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Die Fahnenstange – die ideale Metapher für die Endlichkeit der Möglichkeiten

Mit einer zunehmend digitalen Welt der Dienstleistungen wird es immer schwerer, die Begrenzungen der Tätigkeiten auszumachen. Diese neuen Merkmale unserer Arbeitswelt haben keine Abmessungen, keine Flächen, kein Gewicht, keine Temperatur – kurz sie lassen sich nicht mit den üblichen Geräten messen. Was bleibt sind Eigenschaften wie Dauer, Geschwindigkeit, Freundlichkeit, Verfügbarkeit des Services – z.B. die Zubereitung einer Mahlzeit inkl. Getränk 2-3 Minuten; Lieferung einer Pizza 30 Minuten; Freundlichkeit der Telefonberatung (Anzahl Sterne); 24/7 Bestellservice. Und wie werden Leistungen der Mitarbeiter gemessen? Zählen wir die Tastenanschläge, die ein Ingenieur bei der Entwicklung eines neuen Produkts macht – wenn Denken ein wichtiger Teil der Arbeit ist? Oder die Anzahl Folien, die ein Mitarbeiter pro Stunde erzeugt – wenn oft nur kopiert wird? Oder die Anzahl Pizzas, die geliefert werden – wenn manche sehr weit unterwegs sind? Es fehlen allgemeine Messgrößen, die uns bei der Verteilung der Aufgaben unterstützen. Durch diese Auflösung der materiellen Eigenschaften in der virtuellen Welt verlieren wir unsere Orientierung und das Gespür für die Begrenztheit der Möglichkeiten.

Dabei ist auch die virtuelle Welt beschränkt. Wir haben nicht grenzenlos Zeit oder Budget oder Ideen. Um uns diese Grenzen greif-barer zu machen, liefern die Eigenschaften eines Fahnenmasts eine passende Metapher für die Aspekte einer Dienstleistung.

  • Die Stange
    Die Größe des Handlungsspielraums wird durch die Länge des Fahnenmasts symbolisiert. Hier zeigen sich bereits Sonderfälle – wenn es sich beispielsweise um eine Teleskopstange handelt, die unterschiedlich lang ausgefahren werden kann. Oder modulare Stangen, die man durch anschraubbare Erweiterungen verlängern kann.
    Auf ähnliche Weise sind Dienstleistungen in der Lage die Möglichkeiten durch eingebaute Puffer oder künstliche Zusatzbausteine zu bestimmen – die Höhe des Budgets oder die Verlängerung eines Services.
  • Der Ausleger
    Der Zweck des Mastes ist es ein weithin sichtbares Zeichen zu setzen.. Bei Windstille könnte die Fahne zusammenfallen. Für diesen Fall steht ein Ausleger zur Verfügung, der die Fahne zu jeder Zeit sichtbar hält. Ein gutes Beispiel wurde auf dem Mond platziert – auch wenn die Fahnen durch die UV-Strahlung zwischenzeitlich weiß gebleicht sein sollten.
    Der Einsatz von IT kann eine Dienstleistung auch zu ungewöhnlichen Zeiten anbieten – wenn eine geringe Anzahl von Kunden den Einsatz von Mitarbeitern unwirtschaftlich macht, liefern Webseiten einen virtuellen Ladentisch.
  • Die Kordel
    Um die Flagge auf eine beliebige Flughöhe zu bringen nutzt man eine Kordel. Normalerweise wird die Flagge bis zur Spitze gezogen oder andernfalls eingezogen – außer: In besonderen Fällen wird Halbmast gehisst.
    Ein wichtiger Vorteil der virtuellen Welt ist Skalierbarkeit, die einfach den Service an die vereinbarten SLAs anpasst – sobald eine bestimmte Antwortzeit nicht mehr gegeben ist, erweitert man die Rechnerleistung solange, bis die gewünschten Antwortzeiten erreicht sind.
  • Die Klampe
    Um die Flaggenhöhe zu halten, muss die Kordel festgebunden werden. Hierzu haben Seilsysteme schon immer Klampen genutzt. Das sind besondere Haken, an denen die Kordel verknotet wird. Die Klampe markiert oft den tiefsten Punkt der Fahne.
    In der virtuellen Welt fehlen physische Haken, an denen man sich orientiert. Aus diesem Grund werden hier Richtlinien vergeben, die durch ein Regelwerk oder eine Governance festgelegt werden.
  • Die Spitze
    Das Ende des Fahnenmasts ist an der Spitze erreicht. Ohne ein passendes Erweiterungsstück geht es hier nicht weiter. Die Macht des Faktischen bestimmt, dass die Fahne hier nicht höher gezogen werden kann.
    Befindet man sich in der nicht-materiellen Welt, sind diese natürlichen Grenzen verschwunden. Zumindest sind die Beschränkungen schwer zu ermitteln – wann Mitarbeiter am Limit arbeiten oder eine Leistung noch besser (was immer das heißt) erledigt werden kann. Dieses Mehr-Geht-Nicht können die Mitarbeiter selbst nicht bestimmen.
  • Der Sockel
    Unbeachtet bleibt das Fundament, das den Mast aufrecht hält. Dies ist der tiefste Punkt, an dem die Klampe befestigt werden könnte. Auch hier ist das Ende des Fahnenmasts erreicht.
    Das „untere“ Ende der virtuellen Welt lässt sich in Ermangelung von räumlicher Ausdehnung schwer bestimmen – werden Erwartungen nicht erfüllt, kann das zu bodenlosem Reputationsverlust führen, der sich schwer beheben lässt. Deshalb müssen die Grenzen einer Dienstleistung so beschrieben sein, dass keine falschen Hoffnungen geweckt werden.

Fazit: Die physische Welt liefert einem, im Gegensatz zur virtuellen Welt der Dienstleistungen, klare Grenzen durch ihre Stofflichkeit. Die Fahnenstange ist ein Artefakt, das dies veranschaulicht – die Stange als der Möglichkeitsraum, der Ausleger als Stabilisator, die Kordel als Einstellmittel, die Klampe als zusätzliche Einschränkung, die Spitze als obere und der Sockel als untere Grenze. Den Dienstleistungen fehlen solche Referenzpunkte. Sie müssen künstlich festgelegt und messbar gemacht werden. Da der Mast die wichtigen  Aspekte liefert, kann man sich an diesem Beispiel orientieren. Das macht die Fahnenstange zur idealen Metapher für die Endlichkeit der Möglichkeiten.