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Wie viel für die Leitung eines Projektes bleibt

Das Bild, das wir uns von Projektleitern machen, wird durch unsere Vorstellungen bestimmt. Ein Projekt ist dabei ein zeitlich begrenztes Vorhaben unterschiedlicher Größe mit einem klaren Start und Ende sowie mit den erforderlichen Ressourcen – Personal, Budget, Infrastruktur. Leiter sind Persönlichkeiten, deren Rolle die Steuerung der Maßnahmen mit weitrechenden Befugnissen und Verantwortung für die Ergebnisse umfasst. Am Ende ist ein Projektleiter eigentlich ein Macher, Gründer, Arbeitgeber, Unternehmer oder eine Führungskraft. Dass diese Aufgabe häufig auf die Rolle eines Kontoristen oder eines Koordinators ohne Befugnisse beschränkt wird, erklärt die Tatsache, dass Projekte ihre Ziele oft nicht erreichen.

Der Unternehmensgründer startet normalerweise ein Geschäft zu einer Zeit. Die falschen Erwartungen an den Projektleiter führen zu fehlender Ermächtigung und zeigen sich an der Anzahl von gleichzeitigen Projekten, die geleitet werden sollen – ein einzelnes Projekt hat 100% Aufmerksamkeit (40 Stunden pro Woche); jedes von vier Projekten 25% (10 Stunden pro Woche); bei acht Projekten jeweils 13% (5 Stunden pro Woche). Je nach Modus Operandi (z. B. PMBoK, PRINCE, GPM oder sogar agile Ansätze) können sich die Aktivitäten unterscheiden. Allerdings muss in jedem Fall mit den Beteiligten gesprochen, das Team bei Bedarf geführt sowie tägliche und wöchentliche Berichte vorbereitet werden.

  • Erforderliche Kommunikation
    Hierzu zählen die Abarbeitung von Emails, Anrufen und Sitzungen. Im Schnitt müssen wir uns mit 21 bis 50 E-Mails pro Tag beschäftigen sowie 11 bis 50 Telefonate führen. Darüber hinaus sind Sitzungen mit den Projektteams, den Führungskräften und Externen nötig, die jeweils zwischen 15 bis 60 Minuten oder sogar mehr Zeit beanspruchen. Mit mehreren Vorhaben bleibt dem Projektleiter für den Austausch manchmal nur eine Stunde pro Woche.
  • Angemessene Führung
    Die Führung beinhaltet persönliche Abstimmungen mit Mitarbeitern und Managern (z. B. Feedback, Zielvereinbarung, Entwicklung), die Bewältigung von Streitigkeiten und Krisen sowie zur Motivation und Unterstützung. Auf das Jahr gesehen macht das schnell 20% der Arbeitszeit aus – d. h. über viele Vorhaben hinweg ein Tag pro Woche. Von diesen acht Stunden pro Woche bleibt manchmal nur eine Stunde für die Führung pro Initiative.
  • Vorgeschriebene Berichte
    Nachvollziehbarkeit ist der wesentliche Zweck der Berichte. Viele Adressaten gehen davon aus, dass Aktualität, Richtigkeit, Konsistenz und Aussagekraft von alleine auf Knopfdruck entstehen. Allerdings muss der Projektleiter durch Stichproben sicherstellen, dass die von den Mitarbeitern gelieferten Daten und Zahlen zeitnah und richtig verfügbar sind und zueinanderpassen. Das tägliche Controlling ist dabei die Voraussetzung für stets aktuelle Daten, die regelmäßig zu übergreifenden Berichten verdichtet werden.
  • Übergreifende Aufgaben
    Die Zusammenfassung der täglichen Daten zu den wöchentlichen, monatlichen und quartalsweisen Meilenstein- und Abschlussberichten bezüglich des Projektfortschritts, der eingesetzten Mitarbeiter, der finanziellen Verbräuche sowie Handlungs- und Entscheidungsbedarfen erzeugt für verschiedene Stakeholder einen aktuellen Überblick. Zusätzlich finden wöchentlich bestimmte Aufgaben statt, wie z. B. Wochenstart und -abschluss inklusive Lessons learned und Plananpassungen. Die Anzahl der Berichte kann sich von einem Vorhaben zum anderen unterscheiden. Mit mehreren Projekten bleibt dem Projektleiter vielleicht nur eine Stunde pro Woche für die Erstellung von schlüssigen Berichten im jeweiligen Vorhaben.
  • Verbleibende Zeit
    Der Rest steht für sonstige spontane Aufgaben zur Verfügung – inhaltliche, beziehungstechnische und persönliche Tätigkeiten. Mit mehreren Vorhaben bleibt dem Projektleiter vielleicht nur eine Stunde pro Woche für unerwartete Aufgaben.

