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Schreiben, um des Schreibens willen

Nach vier Jahren regelmäßigen Schreibens ist dieser Beitrag der Zweihundertste in Deutsch. Zu diesem Anlass denke ich verbal über das Schreiben nach. Der Schwung ist bisher nicht abgeebbt. Die Inhalte liefern eigentlich keine revolutionär neuen Aspekte zu den Themen Kommunikation, Management, Changemanagement, Bedeutungs­gestaltung, Governance, Strategie (die Reihenfolge entspricht der Häufigkeit der Artikel). Und trotzdem bieten sie neue Sichtweisen. Manche Themen entwickeln sich zu einer Serie, wie z.B. die ideale Metapher. Andere folgen tagesaktuellen Schlagzeilen. Ich sinne dieses Mal darüber, aus welchen Gründen der Schwung nicht aufhört.

Schreiben nutzt die gleichen Worte wie das Sprechen. Trotzdem ist das Schreiben eine bewusstere Auseinandersetzung mit dem Thema. Durch tonales Ausatmen bilden sich Worte, die, wenn sie ein Ohr nicht erreichen, ungehört verpuffen. Geschriebenes bleibt. Warum aber schreiben, wenn das beschriebene Rad bereits rund ist?

  • Aus einem Mitteilungsbedürfnis
    Der Mensch spricht seit ca. 100.000 Jahren und heutzutage durchschnittlich 16.000 Worte täglich. Dass der Austausch von Worten eine wichtige Voraussetzung für das gesellschaftliche Miteinander darstellt, erkennt man an der kulturellen Prägung einzelner Regionen der Welt sowie an deren Verschiedenheit. Wichtige Bedeutungsträger waren und sind Religionen. Dies erkennt man an dem westlichen Ansatz die Welt in Gut und Böse, Richtig und Falsch einzuteilen oder an der Ausgeglichenheit des Yin und Yang im Osten. Getrieben wurden die Entwicklungen von dem natürlichen Bedürfnis sich mitzuteilen – zuerst mündlich, seit 5.000 Jahren handschriftlich und seit Jahrhunderten gedruckt. Geschriebenes bleibt länger erhalten, auch wenn sich der Schriftträger hier mit der Zeit auflöst – Papier sehr schnell, Pergament langsamer und Stein scheinbar gar nicht. Lassen wir uns überraschen, wie lange das Internet die Beiträge bereitstellt..
  • Sachverhalte beschreiben
    Die Inhalte, die transportiert werden, reichen von wirtschaftlicher Buchhaltung, über sakrale und politische Texte bis hin zu heutiger Literatur. Bei aller Vielfalt der Worte bleiben bestimmte Bereiche dem Schreiben verwehrt. Gefühle und abstrakte Gedanken lassen sich nur umschreiben, ohne das Eigentliche ausdrücken zu können. So wie Wittgenstein es auf den Punkt gebracht hat: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“. Gerade diese Bereiche sind es, die nach einer weiteren Ausformulierung schreien. Abstrakte Themen haben kein greifbares Dasein und existieren deshalb nur im Bewusstsein der Einzelnen. Was sie daraus machen, lässt sich nicht ermitteln, da die inneren Gedanken für Andere nicht erreichbar sind. Das ist ein Grund, warum bestimmte Sachverhalte immer wieder beschrieben und so zu einer druckbaren Version werden, über die man trefflich wiederholt sprechen kann.
  • Passende Worte finden
    Schreiben hat den Vorteil, dass ein Gedankengang, der in Worte gefasst vorliegt, verbessert werden kann. Theoretisch ist der richtige Moment für die Korrektur dann gekommen, wenn es etwas Druckbares gibt. Dabei bremst die sofortige Umformulierung eines Satzes den Schreibfluss, weil man in eine unendliche Schleife der Berichtigung geraten kann. Es ist fruchtbarer einen längeren Text hintereinander zu erfassen, für eine bestimmte Zeit liegen zu lassen, um ihn danach zu überarbeiten. Es fallen einem dann Teile auf, die nicht zu dem eigentlichen Thema passen. Worte fallen einem auf, die fehl am Platz sind, zu abstrakt oder die sich zu häufig wiederholen. Gleichzeitig liegt der Reiz auch in der Bildung von Worten, die in einem normalen Wörterbuch nicht zu finden sind. Oberstes Ziel ist es, wenige und gleichzeitig einfache Worte so anzuordnen, dass sie der gewünschten Absicht am nächsten kommen. Als Folge sind nebeneinander mehrere Texte in Vorbereitung. Sobald der richtige Gehalt erreicht ist, werden sie abgeschlossen.
