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Der Talisman – die ideale Metapher für eine Metapher

Bevor sich persönliche Talismane und Amulette entwickelten, wie der Nazar in der Türkei oder der Christophorus in der westlichen Welt, wurden viele Besonderheiten der physischen Wirklichkeit mit einem darüber hinausgehenden Hintersinn verbunden, der einen starken Einfluss auf die Befindlichkeiten der Menschen hatte. Auch wenn wir keine schriftlichen Belege aus der Urgeschichte haben, weisen mündliche Überlieferungen auf bedeutungsgeladene Landmarken in der Natur hin – der Uluru in Australien, die Nazca-Linien in Peru, oder die sagenhafte Irminsul in Deutschland. Mit der Zeit wurden Kultgegenstände geschaffen, die Gruppen stets mit sich führten, wie die Bundeslade der Israeliten, die Mikoshi in Japan oder die Heilige Lanze. Die Wirkungen dieser Kultobjekte sind bei jedem Nutzer anders. Das Gleiche gilt für Metaphern, die über die offenkundige Geschichte hinaus zusätzliche Bedeutungen in den Köpfen der Menschen erzeugen. Das macht den Talisman zu der idealen Metapher für die Metapher.

Der Glaube versetzt Berge. Auch Talismane haben diese Macht und vermitteln ihren Trägern Sinn und Inhalt, die weit über die offensichtliche Form des Artefakts hinausgehen – genau wie bei einer Metapher. Damit dies möglich wird, müssen Dinge oder Metaphern mit Bedeutung aufgeladen sein und die folgenden Bedingungen vorliegen.

  • Erwartung
    Amulette werden durch einen Ort oder eine Person mit Bedeutung verbunden. In der Folge erwarten die Nutzer eine bestimmte Wirkung – sei es z.B. Verkehrssicherheit oder Gesundheit oder Fruchtbarkeit oder Motivation. Vermittelt wird die Wirkung durch die Person, die das Artefakt oder die Geschichte weitergibt. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die Wirkung zerstörend oder fördernd sein kann – eine mit Nadeln versehene Voodoo-Puppe kann zum Tode führen; der Glaube an das Gelingen einer medizinischen Maßnahme lässt das Placebo genauso wirken wie das Medikament, das ersetzt wird.
  • Konditionierung
    Die Erwartungen entwickeln sich nicht aus dem Nichts. Es reicht oft auch nicht, dass man die Wirkung erklärt bekommt. Jedoch das immer wieder aktualisierte Bewusstsein der Folgen verankert den Glauben immer tiefer im Unterbewusstsein. Berühren wir dabei unseren Talisman und stellen die bewusste Verbindung zur gewünschten Wirkung her, verinnerlichen wir den Effekt noch tiefer – z.B. St. Christophorus vor dem Antritt der Fahrt ins Büro. Entsprechend wirkt eine Metapher, die immer wieder als Beispiel genutzt wird, wenn man bestimmte Zusammenhänge erläutert, wie die Geschichte mit der Axt.
  • Beispiele
    Besonders förderlich für das Vertrauen an einen bestimmten Ausgang sind Beispiele, in denen die Wirkung nachvollziehbar eingetreten ist. Die Schamanen, die es in allen Kulturen gibt, haben unzählige Male bewiesen, dass sie helfen können, wodurch sie immer besser werden. Der mobile Vertreter ist das Amulett, dass man von Schamanen ausgehändigt bekommt – oder zumindest zu ihnen zurückverfolgen kann. Der Bezug zur Realität geschieht bei der Metapher durch Geschichten mit alltäglichen Beispielen, die die Metapher aufladen.
  • Herkunft
    Jegliche Objekte können als Talisman fungieren – ein Stein, ein Stück Holz, ein Fläschchen mit Wasser, ein Artefakt, das von jemandem hergestellt oder jemand gehört hat. Marken transferieren emotionale Bedeutung auf Gegenstände – z.B. wenn der neuste Montblanc Füllfederhalter Le Petit Prince heißt. Es liegt im Auge des Nutzers, wie diese Bedeutung zur Wirkung kommt. Eine Metapher gewinnt, wenn sie von einem Vorbild entwickelt oder erzählt wurde – wie beispielsweise die These von Aristoteles „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.
  • Umfassende Beschreibung
    Je ausgefeilter und differenzierter die Beschreibung der Wirkungsweise eines Fetischs ist, desto glaubwürdiger wird es. Die Gemmologie erklärt einem beispielsweise die Wirkung von Edelsteinen – der Rubin, der die Leidenschaft fördert; der Turmalin, der vor negativer Energie schützt; das Tigerauge, das Mut gibt. Je besser eine Metapher erklärt wird, desto nachvollziehbarer wird sie – denken wir nur an die chinesische 成语 (chengyu) „塞翁失马 – Alter Mann verliert Pferd“.

Fazit: Durch die Erwartungshaltung, das immer wieder Verankern der Bedeutung, die praktischen Beispiele, die Herkunft und eine umfassende Beschreibung laden Amulette, Talismane und Metaphern mit wirksamer Bedeutung, die Erstaunliches mit seinen Anhängern macht. Dabei sollte immer bedacht werden, dass die Wirkung unbedingt förderlich sein sollte, da ansonsten Schaden angerichtet wird. Der Glaube an die Wirksamkeit ist der gemeinsame Nenner dieser Glücksbringer und der anregenden, bedeutungsvollen Geschichten. Das macht den Talisman zur idealen Metapher für eine Metapher.