Fazit: Dass diese Arbeitslast mit Überstunden nicht kompensiert werden kann, sollte klar sein. Projekte sind die Form für heutige Aufgaben. Nimmt man die Ziele ernst und möchte man die angestrebten Ergebnisse wirklich erreichen, dann sollten die Auftraggeber unter allen Umständen der Projektleitung die Chance bieten, sich einem Vorhaben zu widmen oder zu akzeptieren, dass das Projekt mit einer zwei Drittel Wahrscheinlichkeit scheitert. Ansonsten gilt: Projektleitern mit fünf parallelen Projekten bleiben acht Stunden pro Projekt und Woche.

Irgendwas machen wir wohl falsch

Die Geschichte zeigt sich bis heute in diesen dauerhaften Monumenten, die alle kennen. Dazu gehören riesige Steinbauwerke, wie Stonehenge, die ägyptischen Pyramiden oder die Chinesische Mauer, aber auch die Entdeckungen der Welt durch Zheng He, Christoph Kolumbus bis hin zur Landung auf dem Mond. Alle diese Großprojekte erfolgten ohne das, was wir heute Projektmanagement nennen. Unsere heutigen Großprojekte scheitern immer öfter. Irgendwas machen wir wohl falsch.

bigprojects

Die Beteiligten dieser Aktivitäten haben bei der Durchführung nicht ihren Schwung verloren, bis die Monumente fertig waren – über Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg.

  • Die Erschaffung der Welt
    Das allererste Großprojekt überhaupt wurde innerhalb von sieben Tagen durchgeführt. Alles begann mit der Festlegung des zeitlichen Rahmens. Im zweiten Schritt wurde der räumliche Rahmen festgelegt. Nachdem die Funktionsbereiche am dritten Tage aufgebaut und grundsätzlich ausgestattet waren, wurden am vierten Tag die wichtigen Energiequellen installiert. Die Ressourcen wurden am fünften Tag aufgeteilt. Am sechsten Tag wurde das Management aufgebaut und der Projektleiter hat sein Projekt durchgesehen und für gut befunden. Im letzten Schritt hat sich der Projektleiter ausgeruht und sein Projekt abgeschlossen.
  • Stonehenge
    Die „hängenden Steine“ in der Nähe von Amesbury, in Wiltshire, England, ist vielleicht eines der ältesten Projekte. Das Projekt wurde 8000 v.Chr. gestartet. Die drei Hauptphasen begannen 3100 v.Chr. mit einem kreisrunden Erdwall. Für die zweite Phase im frühen 3. Jahrtausend v. Chr. gibt es keine Belege. Die dritte Phase erstreckte sich von 2600 v.Chr. bis 1600 v.Chr. und führte zu den bekannten Steinstrukturen. Bis heute wird spekuliert, wie dieses Monument mit menschlicher Kraft erbaut werden konnte. Über die Projektleiter und die Projektteams wissen wir nichts.
  • Chinesische Mauer
    Eines der größten Projektergebnisse ist die über 21.000 km lange chinesische Mauer. Das Gesamtprojekt hat sich vom 7. Jahrhundert v. Chr. bis in 17. Jahrhundert n.Chr. erstreckt. Die Koordination der Hunderttausenden ist dabei vermutlich nicht unstrukturiert erfolgt. Der Projektplan, die Projektverantwortlichen und -mitarbeiter sind jedoch nicht überliefert.
  • Panamakanal
    Der Panamakanal mit seinen 82 km verkürzt die Fahrt von New York nach San Francisco auf ein Drittel – von 18.000 auf 6.000 Seemeilen. Aufbauend auf Anstrengungen der Franzosen (zwischen 1881 und 1889) beendeten die US-Amerikaner zwischen 1906 und 1914 für 386 Millionen US-Dollar die Abkürzung vom Atlantik in den Pazifik. In den sechs Jahren am Ende des Projekts arbeiteten zwischen dreißig- und vierzigtausend in Panama. In der Zeit starben 5.609 Arbeiter. Wie die gigantischen Erdbewegungen gesteuert wurden, ist nicht bekannt.
  • Apollo-Programm
    Das Apollo-Programm hatte zum Ziel einen Amerikaner vor den Russen auf den Mond und wieder heil zurückzubringen. George E. Mueller war dabei der Leiter des Office of Manned Space Flight und war mitverantwortlich für das Programm. Zu den ursprünglich geplanten sieben Missionen wurden drei weitere hinzugefügt. Das Programm beschäftigte in den zehn Jahren seiner Laufzeit 400.000 Menschen und kostete damals fast 30 Milliarden US-Dollar. Details des Projektmanagement liegen nicht vor.

Fazit: Es gab schon immer Großprojekte, die die Planung und Koordination der Arbeit von vielen Menschen erforderten. Die Ergebnisse waren so stabil, dass wir sie heute noch bewundern können. Und das, obwohl sie ohne das heute verbreitete Projektmanagement durchgeführt wurden. Trotz wohldurchdachter PM-Strukturen scheitern heute viele Projekte. Irgendwas machen wir wohl falsch.