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Hebelpunkte der Veränderung

Im Grunde ist eine Umarbeitung keine Aufgabe mit einem Anfang und Ende, sondern eine fortwährende Beschäftigung. Heraklit hat das in einfachen Worten ausgedrückt: Panta rhei (Alles fließt). Da die Betroffenen gerne am Bestehenden festhalten, ist jede Veränderung ein Auslöser für Widerstand. Die Folge sind institutionalisierte Maßnahmen zur Veränderung. Im einfachsten Fall gelten dabei die Umstellungen ab einem bestimmten Datum als gesetzt – ohne Vorankündigung oder Absprache mit den Betroffenen oder mit wenig Vorbereitung. Es ist, als wolle Archimedes die Welt aus den Angeln heben, indem er sie mit seinen Armen umfasst und versucht anzuheben. Das geht naturgemäß schief, da sie zu schwer ist.

„Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln“
Archimedes

Mit einem kräftigen Hebel, der ein paar Millionen Lichtjahre lang sein müsste, und vor allem einem festen Aufsetzpunkt könnte er das rein rechnerisch schaffen. Große Veränderungen in Unternehmen, z.B. die Ablösung von SAP oder die Umstellung von einem klassisch erstarrten hin zu einem vernetzten Unternehmen fühlt sich für die meisten Verantwortlichen genauso schwer an wie das Aushebeln der Erde. Dabei ist es eine Frage des richtigen Hebelpunkts.

Die vielen kleinen alltäglichen Änderungen werden durchgeführt, weil die Betroffenen durch ihre Fähigkeiten und die bewusste Mitarbeit die Mängel abfedern. Was im Kleinen geht, sollte auch im Großen möglich sein. Mit den richtigen Hebelpunkten gelingt jeder Wandel.

