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Der Akt gehört den Einzelnen

Treten Schwierigkeiten auf, dann liegt es auf den ersten Blick an anderen. Warum? Es ist einfacher, Fehler woanders zu suchen, als Teil des Problems zu sein. Der Blick auf die üblichen Verallgemeinerungen verdeutlicht diese Neigung.

  • Die Entwicklung schafft es nicht, Produkte zu entwerfen, die mit wenig Aufwand hergestellt werden können.
  • Die Produktion ist nicht in der Lage, die entwickelten Artikel fehlerfrei zusammenzubauen.
  • Der Vertrieb kann nur bewährte Erzeugnisse verkaufen.
  • Der Einkauf unterminiert die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Lieferanten.
  • Das Management entscheidet nicht.
  • Die Mitarbeiter bringen sich nicht ein.
  • Die Lieferanten versorgen uns nicht angemessen.
  • Die Kunden nehmen pingelig Anstoß an unbedeutenden Mängeln.

Derartige Stereotype durchdringen unseren geschäftlichen Alltag. Dabei finden sich in diesen unangemessenen Generalisierungen Ansätze für das eigene Handeln – denn der Akt gehört den Einzelnen.

Reflexartig werden auftretende Schwierigkeiten von der eigenen Person weggeschoben. Diese scheinbare Entlastung bietet allerdings keine Lösung und verzögert wesentliche Stellhebel – unsere eigenen Beiträge. Vor allem, wenn die anderen nicht bereit sind, Aufgaben zu übernehmen. Es ist geschickter, den eigenen Anteil an den Schwierigkeiten näher zu betrachten und sich aktiv einzubringen. Die folgenden Fragen helfen dabei.

  • Was mache ich?
    Die eigenen Handlungen sind der persönliche Anteil an einem Fall. Das Tun besteht aus den Aufgaben, die wir übernehmen, den Tätigkeiten, die wir ausführen, und dem Verhalten im Sinne der beobachtbaren (Re)Aktionen. Es gibt nichts, was wir besser beeinflussen können als das Tun, das wir selbst vollbringen – Außer: die Reaktionen, die das limbische System auslöst, die nur noch nachträglich revidiert werden können.
    Kümmern sich alle um ihren Anteil an einer Aufgabe und tragen zur Behebung der Mängel bei, dann ergibt sich aus dem Zusammenspiel aller die bestmögliche Lösung.
  • Was macht das mit anderen?
    Die eigenen Handlungen erzeugen Ergebnisse, die im Umfeld wirken. Aus diesem Grund sollten wir im Vorhinein die Wirkungen mit Betroffenen besprechen oder zumindest gedanklich durchspielen, welche Auswirkungen vorstellbar sind (i.e., Anschlusshandlungen, Effekte, Chancen und Risiken). Der Vergleich der gewünschten und wahrscheinlichen Ergebnisse liefert Ansätze zur Verbesserung der Handlungen.
    Den Endzustand und die Wirkungen bei anderen vorab näher zu bestimmen ist eine Voraussetzung, um sich frühzeitig anzupassen und unbeabsichtigte Konsequenzen weitestgehend zu vermeiden.
  • Was würde ich gerne verändern?
    Auch wenn wir im ersten Moment die äußeren Bedingungen ändern wollen, ist es besser, bei sich selbst anzufangen. Wir müssen sicherstellen, dass die Aktionen auch zu unseren Haltungen passen. Dies erfordert eine selbstbewusste, offene Auseinandersetzung mit den eigenen Einstellungen – d.h., den Fähigkeiten (Fertigkeiten, Wissen und Erfahrungen), Überzeugungen (Werte, Glaubenssätze und mentale Modelle) und der Rolle (die gestellten Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung). Möglicherweise brauchen wir andere Fähigkeiten, um die Handlungen ausführen zu können. Es kann auch sein, dass wir unsere bisherigen Vorstellungen und Schlussfolgerungen durch die neue Situation überdenken müssen. Oft fehlt sogar die Erlaubnis, anders vorgehen zu dürfen. Um wirksam aktiv zu werden, müssen wir die Prämissen entsprechend anpassen.
    Niemand hat mehr Macht uns zu verändern als wir selbst.
  • Was macht das mit mir?
    Es geht bei diesen Überlegungen nicht darum, sich selbst aufzugeben und selbstlos nur das zu tun, was andere von uns erwarten. Aber genauso, wie wir das Umfeld in Betracht ziehen, müssen wir auch an unser internes Gleichgewicht und die Auswirkungen auf unser Wohlbefinden denken. Erzeugen die geänderten Aspekte Spannungen zwischen den Fähigkeiten, Überzeugungen, Rollen und vor allem den Handlungen, dann sollten die Änderungen so überarbeitet werden, dass wir damit stressfrei leben können – z.B., wenn zugunsten eines Kostenvorteils an der Sicherheit von Arbeitsplätzen gespart wird.
    Unsere Aktionen sollten stets zu uns und unseren Einstellungen passen.

