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Der Knopf – die ideale Metapher für eine Schnittstelle

Eine der größten Entdeckungen der Menschheit, neben dem Faustkeil und dem Feuer, war die Nadel. Einzelne Pelzstücke zu passender Kleidung zu vernähen, schützte nicht nur gegen die Kälte, sondern machte auch den persönlichen Unterschied im Rang sichtbar. Diese stabile Nahtstelle hielt getrennte Stoffkanten dauerhaft zusammen – was nicht immer gewünscht war. Aus diesem Grund wurde die Naht flexibler, indem man die Teile temporär verschnürte. Heute gibt es unterschiedliche Verbindungen: Haken, die man mit einer Öse verbindet und Druckknöpfe sowie die am verbreitetsten, die Lochknöpfe, flache Scheiben, die man durch entsprechende Löcher steckt. Nicht nur Kleidung erfordert flexible Verbindungsstellen, sondern auch Beziehungen zwischen Systemen aller Art – Menschen, Artefakten und Software.

Alle Verbindungen bauen auf ähnlichen Bausteinen auf, wie das Verknöpfen.

  • Festgelegte Verbindungsstelle
    Möchte man zwei offene Enden oder Teile von Geweben oder Häuten miteinander verbinden, so kann man sie verkleben, verschweißen, vernähen, zusammenheften, verflechten, verknoten, verknüpfen, verschnüren, verstöpseln, verhaken, reißverschließen, zusammenstecken, verwickeln oder, für unser Beispiel, verknöpfen. Der Knopf ist dabei ein zuverlässiger Ansatz, der sich leicht umsetzen lässt. In der Wirtschaft werden Abläufe und IT-Schnittstellen durch festgelegte Übergabepunkte, Abstimmungsrituale sowie Verträge verwirklicht, die sich jederzeit abschließen und kündigen lassen. Das geht, wenn es abgestimmte Übergabepunkte gibt – Orte oder Anschlüsse.
  • Abgestimmte Regeln
    Schnittstellen funktionieren nur, wenn die einzelnen Bausteine, der Knopf und das Loch, zueinanderpassen. Der zu große Knopf, der nicht zum Knopfloch passt, kann keine Verbindung herstellen. Das zu große Knopfloch wird den Knopf nicht zuverlässig halten. Im Geschäft sind die Schnittstellen noch empfindlicher. Die Abstimmung ist die Voraussetzung, damit eine Schnittstelle in der IT oder in den Abläufen ihren Zweck erfüllt. Das geht, wenn an der Schnittstelle gemeinsame Regeln herrschen – ein bestimmtes IT-Protokoll oder eine gemeinsame Sprache.
  • Gemeinsames Ziel
    Allen Verbindungen ist die Tatsache gemeinsam, dass sich zwei oder mehrere Teile zu einer Einheit zusammenschließen, um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Die Kleidung soll einen schützen, die Ladestation soll das Elektromobil aufladen, ein Joint Venture möchte gemeinsam einen Markt erobern oder zwei Parteien wollen zusammen regieren. Die so verbundenen Einheiten teilen dadurch ein gemeinsames Schicksal mit Rechten und Pflichten, die nur solange gelten, wie sie verbunden sind. Das geht, wenn jeder seinen Zweck erfüllt – in einer Wirtschaftsgemeinschaft oder in einer Partnerschaft.
  • Absehbarer Zeitraum
    Trotz der natürlich innewohnenden Vergänglichkeit von Beziehungen, können Teile fester oder lockerer miteinander verbunden sein. Sofern die Teile für einen längeren Zeitraum aneinandergefügt bleiben sollen, sind langlebige Lösungen zu empfehlen, wie kleben, schweißen, verknüpfen und vernähen. Ist nur ein temporärer Zusammenhalt angestrebt, sind alle Arten von flexiblen Verbindungen die richtige Wahl, wie Haken, Reißverschlüsse und Knöpfe. Die Schnittstellen im Geschäft sind immer mit Aufwand verbunden, der sich auszahlen muss. Angestrebt endgültige Zusammenschlüsse beseitigen von Anfang an solche Nahtstellen, indem sie sich neu aufstellen, redundante Umfänge auflösen und in der Folge die Vereinigung nur noch mit vielen Nachteilen rückgängig machen können. Temporäre Bündnisse bauen auf formfreie Vereinbarungen auf, die die vorübergehende Arbeitsgrundlage darstellen. Das geht, wenn die Gruppen sich die Dauer der Beziehung im Vorhinein bewusst machen – ein Merger kann immer rücküberführt werden oder eine zeitweilige Beziehung kann sehr lange bestehen.

