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Titanic – die ideale Metapher für falsche Gewissheit

Die Titanic verschwand am 15. April 1912 gegen 2:20 Uhr, nachdem sie etwa 300 Seemeilen südöstlich von Neufundland seitlich mit einem Eisberg kollidierte. Sie sank innerhalb von lediglich zwei Stunden und 40 Minuten. 1514 Menschen starben, weil das Schiff zu schnell durch gefährliches Wasser gefahren war und Plätze in den Rettungsbooten nur für die Hälfte der Passagiere und der Mannschaft verfügbar waren. Am Ende war dies die Folge der falschen Gewissheit der Verantwortlichen. Sie glaubten, dass die Titanic unsinkbar wäre.

Auch wir verlassen uns blind auf Arbeitshypothesen, die in einem bestimmten Kontext ermittelt und bisher nicht widerlegt wurden. Zusätzlich erzwingen enge Zeitrahmen schnelle Umsetzungen. Das Ergebnis ist eine falsche Gewissheit der Beteiligten, die zu aufwendigen Nacharbeiten oder sogar zum Scheitern eines Vorhabens führt. Die folgenden Punkte helfen dabei, falsche Gewissheit frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

  • Denken im Team
    Übergreifende Workshops mit unterschiedlichen Fachleuten, die hierarchieübergreifend Lösungen entwickeln, verkommen schnell zu Shows, in denen die Teilnehmer ihren Teil der Aufgabe vorstellen. Häufig fehlen die Zeit und die Bereitschaft, die Themen gemeinsam durchzudenken, obwohl die benötigten Vorgehensweisen leicht verfügbar sind: Brainstorming, morphologischer Kasten, Mindmapping oder so spezielle Ansätze wie FMEA (Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse). Die Beteiligten teilen damit miteinander ihren Erfahrungsschatz und stimulieren das Um-die-Ecke-Denken. Sie ergänzen sich gegenseitig beim Denken.
    Das Motto lautet: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
  • Grundsätzlich infrage stellen
    Wir entwickeln Neues auf Basis unserer Erfahrungen, Interessen und mentalen Modellen. Dabei übersehen wir, dass die abstrakten Festlegungen nicht immer zur Wirklichkeit passen. Die Mathematik sagt uns: 1+1=2. Wir gehen dabei davon aus, dass die erste Eins genauso klar ist wie die zweite. Das Pluszeichen unterstellt, dass man beide miteinander verknüpfen kann. Mit dem Gleichheitszeichen wird dann behauptet, dass die Zwei aus den Einsen entstehen kann. Das ist jedoch nur in der immateriellen Welt so – eine Eins ist gleich einer Eins; ein Kilogramm ist gleich einem Kilogramm. In der materiellen Welt sind allerdings keine zwei Dinge gleich – eine Person ist nicht wie die andere; eine Aufgabe ist stets anders. Aus diesem Grund sollten wir die Elemente der Diskussion kritisch hinterfragen. Das Gruppendenken stört offenes Infragestellen im Team. Aus diesem Grund sollte das Hinterfragen ein praktischer Arbeitsschritt sein. Die Fragen lauten: Worum geht es? Wie haben wir die Situation wahrgenommen? Sind die Umgebungsvariablen klar? Passen unsere gemachten Schlüsse zu unserer Aufgabe? Am Ende erhält man eine Auswahl von Möglichkeiten und die Sicherheit über den Tellerrand hinaus geschaut zu haben.
    Das Motto lautet: Wir wissen, dass wir nichts wissen.
  • Ergebnisse überschlafen
    Der Denkprozess ist nach dem Meeting noch nicht abgeschlossen. Zwar liegen Endergebnisse vor, aber einerseits hatten oft nicht alle Argumente die Chance gehört zu werden und andererseits verarbeiten wir die Inhalte im Anschluss unbewusst weiter. Noch befindet sich der Entwurf nicht in der Umsetzung. Das heißt, dass mit wenig Aufwand nachgebessert werden kann. Um diese Nachjustierung zu ermöglichen, sollten alle Beteiligten die Gelegenheit haben, den aktuellen Stand zu überschlafen und gegebenenfalls letzte Vorschläge nachliefern zu können. Im Schlaf verarbeiten wir die Informationen und Gefühle, die wir am Tag gesammelt haben und verschieben sie in unser Langzeit-Gedächtnis. Stellen wir uns dieses nächtliche Denken wie einen mentalen Check vor, der uns weitere Ideen und eine gefühlsmäßige Bewertung der Ergebnisse liefert. Alle zusätzlichen Verbesserungen erfolgen während der Einführung abhängig von den gefundenen Einflussfaktoren.
    Das Motto lautet: Eine Nacht darüber schlafen.

Fazit: Falsche Gewissheit ist der Feind eines gelungenen Vorhabens. Wir fühlen uns sicher, dass alles so abläuft, wie wir es uns vorstellen. Dabei ist es unsere Aufgabe sicherzustellen, dass wir auch unbeabsichtigte Konsequenzen berücksichtigen. Die Grundlage für unsere Arbeit bieten unsere Erfahrungen, Interessen und mentalen Modelle. Was wir nicht wissen, können wir nicht behandeln. Was ich jedoch nicht weiß, liefert wahrscheinlich ein anderes Teammitglied. Da sich die Teammitglieder gegenseitig ergänzen, erhalten wir umfassendere Lösungen. Zur Vermeidung von Denkfehlern, die sich beispielsweise aus dem Gruppendenken ergeben, ist ein Schritt erforderlich, der die Ergebnisse infrage stellt. Nach dieser kritischen Betrachtung überschlafen Sie die Ergebnisse. Die nächtliche Verarbeitung der Ergebnisse erzeugt neue Erkenntnisse und eine nachträgliche gefühlsmäßige Bewertung. Hätten die Verantwortlichen der Titanic ihre Arbeitshypothesen derart bearbeitet, wäre sie nicht so durch das Eisfeld gerast, hätte den Eisberg nicht gerammt und wäre nicht so schnell gesunken – oder hätte zumindest ausreichende Zahl von Rettungsbooten an Bord gehabt. Das macht die Titanic zu einer idealen Metapher für falsche Gewissheit.

P.S: Unsere Vorannahmen führen zu falscher Gewissheit. Wir müssen sie erkennen und überwinden.