  • Passende Bilder finden
    Dies gilt in einem doppelten Sinn. Einerseits sollen die Inhalte mithilfe von übertragenen Verbildlichungen illustriert werden. Die Suche nach einer sinnvollen Gliederung des Themas, nach Analogien und Metaphern ist ein wichtiges Element des Schreibens. Andererseits besteht jeder Blogbeitrag aus einer gescrippelten Strichzeichnung. Da Worte nur einen Teil der Absicht ausdrücken können, ist das Bild eine weitere Möglichkeit den Zweck sichtbar werden zu lassen. Das Schreiben beginnt erst, wenn das Bild vorliegt. Es schafft den Rahmen und stellt immer wieder sicher, dass der ursprüngliche Zweck nicht verloren geht. Bei den Bildern kann es sich um realitätsnahe Abbildungen des Themas oder um metaphorische Visualisierungen handeln. Ganz selten ergeben sich Widersprüche zwischen Text und Bild. Wenn doch, dann erfolgt meistens die Überarbeitung des Bildes. Der Gesamtprozess des Schreibens besteht immer aus beiden Teilen: dem Visualisieren und dem Schreiben.
  • Englisch praktizieren
    Alle Blogbeiträge werden sofort zweisprachig entwickelt. Neben der Tatsache, dass sich dadurch die Reichweite der potenziellen Leserschaft erhöht, ist ein wichtiger Grund die Texte besser zu machen. Sobald der Text in Deutsch vorliegt, wird er ins Englische übertragen. Dabei zeigen sich ungewollt missverständliche Passagen im deutschen Text. Die zwei Texte, Deutsch und Englisch, werden schließlich aufeinander und auf die ursprüngliche Absicht hin angepasst. Das riesige Vokabular des Englischen macht einem hie und da fehlende Worte im Deutschen bewusst – und vice versa. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die Bedeutung aus dem Unterbewusstsein meldet, solange die Formulierung noch nicht so ist, wie sie sein sollte. Die zweisprachige Bearbeitung der Texte hat sich für beide Sprachen bewährt, da der aktive Wortschatz von beiden erweitert wird.
  • Die Vergänglichkeit der Zeit austricksen
    Wie oben beschrieben löst sich Gesagtes in Luft auf, manchmal ungehört oder unverstanden. Es sind jedoch auch die Gedanken, die kurz auftauchen und dann wieder in der Latenz verschwinden, soweit man sie nicht aufschreibt. Ansonsten werden sie nur sichtbar, wenn ein entsprechender Reiz die jeweilige Gehirnregion anregt und den Gedanken ins Bewusstsein zurückholt. Ein Gegenmittel ist das Schreiben. Eine geschickte Formulierung, ein schlüssiger Gedankengang oder ein Heureka, das ein seit Langem schwelendes Enigma zur Lösung bringt, könnten ansonsten verloren gehen. Manchmal steht einem im Schlaf plötzlich die Lösung vor Augen. Schnell das Licht angeknipst, den Block gegriffen und … Mist, wo ist denn der Stift. Ohne Notizen wäre die Idee am nächsten Tag weg. Das Gleiche gilt für jeden Blogartikel. Ich erinnere mich zwar nicht mehr, was es war, aber den Sachverhalt habe ich bereits einmal in Worte gefasst. Und dann ist noch die Tatsache, dass bis heute Inhalte auf die Lektüre warten – mittlerweile seit vier Jahren. Dadurch besteht auch die Möglichkeit, eigene Gedanken länger zu vermitteln, als man sie erzählen könnte.
  • Fruchtbare Routine
    Ein wichtiges Element des Schreibens ist die Routine, die es braucht, um immer wieder zu neuen Texten zu kommen. Unbestritten hilft die richtige Stimmung beim Schreiben. Manchmal lohnt es sich, auch mal auf den inneren Widerstand zu achten und nichts zu erzwingen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man dem Impuls nachgibt und aus dem Rhythmus kommt. In diesem Fall ist es ein Beitrag pro Woche. Im Sinne des steten Tropfens, der den Stein höhlt, bringt die Disziplin nach einer bestimmten Zeit viele Gedanken ins Netz und aufs Papier. Zusätzlich bietet die wochenendliche Routine einen meditativen Aspekt sowie Futter für die eigene Zufriedenheit. Und natürlich verbessert die Schreibpraxis die alltägliche Erzeugung von Inhalten – sei es in Berichten, Broschüren oder selbst in Powerpoints.

