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Das Brandzeichen – die ideale Metapher für kulturelle Prägung

Der gesunde Menschenverstand wird beeinflusst, wenn man täglich die fiktionalen Bilder der Medien zu sich nimmt, die vom Gehirn, wie alle anderen Erlebnisse, als Erinnerung verinnerlicht werden – die Selbstheilungskräfte der Gerechtigkeit, die Vorbilder, denen alles gelingt und das vorgeschriebene Happy End aus Hollywood. Gleichzeitig wird man geprägt von den praktischen Handlungen und Verhalten, die um einen herum stattfinden. All das brennt sich dauerhaft ein. Am Ende wird man es nicht mehr los. Das macht das Brandzeichen zu einer idealen Metapher für kulturelle Prägung.

Der kulturelle Stempel wird sichtbar in den Dingen des Alltags: dem Kontext, den Handlungen, der typischen Fähigkeiten, den geteilten Überzeugungen, den etablierten Rollen und der gefühlten Zugehörigkeit.

  • Zugehörigkeit
    Das Gefühl der Zugehörigkeit ist das am nachhaltigsten wirkenden Muster, das einen in einer bestimmten Kultur verankert. In der eigenen Mannschaft identifiziert man sich mit dem gleichen Trikot und den geteilten Einstellungen. Damit werden alle anderen, die nicht dazugehören, ausgegrenzt – vor allem jene, die ihre eigene Identität besonders hervorheben. Die Verbundenheit mit der eigenen Gruppe schafft Sicherheit und wird beispielsweise durch ein gemeinsames Symbol oder gemeinsame Rituale gepflegt. Diese ursprünglichste Prägung ist am schwierigsten zu verändern – wenn überhaupt.
  • Rollen
    Eigentlich finden sich in allen Kulturen ähnliche Rollen – familiäre, religiöse, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder technische Rollen. Ängstliche Kleingeister übersehen diese Gemeinsamkeiten und schütten immer wieder Öl ins Feuer der Unterschiede. Dabei bieten Rollen eine gute Basis, um die verschiedenen kulturellen Prägungen besser zu verstehen. Wie unterscheidet sich der Imam vom Priester oder vom Rabbi? Wie unterscheidet sich die kleine Schwester (小妹妹) von der arabischen Schwester (شقيقة) und der Schwester in Mexico? Die Rollen bieten einen guten Aufsatzpunkt für Veränderungen.
  • Überzeugungen
    Die Überzeugungen sind die mentalen Leitgedanken für alle. Sie beinhalten Werte, Mission, Vision, Stärken/Schwächen/Chancen/Risiken, Ziele und alles, was sonst noch die Meinungsbildung oder Entscheidungsfindung beeinflusst. Wir teilen jedoch nie alle Überzeugungen mit anderen Personen. Die individuellen Eigenschaften führen zu immer neuen, einzigartigen Charaktereigenschaften. Es reicht nicht aus, sich auf die Stereotypen der Rollen zu beschränken. Die tatsächliche Vielfalt schafft eine große Anzahl an Optionen, von denen allerdings nur eine kleine Anzahl Wirklichkeit werden. Aus diesem Grund muss man aufmerksam beobachten und einfallsreiche Lösungen suchen. Veränderungen werden möglich, wenn die Überzeugungen ins Wanken geraten und sich neue gedankliche Schlussfolgerungen auftun.
  • Fähigkeiten
    Auch wenn sich nicht alle Fähigkeiten (i.e. Fertigkeiten, Wissen, Erfahrung) aus einer formalen Ausbildung ergeben, sind diese Talente in jedem Fall die Grundlage für die angestrebten Ergebnisse. Die Fertigkeiten umfassen die elementaren senso-motorischen (z.B. Bewegungen), kognitiven (z.B. Rechnen, Lesen), kognitiv-motorischen (z.B. Schreiben, Musizieren), sozialen (z.B. Umgang mit Anderen) sowie perzeptiven Fertigkeiten (z.B. Mustererkennung, kinästhetische Unterschiede). Das Wissen besteht aus vielfältigem Fach- und Allgemeinwissen, den Erfahrungen und den Erkenntnissen, die im Laufe der Praxis erworben werden. Der Schlüssel zu neuen Fähigkeiten ist beharrliches Lernen. Veränderung lässt sich relativ einfach mit entsprechenden Schulungen vorbereiten.
  • Handlungen
    Zum besseren Verständnis der kulturellen Prägung werden die Handlungen betrachtet. Dies kann durch direkte oder versteckte Beobachtung erfolgen. Die durchgeführten Handlungen lassen sich anhand der Tätigkeiten (z.B. Planung, Gesprächen, Herstellung oder Reporting), dem sprachlichen Ausdruck (z.B. der Äußerung von Glauben, Wünschen, Absichten, Zuständen), der Wortwahl (z.B. Schlüssel-, Stigma-, Kunstwörter und Synonyme) sowie dem Stil (z.B. Gestik, Mimik, Körperhaltung, Lautstärke, Tonfall) auslegen. Durch geschickte Aufgabenverteilung und ein bewusstes Corporate Wording sowie einen speziellen Verhaltenskodex können Änderungen leichter eingeführt werden.
  • Kontext
    Der Kontext beschreibt das Umfeld, in dem agiert wird. Dazu gehören die Personen (z.B. Fachleute, Charakterköpfe) die Orte (z.B. Städte, Baustile und Infrastruktur) und die Dinge (z.B. Fahrzeuge, IT, Gadgets). Inwieweit Handlungen, Fähigkeiten und Werte angemessen sind, kann über den Kontext ermittelt werden. Manchmal muss man ihn anpassen, damit die gewünschten Veränderungen zum Tragen kommen.