Fazit: Schwierigkeiten entstehen vor allem im Zusammenspiel von unterschiedlichen Interessen. Dies führt dazu, dass die Zuständigkeit für eine Lösung stets diskutierbar ist und aus Bequemlichkeit zunächst bei anderen gesucht wird. Dabei sind wir der beste Hebelpunkt für Veränderungen. Wir müssen uns unseren Beitrag an der Angelegenheit bewusst machen: Was mache ich? Was macht das mit anderen? Was würde ich gerne verändern? Was macht das mit mir? Sobald wir Maßnahmen finden, die die vier Fragestellungen zu unserer Zufriedenheit beantworten, dann ist das unser Anteil, den wir zur Lösung beitragen können. Wenn alle sich diese Fragen stellen, erhalten wir das bestmögliche Ergebnis, denn der Akt gehört den Einzelnen.

Veränderung ist immer – und anders

Bei der systematischen Untersuchung durch Experten lösen sich Sachverhalte in unglaublich feine Bestandteile auf, wodurch unser Blick auf das Ganze verloren geht. Wir sehen so filigranste Ausschnitte und ihre Veränderlichkeit, aber sind nicht mehr in der Lage, die Konsequenzen zu überblicken und die Aufgabenstellungen zu bewältigen. Bei der Betrachtung der Einzelheiten gehen die Verbindungen und Abhängigkeiten auf allen darüberliegenden Ebenen verloren. Ausweg boten bisher zusätzlich aufgesetzte Maßnahmen unter der Überschrift Changemanagement. Kosten- und Zeitdruck sowie die fehlende Entschlossenheit führen dazu, dass Entscheider solche unterstützenden Aktivitäten meiden. Aus diesen Gründen ist es an der Zeit, Veränderung neu einzuordnen. Sie ist immer – und anders.

Für diejenigen, die das für übertrieben halten, rentiert sich der Blick auf die folgenden Grade von Veränderung.

