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Der Fluss – die ideale Metapher für den Geschäftsprozess

Ein Wasserlauf, der sich aus der Quelle zum Bach und schließlich zu einem mächtigen Strom entwickelt, hat Eigenschaften, die auch einen betrieblichen Ablauf ausmachen. In seinem Bett fließt das Wasser immer wieder vom Berg ins Meer, wo es verdunstet und über die Wolken wieder in die Berge zurückkommt und der ganze Kreislauf von Neuem beginnt. Dabei befördert der Fluss mit seinen Wassermassen Geröll und anderes Sediment, versorgt das angrenzende Ackerland mit Wasser und Nährstoffen und ermöglicht ab einer gewissen Größe den Transport von Menschen und Gütern. Über bestimmte Eigenschaften des Flusses verfügen auch Geschäftsprozesse. Das macht den Fluss zu einer idealen Metapher für den Geschäftsprozess.

Die folgenden Aspekte verdeutlichen einige dieser Eigenschaften.

  • Es gibt immer einen Start- und Endpunkt
    Die Summe der Quellen machen den Startpunkt eines Flusses aus. Die Entdeckung der Quellen des Nils zeigt, dass es einerseits dauern kann, bis der tatsächliche Ursprung gefunden wird. Andererseits müssen die Quellen festgelegt werden, indem man sich auf offizielle Startpunkte einigt. Ähnliches passiert an der Mündung, wenn sich der Fluss weiträumig auffächert und sich mit verschiedenen, großen Strömen im Meer ergießt. Auch Geschäftsprozesse haben häufig mehrere Start- und Endpunkte, auf die man sich einigen muss. Entscheidend ist, dass vor dem Start und nach dem Ende nichts passiert. Ansonsten ist die Reichweite des Prozesses falsch.
  • Der natürliche Verlauf findet seinen Weg
    In früheren Zeiten sind die Flüsse durch die Landschaft mäandert. Dabei haben sich die Flussläufe immer mal wieder verschoben und große Täler herausmodelliert. Heutzutage versucht man die Flüsse so zu bändigen, dass Überflutungen und sich verändernde Verläufe durch Dämme verhindert werden. Grundsätzlich streben alle Flüsse von den Bergen ins Meer. Dadurch ergibt sich ein natürlicher Verlauf, der bis heute den Fluss ausmacht. Auch Geschäftsprozesse folgen Abläufen, die sich aus dem gesunden Menschenverstand ergeben. Aus diesem Grund gibt es bereits Prozesse, bevor diese gestaltet und beschrieben sind. Entscheidend ist, dass man diese natürlichen Gegebenheiten berücksichtigt, um unnötige Reibungsverluste zu vermeiden.
  • Das Gefälle erhält den Fluss
    Manche Flüsse scheinen sich nicht zu bewegen. Andere überwinden große Höhen und entwickeln dabei eine ungeheure Energie, die alles mitreißt. Das Gefälle bestimmt die Fließgeschwindigkeit und die Kräfte, die dabei entstehen. In der Natur haben sich Wasserfälle gebildet, die alles, was im Fluss transportiert wird, starken Belastungen aussetzt. Ohne Gefälle verbreiten sich im flachen Gelände die Ströme zu riesigen Wasserflächen, in denen eine völlig andere Flora und Fauna lebt. Auch Geschäftsprozesse unterscheiden sich in ihrer Geschwindigkeit. Das Gefälle ergibt sich dabei durch den Grad der Automatisierung. Sobald ein Vorgang im Computer abläuft, werden Geschwindigkeiten erreicht, die wir nicht mehr verfolgen können, z.B. virtuelle Börsen in Millisekundentakt kaufen und verkaufen. Entscheidend sind die Anforderungen an den Ablauf. Entsprechend werden die Prozesse durch Computer beschleunigt oder durch menschliche Teilnahme abgebremst.
  • Gegen die Strömung kostet mehr als mit der Strömung
    In einem Fluss treiben alle Dinge in Richtung Meer, ohne dass zusätzliche Energie erforderlich wäre – außer vielleicht zur Steuerung. Dadurch wurden Flüsse schon früh zu den bevorzugten Transportwegen. Die aufzuwendende Anstrengung ist dann der Durchschnitt der Aufwendungen, die erforderlich sind, um stromabwärts und wieder stromaufwärts zu gelangen. Manchmal müssen Strudel überwunden werden. Auch Geschäftsprozesse haben die Tendenz schnell vom Start zum Ende zu fließen. Sobald die Betroffenen in Widerstand gehen und sich außerhalb der üblichen Abläufe bewegen, brauchen sie wesentlich mehr Aufwand. Entscheidend ist es die natürliche Strömung zu berücksichtigen und mit möglichst wenig Energie vom Start zum Ende zu gelangen.
  • Der Fluss transportiert etwas
    Ein naturbelassener Fluss befördert Steine, Erde, Bäume, Kadaver, einfach alles, was sich in ihm befindet. Dies führt manchmal dazu, dass sich an einzelnen Stellen Barrieren auftürmen, die dann erzwingen, dass der Fluss sein bisheriges Bett verlässt und sich einen neuen Weg sucht. Die Menschen haben gelernt, den Fluss zu nutzen und darauf unterschiedlichste Waren zu transportieren. Um diese Möglichkeit möglichst wirksam auszuschöpfen und die Handbreit Wasser unterm Kiel sicherzustellen, wurden die Flüsse mit der Zeit begradigt und regelmäßig ausgebaggert. Auch der Geschäftsprozess transportiert etwas – überwiegend Informationen. Aber auch Materialien folgen dem Verlauf. Die Gestaltung der Prozesse entspricht dabei der Begradigung eines Wasserwegs. IT-Programme und beschriebene Abfolgen von Aufgaben bestimmen den Ablauf. Entscheidend ist es, dass zur richtigen Zeit die richtigen Informationen und Materialien dort sind, wo sie gerade gebraucht werden.