  • Interne Hebelpunkte
    Den stärksten Zugriff haben die Entscheidenden auf die internen Hebel – u.a. Struktur und Abläufe, Wissen und Fähigkeiten sowie Ressourcen. Bei weitreichenden Umbrüchen müssen im ersten Schritt die internen Stakeholder mit ihren Bedürfnissen und Erwartungen erkannt werden.
    – Da die Top-Führenden die einflussreichsten Multiplikatoren sind (z.B. ein Unternehmen mit fünftausend Mitarbeitenden (MA) und fünf Vorständen erreicht rechnerisch 1000 MA) ist es entscheidend, deren Bewusstsein dieser Neugestaltung stets wach zu halten und sie so oft wie möglich beispielsweise als Sponsoren einzubinden.
    – Ein Wechsel ohne die Mitarbeitenden ist zum Scheitern verurteilt. Am besten werden die Betroffenen zu Beteiligten, die direkten Einfluss auf das neue Normale haben. Dies geschieht durch regelmäßige Veröffentlichungen, Workshops und Großveranstaltungen mit Q&A.
    – Tiefgreifende Neuerungen unterminieren alles, was die Betroffenen kennen, was zu instinktiver Verweigerung führt. Durch Veröffentlichungen, die frühzeitig das Neue beschreiben, und angemessene Trainings, die die Bedienung von neuen Anlagen sowie das gewünschte Verhalten einüben, verstehen die Mitarbeitenden, was sich ändert – das senkt deren Verunsicherungen und Ängste und vermeidet dadurch zu viele Widerstände.
    Große Veränderungen lassen sich nicht über Nacht umsetzen. Das bedeutet, dass das Alte eine gewisse Zeit weiterläuft, während das Neue entwickelt und aufgesetzt wird. Dies erfordert die Bereitschaft der Betroffenen zweigleisig zu denken. Aus diesem Grund ist die aktive Nutzung der internen Hebelpunkte unumgänglich. Gleichzeitig wird das Neue durch die frühe Einbindung der Betroffenen wesentlich langlebiger.
  • Externe Hebelpunkte
    Wenn die unternehmerischen Schwerpunkte auf den Kernkompetenzen liegen, führt das dazu, dass Gesichtspunkte des Umfelds gewichtiger werden – i.e. gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche, ökologische, gesetzliche und technologische Einflüsse. Es ist wichtig, die äußeren Stakeholder und die Einwirkungen der Umwelt zu kennen. Da die externen Maßnahmen einen geringeren Wirkungsgrad haben, ist eine frühzeitige Beschäftigung mit diesen Einflüssen unabdingbar.
    – Die Öffentlichkeitsarbeit ist eine bedeutsame Parallelmaßnahme. Dabei werden Angehörige und sonstige Anspruchsgruppen erreicht, da mit Unterstützung von öffentlicher Meinung indirekt Einfluss auf sie möglich ist – z.B., wenn den Familien die Veränderungen missfallen; lokale Bürgerinitiativen Widerstand organisieren; staatliche Stellen ihre Regeln haarklein durchsetzen.
    – Lobbyismus ist ein etablierter Weg, Einfluss auf Politiker, Wirtschaftsvertreter, Gesetzgeber und beispielsweise Umweltgruppen auszuüben. Hierzu kümmern sich Unternehmen in Arbeitskreisen um die Erarbeitung von Studien und Entwürfen. Damit werden die Absichten eines Konzerns in den neuen Regelungen berücksichtigt.
    – Mit der Forschung und Entwicklung von neuen Technologien und Standards schaffen sich die Unternehmen die Möglichkeit, die Zukunft mitzugestalten. Beim Changemanagement fördert die Beteiligung an der Entwicklung die Akzeptanz bei den Betroffenen und sichert die langfristige Nutzbarkeit der Veränderung.
    Der Einfluss auf die Umwelt ist eine zeitlich anspruchsvolle Aufgabe, die nicht erst beginnt, wenn eine Veränderung ansteht, sondern lange davor und danach als fortwährende Beschäftigung mit der Umwelt. Die einzelnen Veränderungen wiederverwenden dann bei Bedarf die externen Hebelpunkte.
  • Mentale Hebelpunkte
    Die schwierigsten Aspekte sind die Überzeugungen der Mitarbeitenden. Solange sie sich im Widerstand befinden, lassen sich die Änderungen nicht zuverlässig umsetzen. Dabei sind die Gründe nachvollziehbar.
    – Eine bedeutsame Blockade entsteht, wenn die Betroffenen das Neue nicht kennen oder verstehen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Mitarbeitenden in die Lage zu versetzen, sich damit zu beschäftigen und ggfs. Fragen zu stellen.
    – Sobald sie wissen, worum es geht, müssen die Fähigkeiten entwickelt werden, sodass sie sachkundig das Neue beherrschen. Das erfordert angemessene Schulungen und Übungen.
    – Auch wenn die Führenden oft der Meinung sind, dass die Mitarbeitenden nur geringes Mitspracherecht brauchen, ist es trotzdem der Sache förderlich, deren Befindlichkeiten abzuholen. Wollen sie sich nicht auf das Neue einlassen, muss geklärt werden, aus welchen Gründen. Ansonsten stecken die Unwilligen die Halbwilligen mit ihrer Abneigung an und belasten dadurch die Einführung.
    – Top-Führende können es oft nicht glauben, aber es passiert auch, dass die direkten Vorgesetzten den Mitarbeitenden nicht erlauben, sich mit dem Neuen zu beschäftigen oder sogar sich an der Entwicklung zu beteiligen. Das kommt meistens daher, dass die aktuellen Vorgaben einen höheren Stellenwert haben und dieser nicht gefährdet werden soll.
    Die Bewertung der Neuerung liegt im Auge der Betrachtenden – vor allem der Betroffenen. Dabei sind diejenigen, die die Änderung annehmen müssen.

Fazit: Auch wenn Veränderung unentwegt stattfindet, bedeutet das nicht, dass wir sie sachgemäß beherrschen. Außerdem sind große Umbrüche unerwartet schwieriger. Um sie hinzubekommen, muss man sich mit den internen, externen und vor allem mit den mentalen Hebelpunkten beschäftigen und sie geschickt anwenden. Jede Veränderung gelingt mit der Nutzung der richtigen Hebelpunkten der Veränderung.

Leverage points of change

A reworking is not a task with a beginning and an end but an ongoing job. Heraclitus expressed this in simple words: Panta rhei (Everything flows). Since those affected like to adhere to the existing, any change is a trigger for resistance. The consequences are institutionalized measures for change. In the simplest case, adjustments are considered to start on a specific date – without prior notice or consultation with those affected or with little preparation. It is as if Archimedes wanted to unhinge the world by embracing it with his arms and trying to lift it. Naturally, this goes wrong because it is too heavy.