Fazit: Es gibt immer mehr Gelegenheiten, zu denen einzelne Gruppen miteinander verbunden werden sollen. Während früher das Zusammenspiel auf lange Zeit angelegt war, muss man heute mit immer mehr kurzlebigen Zusammenschlüssen umgehen. Der aktuelle Trend hin zu Plattformen ist ein gutes Beispiel der Dynamik in den Beziehungen – globale Netzwerke, Teilen von Wissen mit Wettbewerbern, temporäre Mitgliedschaften. Gleichzeitig können sich diese jederzeit auflösen und bedarfsorientiert wieder zusammenschließen. Die dafür notwendigen Mechanismen müssen einerseits zuverlässig arbeiten und sich andererseits jederzeit wieder lösen lassen. Ein gutes Beispiel für eine solche Verbindungsstelle ist der Knopf, der sicher verbindet und sich jederzeit wieder lösen lässt. Das macht den Knopf zur idealen Metapher für eine Schnittstelle.

 

Agilität verträgt keinen Bonsaistil

Bonsai ist die Kunst das Wachstum von Bäumen so zu beeinflussen, dass die Bäume zwar durch künstlerische Gestaltung eine schöne Wuchsform haben, aber durch regelmäßige Schnitte in Töpfen klein gehalten werden. Das Ergebnis ist eine Vielzahl von einzigartigen, scheinbar wilden Bäumen. In der Natur würden diese Bäume in den Himmel wachsen. In Unternehmen hat sich ein ähnlicher Ansatz entwickelt. Bonsaistil ist die Kunst Mitarbeiter klein zu halten. Dieses Mikromanagement wirkt auf die Aktivitäten der Mitarbeiter, wie die Schere auf das Wachstum des Baumes. Agilität, die von der Proaktivität, Initiative und Flexibilität der Mitarbeiter lebt, verträgt jedoch keinen Bonsaistil.

Was macht den Bonsaistil aus, der Agilität unterminiert?