  • Erkenntnis
    Veränderungen beginnen im Kopf der Beobachtenden. Alles, was Aufmerksamkeit erregt, hat sich verändert. Ein sensorischer Reiz im Kontext, der nicht zu den unbewussten Erwartungen passt, aktiviert das Bewusstsein – eine Unregelmäßigkeit im Blickfeld, ein unerwartetes Geräusch, ein überraschendes Bauchgefühl, ein unpassender Geruch. Achtsame Menschen reagieren frühzeitig auf Stimuli aller Art. Die sich ergebenden Aha-Erlebnisse befeuern die Bereitschaft zur Initiative in Teams, Abteilungen, Bereichen, Unternehmensteilen und Konzernen.
  • Stabilisierung
    Jede noch so kleine Handlung variiert die Gegebenheiten. Wenn der aktuelle Zustand gefährdet ist, reagieren Mitarbeitende durch feines Nachregeln, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Zu diesem Zweck haben die Einzelnen eine Grundlinie vor Augen, um die Abweichungen auszugleichen. In gleicher Weise wie der Tempomat eines Fahrzeugs die gewünschte Geschwindigkeit beibehält, wird das Zusammenspiel der Einheiten sichergestellt. Voraussetzung für die Stabilisierung ist die Festlegung der Grenzen, an denen sich die einzelnen Einheiten orientieren. Die Abweichungen treten an jedem beteiligten Arbeitsplatz auf. Die Summe aller Nachjustierungen ergibt ein Grundrauschen, das beständig stattfindet und zu jeder Zeit und an jedem Ort sich überraschend zu einer Veränderung erster Ordnung aufschaukeln kann.
  • Auf- oder Abbau
    Die Veränderungen erster Ordnung sind die kleinen Abweichungen, auf die wir uns im Rahmen der althergebrachten Kontinuierlichen Verbesserung vorbereiten oder reagieren. Hier geht es nicht um Stabilisierung, sondern um anhaltende kleine Änderungen, die sich über lange Zeit zu großen Umwälzungen anhäufen. Sie können im günstigsten Fall zu einem Aufbau und im nachteiligsten Fall zum Abbau der Leistungen führen. Die Gegenmaßnahmen kümmern sich um die Vermeidung oder Behebung von Schwächen, ohne die Rahmenbedingungen und Grundannahmen infrage zu stellen und zu verändern. Dieser ständige Lernprozess, der das bestehende Geschäft immer besser macht, sollte ebenfalls überall und jederzeit stattfinden, um für die Disruptionen die Veränderungen zweiter Ordnung fit zu sein.
  • Ersatz oder Wegfall
    Die Veränderungen zweiter Ordnung traten im Zuge von gesellschaftlichem und technischem Fortschritt auf – beim Eintritt in die Maschinen-, Mobilitäts- und Informationszeitalter. Die aufgetretenen radikalen Umbrüche stellen Handlungen, Leistungen und Organisationen infrage und erzeugen gleichzeitig neue Paradigmen und Geschäftsmodelle. Mittlerweile schaffen die Hard- und Software und die weltweite Vernetzung unter der Flagge der Digitalisierung die bereits vor Jahren vorhergesagten Tätigkeiten. Die Auswirkungen lassen manuelle Tätigkeiten zugunsten von intelligenten Robotern verschwinden. Auch einfache Entscheidungen sind automatisierbar und führen zur Auflösung von Verwaltungs- und Führungsinstanzen. Diese Revolutionen erzwingen zumindest den Ersatz, wenn nicht sogar den Wegfall ganzer Einheiten. Es erfordert ein aktives Changemanagement, wie wir es kennen, um den Widerstand der Mitarbeiter gegen die Initiativen abzuschwächen und damit die Umsetzung der Aufgaben des Unternehmens zu gewährleisten.
  • Keine Veränderung
    Mit panta rei (πάντα ῥεῖ) hat Heraklit vor 2.500 Jahren bereits verstanden, dass alles fließt. Inwieweit es die Angst vor Veränderung oder einfach die Unfähigkeit der Verantwortlichen ist, die sie abhält, sich um Veränderungen zu kümmern, macht keinen Unterschied. Ausschlaggebend ist die Tendenz von Entscheidern, Gefahren auszublenden. Es wird an Anstrengungen für Risiko- und Changemanagement gespart. Dies bedeutet, dass unvermeidlich auftretende Schwierigkeiten nicht durch geeignete Maßnahmen und eine angemessene Vorbereitung der Mitarbeiter verhindert werden. Für die Viabilität der Unternehmung ist es unerlässlich zu verstehen, dass es so etwas, wie Keine Veränderung nicht gibt – kümmern Sie sich darum.

Fazit: Die Tatsache, dass wir uns unentwegt verändern, scheint unangenehm zu sein, da die Verantwortlichen gerne wegsehen. Dabei stoßen wir mit unseren Tätigkeiten viele Veränderungen selbst an – z.B. Rohstoffe werden zu Produkten, Fähigkeiten werden zu Dienstleistungen, Aufgaben werden zu Abläufen. Zusätzlich sind viele Abweichungen nicht hausgemacht, sondern externe Einflüsse – der Kunden, der Lieferanten, der Wettbewerber, des Marktes, der Politik, der Wirtschaftslage, der Gesellschaft, der Technik, der Natur. Es ist nicht die Frage, ob eine Veränderung groß genug ist, um sich damit zu beschäftigen (siehe oben), sondern nur, wie damit umzugehen ist – egal wie groß sie ist. Dies erfordert eine Führung, die bisher selten gelehrt wurde. Die Mitarbeitenden auf allen Ebenen müssen achtsam, neugierig, fantasievoll und pro-aktiv den Wandel bewältigen. New Work braucht diese Neuorientierung, denn Veränderung ist immer – und anders.