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Veränderung ist mehr als ein „Ach so“

Der Irrglaube von Führungskräften und Beratern, dass Veränderung nichts weiter ist als ein Schalter, der nur umgelegt wird und schon ist die Änderung vollzogen, führt zu falschen Erwartungen. Im eigenen Leben konnten sie offenbar noch nicht lernen, dass alle weitreichenden Umgestaltungen dauern. Sie meinen ein gewünschtes Verhalten durch klare, schnelle Maßnahmen, nicht nur bei dem einzelnen Mitarbeiter, sondern bei der ganzen Belegschaft bewirken zu können, obwohl Veränderungen länger brauchen als ein „Ach so“.

Veränderung beginnt, lange bevor der eigentliche Knackpunkt auch nur in Sichtweite gerät. Die folgenden Schritte beschreiben die Zeit davor (Bemerken), den Moment der Erleuchtung (Verstehen), die Festlegung des Neuen (Gestalten) und den Schmerz der Umsetzung (Umlernen).

  • Bemerken – Upps
    Selbst Praktiker der Vogelstrauß-Politik kommen nicht umhin das Gefühl der Unsicherheit zu spüren. Irgendetwas stimmt nicht und entwickelt mit der Zeit einen Druck, der sich nicht einfach lokalisieren lässt. Schließlich wird es so unangenehm, dass der Leidensdruck einen zwingt, sich dem Problem zu stellen und es näher zu betrachten. Ohne regelmäßigen wechselseitigen Austausch von Meinungen und Gefühlen kann es Jahre dauern, bis die Beteiligten an diesen Punkt gelangen. Dieser Schritt endet mit dem ausformulierten Problem, das aufgelöst werden soll.
  • Verstehen – „Ach so“
    Den Veränderungen geht ein überzeugtes „Ach so“ voran. Das bemerkte Problem und die Notwendigkeit der Veränderung werden von den Beteiligten erkannt. Es ist, als ob sich ein Knoten auflöst, als wäre er nie da gewesen. Die Griechen haben es „Heureka“ genannt. In Japan ist das deutsche „Ach so“ sogar Teil der Alltagssprache, getoppt nur vom japanischen なるほど (naruhodo). Diese innerliche Überzeugung ist die Voraussetzung für wirkliche Veränderung. Damit sich das ganze Unternehmen ändert, muss sich jeder Einzelne durch die Schleuse eines persönlichen „Ach so’s“ begeben haben.
  • Gestalten – So geht’s
    Mit der Überzeugung, dass etwas geändert werden sollte, bleibt noch unklar, was und wie. Ein ungewollter Zustand hat unermesslich viele, unterschiedliche Lösungen. Diese neuen Wege führen für jeden in eine andere Richtung und benötigen darum im ersten Schritt ein sich gemeinsames aufeinander einstellen. Mit diesem gewünschten Zustand in der Zukunft kann das neue Verhalten ausgestaltet werden. Dies reicht von neuen Geschäftsmodellen, Abläufen und IT-Programmen, über neue Regeln, bis hin zu neuen Werten, die das Geschehen beeinflussen. Die Gestaltung der Zukunft gewährleistet den Beleg, dass die neue Wirklichkeit überhaupt besser ist, als die alte und die aktuelle Situation nicht nur verschlimmbessert wird. Danach beginnt die tatsächliche Veränderung.
  • Umlernen – Aua
    Das sich lösen von altem Verhalten erfordert, dass es diskutiert, beurteilt, abgelehnt und schließlich verlernt wird. Dieser Ablauf ist schmerzhaft, da alle an unterschiedlichen Stellen angenehme und unangenehme Gefühle entwickeln. Erst wenn die alten instinktiven Reflexe durch neue ersetzt sind, befindet man sich im neuen Verhaltensmuster. Damit befindet man sich am Ende der Veränderung und am Anfang der Entwicklung von neuen Routinen. Das geht solange, bis das Ganze von Neuem beginnt.

Eine Studie hat die Dauer für Veränderungen am Beispiel von Essensverhalten untersucht. Im Durchschnitt haben die Teilnehmer 66 Tage (von 16 bis 254 Tagen) benötigt, um ihr Verhalten zu ändern. Die Veränderungen in einem Unternehmen sind umfassender und betreffen viele unterschiedlich tief verankerte Verhalten. Dies bedeutet, dass Veränderung dauern kann, je nachdem, wo man zu messen beginnt. Im Extremfall dauert es Jahre. Der Schritt nach einem „Ach so“ sollte jedoch nicht länger über mehr als sechs Monate hinziehen, da man ansonsten den unsicheren Modus der Veränderung nie verlässt. Sind die Veränderungen zu umfassend, sollten die Maßnahmen in kleinere Initiativen aufgeteilt werden, die in sechs Monaten bewältigbar sind.

Fazit: Veränderung dauert. Dies beginnt lange bevor die Probleme erkannt sind. Entscheidend für das überzeugte Ändern ist ein persönliches „Ach so“. Durch die Gestaltung des Neuen wird sichergestellt, dass man in einen gewünschten Zustand gelangt. Innerhalb eines halben Jahres sollte die eigentliche Veränderung abgeschlossen sein.