“Give me a place to stand on, and I will move the Earth”
Archimedes

With a powerful lever that should be a few million light-years long and, above all, a fixed touchdown point, he could do it purely mathematically. Significant changes in companies, e.g., the replacement of SAP or the transition from a classically frozen to a networked company, feels for most of those responsible just as tricky as levering out the earth. Yet, it is a question of finding the right leverage point.

The many small commonplace changes are realized because people affected cushion the shortcomings through their skills and conscious cooperation. What works on a small scale should also be possible on a large scale. With the right leverage points, every change succeeds.

  • Internal leverage points
    Decision-makers have the most substantial access to internal levers – including structure and processes, knowledge and abilities, and resources. For a far-reaching change, the first step is to identify internal stakeholders with their needs and expectations.
    – Since the top executives are the most influential multipliers (e.g., a company with five thousand employees (MA) and five board members mathematically reach 1,000 MA), it is crucial to keep their awareness of this redesign constantly awake and to involve them as often as possible, for example, as sponsors.
    – A change without the employees is doomed to failure. The best way is to turn those affected into participants, who can directly influence the new normal. This is done through regular publications, workshops, and major events with Q&A.
    – Profound innovations undermine everything that people affected know, leading to instinctive refusal. Through publications that describe early on what’s new and appropriate training that exercise on operating new equipment and the desired behaviors, employees understand what is changing – lowering their uncertainty and anxiety and thereby avoiding too much resistance.
    Significant changes cannot be implemented overnight. As a result, the old continues for a particular time while the new is developed and put in place. This requires the willingness of those involved to think in Two ways. For this reason, the active use of internal leverage points is inevitable. At the same time, the new becomes much more durable with the early involvement of those affected.
  • External leverage points
    When the corporate focus is on core competencies, it leads to aspects of the environment becoming more weighty – i.e., social, political, economic, environmental, legal, and technological influences. It is essential to know the external stakeholders and the environmental impacts. Since the external measures have a lower degree of effectiveness, it is vital to deal with these influences at an early stage.
    – Public relations is a significant parallel measure. That way, relatives and other stakeholders are reached with the support of public opinion to influence them indirectly – e.g., when families dislike the changes; local citizens’ groups organize resistance; government agencies enforce their rules hair-trigger.
    – Lobbying is an established way of exerting influence on politicians, business people, legislators, and, for example, environmental groups. To this end, companies join working groups to prepare studies and drafts. That way, the intentions of corporations are considered in the new regulations.
    – By researching and developing new technologies and standards, companies create opportunities for themselves to help shape the future. In change management, development participation promotes acceptance among those affected and ensures the long-term usability of the change.
    The influence on the environment is a time-consuming task that does not only begin when a change is imminent but long before and afterward as a continuous preoccupation with the environment. The individual changes then reuse the external leverage points as needed.
  • Mental leverage points
    The most challenging aspects are the employees’ beliefs. As long as they are in resistance, the changes cannot be reliably implemented. The reasons for this are understandable.
    – A significant blockage occurs when those affected do not know or understand the new. Therefore, it is crucial to enable employees to deal with it and, if necessary, to ask questions.
    – Once they know what is involved, skills need to be developed to master knowledgeably the new. This requires adequate training and practice.
    – Even though leaders often feel that employees need little say, it is still beneficial to pick up on their states. If they do not want to get involved with the new, it must be clarified why. Otherwise, the unwilling will infect the semi-willing with their aversion and thus burden the implementation.
    – Top leaders often cannot believe it, but it also happens that direct supervisors don’t allow employees to engage with the new or even participate in its development. This is usually because the current specifications have a higher priority, and this should not be jeopardized.
    The evaluation of the innovation lies in the eye of the beholder – especially those affected. However, they are the ones who have to accept the change.

Bottom line: Even if a change occurs all the time, it does not mean that we can master it properly. Furthermore, significant upheavals are unexpectedly more difficult. To get them done, you have to deal with the internal, external, and, above all, mental leverage points and apply them skillfully. Every change succeeds by using the right leverage points of change.