Fazit: Dieser Text ist ein gutes Beispiel für die letzten einhundertneunundneunzig Blogbeiträge. Das Thema war gefunden, das Bild gescribbelt und schließlich entwickelten sich die Struktur und die Formulierungen. In diesem Fall sind es Gründe für das Schreiben: Mitteilungsbedürfnis, Sachverhalte beschreiben, passende Worte und Bilder, Englisch praktizieren, die Vergänglichkeit austricksen und die fruchtbare Routine. Ob diese Gründe zu schreiben für alle gelten oder einfach nur für mich, liegt in der Sicht des Betrachters. Für mich reicht es, um erst mal weiter zu machen. Je mehr Seiten entstehen, desto mehr wird gelesen. Vielleicht ist ein weiterer Grund diese Routine fortzusetzen auch Schreiben, um des Schreibens willen.

Writing for the sake of writing

After four years of regular writing this post is the two hundredth in English. On this occasion I think verbally about writing. The momentum has not yet ebbed away. The contents do not really provide any revolutionary new aspects on the topics of communication, management, change management, meaning shaping, governance, strategy (the sequence corresponds to the frequency of the articles). And yet, they offer new perspectives. Some subjects evolved to a series, such as the ideal metaphor. Other articles follow daily headlines. This time I think about the reasons that the momentum does not stop.

Writing uses the same words as talking. Nevertheless, writing is a more conscious examination of the subject. By tonal exhalation words are formed, which, if they do not reach an ear, evaporate unheard. Writing remains. But why writing, if the described wheel is already round?