Fazit: Die kulturelle Prägung hat einen großen Einfluss auf die Aktivitäten, die durchgeführt werden. Rollen bündeln dabei die Individuen in eine überschaubare Anzahl von Gruppierungen, die sich miteinander verbunden fühlen. Die Überzeugungen beinhalten vor allem die Werte, die in der Rolle wirken. Die Fähigkeiten sind die Voraussetzung für die Handlungen, die in einem bestimmten Kontext stattfinden. Die Verantwortlichen für Veränderungen müssen alle diese Aspekte berücksichtigen, um tatsächlich etwas zu ändern. So wie ein Brandzeichen nur mit viel Aufwand entfernt werden kann, löst man sich von seiner ursprünglichen Prägung nur schwer. Das macht das Brandzeichen zur idealen Metapher für kulturelle Prägung.

Theoretisch machbar reicht nicht

Immer mehr Aufgaben werden in übergreifenden Projekten realisiert. Die wichtigsten Unterschiede zu Aufgaben, die in der Linie durchgeführt werden, sind

  • die stark wechselnden Themen,
  • die unterschiedliche Zusammensetzung der Arbeitsgruppen,
  • die verschiedenen Zeiträume, und
  • vor allem die zeitlich beschränkte Abstellung für ein Projekt.

Durch die agilen Vorgehensweisen werden die Arbeitspakete kompakter und die erforderliche Arbeitszeit kürzer. Am Ende müssen Projektleiter und -mitarbeiter viele Aufgaben in mehr oder weniger der gleichen Zeit bearbeiten und kontrollieren. Das theoretisch Machbare reicht jedoch nicht aus, um zu einer realistischen Auslastung zu kommen.

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In den Zeiten als Dinge hergestellt wurden, die man in die Hand nehmen, wiegen und messen konnte, waren Wirkungen und die erforderlichen Aufwände eng miteinander verknüpft. Tätigkeiten im Projekt, die Informationen hervorbringen und verarbeiten, lassen sich nicht in der gleichen Weise abschätzen. In der Folge werden mehr und mehr verschiedenartige Aufgaben ein und derselben Person zugeordnet. Auf welcher Grundlage lassen sich die Aufgaben besser verteilen?