Fazit: Das intuitive Verständnis eines Flusses lässt sich gut auf Geschäftsprozesse übertragen. Die Quelle und die Mündung bestimmen die Reichweite des Flusses. Der beste Weg findet sich durch die Kraft des Wassers, die sich aus dem Gefälle ergibt. Gegen die Strömung zu fahren erfordert viel Energie, während das Treiben mit der Strömung wenig Aufwand braucht. Die ungeheuren Wassermengen, die meerwärts ohne Unterlass fließen, machen die Produktivität des Flusses aus. Aufgrund dieser Eigenschaften ist der Fluss, die ideale Metapher für den Geschäftsprozess.

Der Prozess – das unbekannte Wesen

In den Neunzigern des letzten Jahrtausends überrollte das Business Process Reengineering, kurz BPR, große Unternehmen. Konzerne haben im Zuge von Lean Management zuerst innerbetriebliche und schließlich überbetriebliche Abläufe verschlankt. Diese Welle hat sich im englischsprachigen Umfeld nach einem Hype in der zweiten Hälfte der Neunziger abgeschwächt (siehe Ngram: http://ow.ly/yJq6p). Im deutschsprachigen Raum ist das Interesse am Geschäftsprozess kontinuierlich gestiegen (siehe Ngram: http://ow.ly/yJr5n ). Alle sprechen regelmäßig von Prozessen, Workflows und kontinuierlicher Verbesserung der Abläufe ohne die definierten Merkmale, die den Ablauf zu einem Prozess machen . Der Prozess – das unbekannte Wesen.

Prozess

Die ablauforientierte Beschreibung von Funktionen bzw. Tätigkeiten, der sogenannte Prozess, besteht aus Einzelschritten. Diese wiederum sind Funktionen, die aus Teilschritten bestehen und so weiter, unabhängig von dem Format, das zur Darstellung verwendet wird *1. Die Dokumentation der Abläufe hilft bei der Planung, der Umsetzung, dem Monitoring und der Überarbeitung. Wenige machen sich klar, dass die Beschreibung des Ablaufs nicht die Wirklichkeit ist. Genau wie thematische Landkarten nur einen Blick auf geologische, politische oder wirtschaftliche Einzelheiten bieten, besteht der Prozess aus den wesentlichen Schritten. Zusätzlich hat ein Prozess die folgenden formalen Kriterien.

Ein Prozess …

  • … braucht einen definierten Anfang und ein definiertes Ende. Je unschärfer der Start- oder Endpunkt, desto schlechter die Qualität der Beschreibung.
  • … läuft OHNE Unterbrechung vom Anfang bis zum Ende. Sobald ein Ablauf unterbrochen wird, stoppt die Aktivität ungewollt auf unbestimmte Zeit. Es entstehen zwei Prozesse mit eigenem Anfang und Ende.
  • … ist wiederholbar. Der Zweck der Prozessentwicklung ist es, dass ein Ablauf für alle Beteiligten zuverlässig, immer wieder gleich funktioniert. Einmalige Abläufe werden zur Laufzeit abgestimmt, da der Aufwand vorab in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.
  • … läuft über die Grenzen verschiedener Zuständigkeitsbereiche hinweg. Innerhalb einer Zuständigkeit bringt die Beschreibung wenig, da die Mitarbeiter selbstständig agieren.
  • … hat definierte Regeln. Alle Beteiligten müssen stets wissen was, wie, von wem, mit welchen Ergebnissen, an wen geliefert werden, um den Zweck der Funktion erzielen zu können. Abweichungen gefährden die Ergebnisse.
  • … verfügt über einen Entscheider. Da ein Prozess über unabhängige Zuständigkeiten hinweg abläuft, ist es erforderlich, dass die Entscheidung für den Ablauf in einer Hand gebündelt ist, damit die Prozessziele nicht von anderen Bereichszielen unterminiert werden.

Sobald Sie das nächste Mal einen Geschäftsprozess betrachten, suchen Sie nach den genannten Eigenschaften. Fehlt eine, besteht Optimierungsbedarf.

*1 Die Frage der angemessenen Detaillierungsebene wird bei anderer Gelegenheit besprochen.