  • Mehr Kritik als Lob
    Vertreter des Bonsaistils haben die Tendenz jedes noch so kleine Engagement von Mitarbeitern im Keim zu ersticken, indem sie unentwegt herumkritteln. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Beanstandungen berechtigt sind oder nicht. Verstärkt wird das Ganze durch das Fehlen von Lob. In einer agilen Welt könnten sich solche Leiter nicht behaupten, da niemand sich ihnen anschließen würde.
  • Mit Formalien Ergebnisse entwerten
    Der agile Mitarbeiter ist ein Getriebener seiner eigenen Ansprüche. Die Aufmerksamkeit beschränkt sich auf die Lösung der Aufgabe. Dies führt dazu, dass Aspekte, die nicht so viel mit der Lösung zu tun haben, als Nebensächlichkeiten ausgeblendet werden. Sitzt die Krawatte? Wurden offizielle Formulare genutzt? Stimmt der Font? Das Ergebnis besteht aus achtzigprozentiger Problemlösung. Die schlechte Beurteilung der Äußerlichkeiten geht völlig am Ziel vorbei und tritt das zarte Pflänzchen des Engagements der Mitarbeiter mit Füßen.
  • Konsequent den Vorgesetzten-Joker ziehen
    Nach vielen Jahren der Entwicklung von lernender Organisation, Mitarbeiterbeteiligung und Teambuilding, haben sich die Machtverhältnisse, mit ihren Vorgaben, Beurteilungen und Entscheidungen von oben, erhalten. Jetzt erhoffen sich jene, die an ihre Grenzen gekommen sind, eine Entbürokratisierung und die Nutzung der dem Mitarbeiter innewohnenden Energie, etwas gestalten zu wollen. Meldet sich jedoch keiner freiwillig, so werden die Freiwilligen bestimmt. Liefert keiner, was die Oberen erwarten, müssen die Mitarbeiter mikrogemanagt IHR Ergebnis anpassen. Zur Absicherung des Geschäfts werden neben den agilen Strukturen die hierarchischen beibehalten.
  • Verunglimpfen im Plenum
    Ein sehr effektives Vorgehen, um die Mitarbeiter klein zu halten, sind verletzende Kommentare in der Öffentlichkeit. Abwertende Anmerkungen zu dem persönlichen Arbeitsstil, zu kleinen Fehlern in der Argumentation oder zu der Aufbereitung der Ergebnisse stellen sicher, dass die Mitarbeiter das Gesicht verlieren. Das vorauseilende Engagement des agilen Mitarbeiters ist dann nicht mehr wahrscheinlich.
  • Mikromanagement
    Die stets nicht verfügbaren, aber 24/7 detailversessenen Mikromanager sind eigentlich ihre besten agilen Mitarbeiter. Ihr Engagement ist immer auf Maximum. Sie kümmern sich um alles und sind entscheidungsfreudig. Leider fehlt ihnen die Zeit zu überlegen, da es unentwegt Aufgaben gibt, um die sie sich offensichtlich kümmern müssen. Da Alles ihre Aufmerksamkeit erregt, schaffen sie es nicht mehr, sich einzuarbeiten und tragen damit nichts zur Sache bei. Ihrer eigentlichen Funktion kommen sie verständlicherweise auch nicht nach. Mikromanagement ist eine der größten Hürden auf dem Weg zur Agilität.
  • Fehlende Deckung
    Die Einstellung, jederzeit jede Feinheit nach eigenem Gutdünken zu korrigieren, führt dazu, dass die Mitarbeiter im Krisenfall schnell ohne Deckung, dem Problem alleine ausgesetzt sind. Um agil agieren zu können, brauchen sie aber das Vertrauen von oben, dass ihre Aktionen stets im Interesse des großen Ganzen stattfinden. Wo viel passiert, da passieren auch viele Fehler. Fehlertoleranz ist ein Ansatz, um eine gute Deckung zu erzeugen. Eine verbleibende Aufgabe der Leiter im Rahmen von Agilität ist die grenzenlose Unterstützung und Abschirmung der Mitarbeiter bei der selbstorganisierten Abarbeitung der Themen.
  • Regel eins und zwei
    Neben dem Mikromanagement sind die größten Agilitätskiller die Regeln der Macht. Regel 1: Der Chef hat immer recht. Regel 2: Hat er mal nicht recht, so gilt automatisch Regel 1. Damit hat die aufkeimende Initiative keine Chance, sich langfristig zu beweisen und eine wirksame Lösung zu entwickeln.

Neben dem Mikromanagement sind die größten Agilitätskiller die Regeln der Macht. Regel 1: Der Chef hat immer recht. Regel 2: Hat er mal nicht recht, so gilt automatisch Regel 1. Damit hat die aufkeimende Initiative keine Chance, sich langfristig zu beweisen und eine wirksame Lösung zu entwickeln.

Fazit: Solange die alten Ansätze zur Gestaltung von Unternehmen beibehalten werden, wie die hierarchische Struktur, die Kommandokette oder der Vorgesetzten-Joker, werden auch die damit verbundenen Nachteile erhalten bleiben. Die großzügige Ermächtigung der Mitarbeiter mit ausreichend Ressourcen, Befugnissen und Unterstützung ist entscheidend für das Ausschöpfen der Vorteile von agilen Ansätzen. Bonsaistil verhindert dabei die gewünschten Effekte, da eine im Keim beschnittene Mitarbeiterinitiative keine Blüten tragen kann.