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Eine mittelalterliche Stadt – die ideale Metapher für eine Plattform

Die Entwicklung, von der Ansammlung einiger Häuser zu einer Stadt, als wirtschaftliches, gesellschaftliches, kulturelles und politisches Zentrum, folgte den Verkehrswegen seit dem Beginn der Zivilisation – entlang von Küsten und Wasserwegen, z.B. von Marseille über die Rhone, Saône und Rhein nach Norden. Auch wenn viele deutsche Städte aus der Römerzeit, vor mehr als zweitausend Jahren, stammen, wurden im Mittelalter und der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts die meisten Städte ernannt. Viele Aspekte der mittelalterlichen Stadt erkennen wir in der Architektur der heutigen virtuellen Plattformen wieder. Damit ist eine mittelalterliche Stadt eine ideale Metapher für eine Plattform.

Skizzieren wir die Eigenschaften einer virtuellen Plattform, springen uns die Ähnlichkeiten ins Auge.

  • Zugangskontrolle
    Die mittelalterliche Stadt wurde von einer Mauer umschlossen, die die Besitztümer der Bewohner schützte. Zugang war nur für Berechtigte durch bewachte Stadttore möglich. Innerhalb der Stadtmauer lebten die Bewohner in festgelegten Vierteln.
    Plattformen sind auch nach Themengebieten und Stakeholdern gegliedert. Das Tor zur Plattform öffnet sich auch nur für die, die über einen entsprechenden Account verfügen, d.h. einer Anwender-ID und einem Passwort.
  • Infrastruktur
    In einer mittelalterlichen Stadt nutzten die Bewohner gemeinsame Einrichtungen – vom Rathaus, über den Marktplatz, öffentliche Straßen, Schulen, Kneipen, bis hin zu Gefängnis und Hinrichtungsstätten.
    In der Virtualität muss ebenfalls eine allgemeine Infrastruktur betrieben werden – von Verwaltungseinrichtungen, über Marktplätze, Workflows, Trainingsbereiche, Vergnügungsecken, bis hin zu Einrichtungen zur Bestrafung extremen Fehlverhaltens.
  • Kulturelle Vielfalt
    Die Bewohner der Stadt setzen sich aus unterschiedlichen Kulturen und Berufen zusammen. Dort finden sich Patrizier, Handwerker, Kaufleute, Tagelöhner, Henker und sonstige Gewerbe.
    Die Plattformen verfügen ebenfalls um vielfältige Teilnehmer, die sich grundsätzlich in Anbieter, Konsumenten und Betreiber der Plattform aufteilen, die sich dort treffen, um Geschäfte miteinander zu machen.
  • Wirtschaftliche Drehscheibe
    Der Grund für die Gründung sowie Dreh- und Angelpunkt der Stadt war im Mittelalter der Marktplatz. Dort wurden Waren feilgeboten, die in der Stadt hergestellt oder von weit her beschafft wurden. Zusätzlich entwickelten sich Zünfte, die ihr gleichartiges Geschäft gegenseitig bereicherten.
    Auch die virtuelle Plattform dient vor allem zum regelmäßigen Austausch von Leistungen zwischen Anbietern und Konsumenten und der Stärkung des eigenen Fachgebiets.
  • Governance
    Aufgrund der dichten Ansammlung vieler Menschen galten innerhalb Stadtmauern strenge Vorschriften für das Zusammenleben. Die Handwerker organisierten sich in Zünften, die Vorschriften bzgl. Ausbildung, Handwerkszeug und Qualität für ihr Fachgebiet festlegten. Nichtmitgliedern war die Ausübung des jeweiligen Handwerks nicht gestattet. Zur Finanzierung der Verwaltung der Allmende wurden Steuern eingezogen.
    Auch virtuelle Plattformen legen Regeln fest, die Teilnehmer nach bestimmten Kriterien zertifizieren, klare Vorgehen bestimmen und die Ergebnisse ihrer Arbeit durch Best-Practice sicherstellen. Die Steuern der virtuellen Plattform sind die Mitgliederbeiträge und Spenden.
  • Weiterentwicklung
    Der Fortschritt der Stadt oblag den Stadtherren, die sich aus Mitgliedern der Oberschicht zusammensetzten. Sie entschieden über die Erweiterung der Infrastruktur, den Zuzug von Menschen und die Förderung bestimmter Gewerbe.
    Entsprechend kümmern sich heute vor allem die Betreiber der Plattform, um die kontinuierliche Erweiterung der Funktionen, die Verwaltung der neuen und bestehenden Mitglieder sowie die Festlegung neuer Leistungsumfänge und Standards.

Fazit: Der Geltungsbereich einer mittelalterlichen Stadt wurde durch die physische Erreichbarkeit, d.h. am Ende durch die Mauer, bestimmt. Das Gleiche gilt für eine virtuelle Plattform – da man weltweit nur einen Klick von der Plattform entfernt und sie damit für jeden erreichbar ist, der Zugriff auf das Internet hat. Das Pendant zum Stadttor ist die Zugangskontrolle, die die Plattform vor unbefugter Nutzung absichert. Innerhalb können sich vielfältige Kulturen ansiedeln, ihren Geschäften nachgehen, solange sie sich an die Vorschriften halten. Alle profitieren von den Erweiterungen, die stetig wachsende Leistungen bieten. Anhand einer mittelalterlichen Stadt werden die Aspekte einer virtuellen Plattform sichtbar. Damit ist die mittelalterliche Stadt die ideale Metapher für eine virtuelle Plattform.

Die Herausforderungen einer Plattform

Plattformen erlauben heute ganz neue Geschäftsmodelle. Während früher ein Gewerbe die erforderliche Infrastruktur selbst schaffen musste, so kann man heute Anlagen und Organisationen nutzen, um seine Geschäftsidee umzusetzen.