  • Out of a need to communicate
    Humans have been speaking for about 100,000 years and nowadays an average of 16,000 words daily. That the exchange of words is an important prerequisite for social togetherness can be seen in the cultural character of individual regions of the world as well as in their diversity. Important meaning carriers were and are religions. This can be seen in the Western approach to group the world in good and bad, right and wrong, or in the balance of yin and yang in the east. The progressions were driven by the natural needs to communicate – first verbally, for 5,000 years handwritten and printed for centuries. Writing remains longer, even if the carrier dissolves over time – paper very fast, parchment slower and stone apparently not at all. Let us wait and see how long the Internet provides the posts.
  • Describing issues
    The contents that are transported go from economic accounting, to sacred and political texts to today’s literature. With all the variety of words, certain areas remain refused to writing. Feelings and abstract thoughts can only be described without being able to express the essential. As Wittgenstein put it in a nutshell: “What we cannot speak about we must pass over in silence.” These are the areas that cry out for an additional formulation. Abstract themes do not have a tangible life and exist therefore only in the consciousness of the individual. What they make out of it can not be ascertained, since the inner thoughts are not accessible for other people. This is one reason why certain things are repeatedly described and thus become a printable version that can be discussed splendidly over and over again.
  • Finding appropriate words
    Writing has the advantage that a train of thought that is expressed in words, can be improved. Theoretically, the right moment for the correction has come, when there is something printable. At the same time, the immediate reformulation of a sentence slows down the writing flow, because you can get into an infinite loop of correction. It is more fruitful to write down a longer text in a row, leaving it untouched for a certain time, and to rework it afterwards. This time you will notice parts that do not fit the actual theme. You find words that are inappropriate, too abstract, or too often repeated. At the same time, the appeal lies also in the formation of words that can not be found in a normal dictionary. The ultimate goal is to place few, and at the same time simple words, closest to the desired intention. As a result, several texts are being prepared in parallel. Once the proper degree is reached, they are completed.
  • Finding appropriate images
    This is valid in a double sense. On the one hand, the contents are to be illustrated by means of figurative meanings. The search for a meaningful outline of the theme, analogies and metaphors are an important element of writing. On the other hand, each blog post consists of a scribbled stroke drawing. Since words can express only a part of the intention, the picture is another way to show the purpose. Writing does not start until the image is displayed. It creates the framework and always ensures that the original purpose does not get lost. The images can be realistic images of the subject or metaphorical visualizations. Quite rarely contradictions happen between text and image. If so, usually the picture will be reworked. The entire process of writing always consists of both: visualization and writing.
  • Practicing English
    All blog articles are immediately developed bilingually. In addition to the fact that this increases the scope of the potential readership, an important reason is to make the texts better. Once the text is available in German, it will be translated into English. Unintentionally ambiguous passages show up in the German text. The two texts, German and English, are eventually adapted to each other and to the original intention. The huge vocabulary of English makes you aware of missing words in German – and vice versa. It is remarkable that the subconscious meaning gives signals as long as the formulation is not yet as it should be. The bilingual processing of the texts has proven beneficial for both languages, as the active vocabulary is expanded for both.
  • Trick the transience of time
    As described above, what has been said dissolves in the air, sometimes unheard or misunderstood. There are also the thoughts, which briefly emerge and then disappear again in latency, as long as it is not written down. Otherwise, they become visible only with corresponding stimulus that provokes the respective region of the mind and brings the thought back into consciousness. A remedy is writing. A clever formulation, a coherent train of thought, or a Eureka, which would solve a long-standing smoldering enigma, might be lost. Sometimes in the sleep the solution suddenly appears before your inner eyes. Quickly turning on the light, grabbing the notebook and … crap, where is the pen. Without notes, the next day the idea would be gone. The same applies to every blog article. I do not remember, what it was, but I have already put the issue into words. And then there is the fact that up to now contents have been waiting for reading – now for four years. This also makes it possible to convey own thoughts longer than you could tell them.
  • Fruitful routine
    An important element of writing is the routine that it takes to keep getting to new texts. Of course the right mood helps in writing. Sometimes it is worthwhile to pay attention to the inner resistance and not to force anything. This does not mean, however, that you give in to the impulse and get out of rhythm. In this case, it is one post per week. In the sense of the constant drop that caves the stone, the discipline brings by and by a lot of thoughts into the net and on the paper. In addition, the weekly routine offers a meditative aspect as well as food for your own satisfaction. And, of course, writing practice improves the everyday production of content – be it in reports, brochures or even in PowerPoints.

Bottom line: This text is a good example of the last one hundred ninety-nine blog posts. The subject was found, the picture was scribbled, and finally the structure and the formulations were developed. In this case, these are the reasons for writing: the need for communication, describing issues, appropriate words and images, practicing English, the transience, and the fruitful routine. Whether these reasons for writing apply for all or just for me lies in the eye of the beholder. For me it is enough to go on for the time being. The more pages are created, the more will be read. Perhaps another reason to continue this routine is also writing for the sake of writing.