhalt gefüllt werden kann. Auch Botschaften haben einen Inhalt – die Bedeutung. Die Nutzung eines bestimmten Wortes ist dabei noch keine Gewähr dafür, dass der richtige Inhalt vorliegt und verstanden wird. Aus diesem Grund entwickelt man eine Botschaft mit mehr oder weniger Erklärungen. Das leere Glas versinnbildlicht dabei Wörter und Sätze, die nicht besonders erklärt werden. Das volle Glas ist ein Sinnbild für das gegenteilige Extrem, dass durch zu viele Erklärungen die Botschaft verwässert. Das halb volle Glas symbolisiert Wörter, die je nach Einstellung interpretiert werden. Oft werden bestehende Worthülsen einfach mit neuem Inhalt belegt – so wie sich die Bedeutung von witzig aus wissend über geistreich und lustig bis heute zu seltsam gewandelt hat. Damit werden die Botschaften das Behältnis, in das beliebige Interpretationen gefüllt werden. Das Gleiche gilt für ein Glas. Damit ist das Glas die ideale Metapher für eine Botschaft.