  • Rolle
    Die benötigte Rolle wird durch die Aufgaben, die Kompetenz und die Verantwortung beschrieben. Projektleiter haben die Aufgabe eine Initiative zu leiten, benötigen dafür ausreichend Entscheidungskompetenz und sind verantwortlich für einen gelungenen Abschluss. Teammitglieder erhalten Aufgaben entsprechend ihrer Fähigkeiten, etwas zu erzeugen, mit der entsprechenden Autorisierung und der Verantwortung, die über die korrekte Ablieferung von Ergebnissen, hinausgeht. Häufig werden weder die einzelnen Rollen geklärt, noch die Mitarbeiter ausreichend charakterisiert. Dies kann schnell zu einer Überforderung des Teams führen.
  • Fachkenntnis
    Am wahrscheinlichsten ist es, dass die Kenntnisse berücksichtigt werden. Inwieweit der Projektleiter neben seiner Beherrschung von Projektmanagement (PM) auch noch fachliche Kenntnisse haben sollte, kann man bei der jeweiligen Besetzung entscheiden. Fehlen bei ihm die PM-Kenntnisse scheitert unter Umständen das Projekt an fehlenden Zielen, Plänen oder der schlechten Steuerung, aber weniger an seinem fehlenden Fach-Know-how. Nicht vorhandenes Fachwissen der Mitarbeiter hat dagegen beträchtliche Auswirkungen. Schlechte PM-Kenntnisse werden dann ersetzt durch die gute Führung des Projektleiters.
  • Verfügbarkeit
    Oft reicht es, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort einfach verfügbar zu sein. Leider sind dies nicht immer die wirklich benötigten Know-how-Träger, sondern neue oder weniger kompetente Mitarbeiter. Da Beginn und Abschluss über Projektgrenzen hinweg nur schwer in Einklang gebracht werden können, kommt es zwangsweise zu Leerlaufzeiten oder zu einer Überlastung der Teams, während das eine Projekt kein Ende findet und das neue Projekt viel zu schnell Aufwände generiert.

Erstaunlicherweise wird die Auslastung des einzelnen Mitarbeiters wenig oder gar nicht betrachtet. In Ermangelung einer Planung der Ressourcen über Projektgrenzen hinweg wird die tatsächliche, zeitliche Belastung nicht sichtbar. Gleichzeitig kennen die Wenigsten die machbare Anzahl an parallelen Aktivitäten. Wie viele Projekte können verantwortlich in einer Hand liegen? Wie viele Aufgaben lassen sich gleichzeitig realisieren? Die theoretisch machbare Anzahl muss natürlich im Einzelfall betrachtet werden. Aber grundsätzlich setzen der Zeitrahmen und die Rüstzeiten natürliche Grenzen, die nichts mit der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu tun haben.

  • Zeitrahmen
    Die Zeitrahmen der einzelnen Projektpläne und der erforderliche Aufwand werden üblicherweise, noch nicht einmal im Multi-PM projektübergreifend berücksichtigt. Braucht ein Mitarbeiter fünf Arbeitstage pro Projekt für seine Aufgaben, kann er/sie sich an nicht mehr als vier Projekte in einem Monat beteiligen.
  • Rüstzeiten
    Die Rüstzeiten zwischen verschiedenen Projekten belasten das vorhandene Zeitbudget zusätzlich. Es müssen die dazugehörigen Dateien gesucht, der aktuelle Stand geprüft und die nächsten Schritte geplant werden. Desto häufiger man von einem Projekt zum anderen springt, desto weniger Zeit steht für die eigentliche Arbeit zur Verfügung.
    Nehmen wir an, dass die oben erwähnten Projekte (vier Projekte mit jeweils 5 Arbeitstagen) nur einmal, von einem Tag zum anderen, wechseln, dann versteckt sich die jeweilige Rüstzeit in den 5 Tagen.
    Wechseln wir jedoch halbtäglich mit einer Rüstzeit von einer halben Stunde, so belastet der Wechsel die Arbeit schon mit fünf Stunden.
    Müssen wir täglich alle zwei Stunden aus dem einen Projekt aus- und in das andere einsteigen (5 Minuten für das Ablegen der Ergebnisse und 10 Minuten für das erneute Aufsetzen) erhöht sich die Belastung bereits auf 10 Stunden.
    Wenn dann noch Standortwechsel (in ein anderes Werk oder in ein anderes Gebäude) hinzukommen, kann der Wechsel schnell eine Stunde oder mehr kosten. Dabei können an einem Tag bereits Rüstzeiten entstehen von zwei Stunden, d.h. pro Monat von vierzig Stunden. Dies entspricht fünf Personentagen, die der echten Arbeit fehlen.

Fazit: Praktisch machbar werden Schätzungen, wenn man die Grundlage der Berechnung realistisch auswählt. Ohne die saubere Vorbereitung eines Projekts wird eine zuverlässige Planung nur schwer möglich. Dazu müssen, neben der eigentlichen Planung, die Beschreibungen der Rollen, die erforderlichen Fachkenntnisse und die Verfügbarkeit sowie die Auslastung der jeweiligen Mitarbeiter ermittelt werden. Ignoriert man den Zeitrahmen und die Rüstzeiten, führt dies unweigerlich zur Überlastung und wahrscheinlich zum Scheitern des Projekts.