  • Autoren nutzen Services wie Print on demand, um ihre Bücher ganz ohne Verlag zu publizieren.
  • Freelancer finden über entsprechende Online-Plattformen ihre Aufträge.
  • Kleinunternehmer können Telefonservices mieten, die es den Kunden ermöglichen das Kleinunternehmen zu erreichen oder Termine abzustimmen.
  • Reparatur-Treffs oder Repair Cafés nutzen Plattformen, wie das Netzwerk Reparatur-Initiativen, um die Nutzer zu erreichen.

Fab-Labs kann man bereits temporär benutzen, um sein eigenes Produkt herzustellen (ohne die entsprechenden Produktionsanlagen aufbauen zu müssen). Die Einsatzmöglichkeiten sind grenzenlos. Was sind die Herausforderungen für solche Plattformen?

Eine Plattform verhält sich wie ein natürlicher Organismus, der in seiner Umgebung kontinuierlich ums Überleben kämpft. Hierfür sollten die folgenden Herausforderungen gemeistert werden.

  • Netzwerkeffekte auszuschöpfen
    Durch das Internet steht latent jede(r) mit jede(m)r in Kontakt. Dies erlaubt es, Netzwerkeffekte auszunutzen. So steht allen Protagonisten der Plattform eine Unmenge an Wissen zur Verfügung: Publikationen, Veranstaltungen, Kontakte und Marktinformationen. Das reicht hin bis zu einer breitflächigen Ermittlung von Einsichten der Vielen über Foren und virtuelle Veranstaltungen. Um die volle Wirkung der Netzwerkeffekte erzielen zu können, ist es wichtig, dass nicht nur einseitige Angebote zu finden sind, sondern auch komplementäre Sortimente, die zusätzliche Ansätze verfolgen. Je interessanter und vielfältiger die Plattform aufgestellt ist, desto mehr Anbieter und Klienten werden angezogen und lösen die Netzwerkeffekte aus.
  • Protagonisten aktivieren
    Die Einstiegshürde einer Plattform sollte so niedrig wie möglich sein. Dies wird erreicht durch eine kostenfreie Mitgliedschaft, die es beispielsweise im ersten Monat ermöglicht das komplette Angebot kostenfrei kennenzulernen. Damit die Protagonisten sich einbringen, sollten Beiträge durch Bonusse und andere Anreize belohnt werden. Regelmäßig wechselnde Wettbewerbe und Sonderangebote holen die interessierten Nutzer immer wieder auf die Plattform. Sobald ein Protagonist zwischen Anderen vermittelt, kann dies durch monetäre oder sachliche Vorteile honoriert werden.
  • Wahlmöglichkeiten bieten
    Sobald die Anwender die Plattform verstehen, ist eine möglichst große Vielfalt vorteilhaft: nicht nur Übernachtungsmöglichkeiten in Berlin, sondern auf der ganzen Welt. Interessant wird die Plattform darüber hinaus durch Ansprechpartner in den verschiedenen Bereichen, da dadurch die technischen Webseiten persönlicher werden. Die Gliederung der Plattform ist dabei ein Kollateralbenefit, da sie einen indirekten Einfluss auf die Bildung von mentalen Modellen bei den Anwendern fördert. Durch entsprechende Suchmaschinen, Glossare und Wikis erhalten die Anwender fachlich fokussierte Informationen, die sie immer wieder auf die Plattform ziehen.
  • Tipping-Point meistern
    Die ersten Anwender einer Plattform finden nur wenige andere Nutzer und vor allem wenige Angebote. Erst mit der Zeit füllt sich die Plattform und entwickelt dann ein Eigenleben. Der Punkt, ab dem sich die Anzahl der Nutzer exponentiell entwickelt, ist der Tipping-Point. Facebook hatte diesen Punkt nach drei Jahren erreicht. Bis dahin ist von allen Beteiligten viel Einsatz erforderlich, damit die Plattform nicht in sich zusammenfällt, bevor eine fruchtbare Anzahl an Usern erreicht wird. Um dies zu vermeiden, tuen Plattformanbieter alles, um Interessenten mit möglichst geringen Hürden für den Einstieg in die Plattform anzuziehen: freie Mitgliedschaft, großer Nutzen bei wenig Kosten, und einen interessanten Startumfang der Inhalte durch die Zusammenarbeit mit Inhaltsanbietern.
  • Kontinuierlich weiterentwickeln
    Die Anstrengungen zum Ausbau der Plattform müssen von allen drei Protagonisten erbracht werden. Die Anbieter sollten kontinuierlich ihre bestehenden Angebote und ihre Angebotspalette erweitern. Die Nutzer tragen durch ihre Forenbeiträge und Bereitstellung von Inhalten zur Attraktivität der Seite bei. Die Betreiber sind dafür zuständig, die Plattform mit weiteren Funktionalitäten und der Verlinkung der bestehenden Inhalte kontinuierlich auszubauen. Je dynamischer sich die Plattform entwickelt und dabei wächst, desto mehr neue Protagonisten werden angezogen.

Fazit: Plattformen erzielen nicht automatisch die gewünschte Wirkung. Die Herausforderungen, denen sich die Plattformanbieter stellen müssen, sind es die Netzwerkeffekte auszuschöpfen, die Protagonisten zu aktivieren, unterschiedlichste Wahlmöglichkeiten zu bieten, den Tipping-Point zu meistern und schließlich die Plattform kontinuierlich weiterzuentwickeln. Nur proaktive Lenkung erhöht die Wahrscheinlichkeit den Tipping-Point und die anderen Herausforderungen zu bewältigen.