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Von der Fähigkeit, Ressourcen einsetzen zu können

Es gab eine Zeit, da waren Mitarbeiter Rädchen in einer großen Maschine. Sie hatten einen festen Platz in dem Räderwerk Unternehmen, der ohne viel Vorbereitung eingenommen werden konnte. Mit der Zeit lernte man das Umfeld kennen, erweiterte sein Wissen, um schließlich in eine verantwortliche Position mit einem besseren Verständnis für das große Ganze aufzusteigen.
Mittlerweile haben sich diese Maschinen zu Organismen weiterentwickelt, die nicht mehr aus Rädern und Achsen bestehen, die starr an einer Stelle ihre Aufgabe erfüllen, sondern aus Einheiten, die sich fortwährend an sich ändernde Kundenwünsche, an beständiges, weltweites Kommen und Gehen von Wettbewerbern und neue Technologien (z. B. Digitalisierung und Automatisierung) anpassen.

In diesem Umfeld benötigen Führungskräfte neue Fähigkeiten. Sie sind nicht mehr Mechaniker, die die Mitarbeiter überwachen und nachjustieren. Zuckerbrot und Peitsche werden abgelöst durch Sinn und persönliche Perspektive – nicht mehr Entweder … oder, sondern Sowohl … als auch. Es ermöglicht den Mitarbeitern sich zu verwirklichen und gleichzeitig Mehrwert für das Unternehmen zu erzeugen. Schauen wir uns ein paar Veränderungen an.

  • Nicht Aufgaben abgeben, sondern zuordnen
    Bisher wurden Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung von den Führungskräften an die Mitarbeiter delegiert. Diese Übertragungen implizierten die Abgabe von etwas, das eine Führungskraft tut, hat oder erfüllen muss. Dies führte dazu, dass die Manager immer mehr von dem Gleichen, vor allem von dem, was sie kennen, eingestellt haben, was die Fähigkeiten der Gruppe nicht erweiterte.
    Es geht jedoch nicht mehr darum eine Schar von Gleichgesinnten mit identischen Fähigkeiten zusammenzubringen, sondern möglichst Know-how aufzubauen, das viele unterschiedliche Chancen eröffnet. Die alten Aufgaben der Führungskräfte lösen sich zugunsten der jetzt benötigten Unterstützung auf – harmonisieren statt isolieren; langfristig statt kurzfristig; situationsbezogen statt bürokratisch; dienen statt kontrollieren; offen statt ordentlich; effektiv statt effizient; zuversichtlich statt ängstlich; sichernd statt verunsichernd …
  • Nicht X, sondern Y
    Die zwei Menschenbilder von McGregor geistern seit Jahrzehnten durch die Unternehmen: Theorie X geht davon aus, dass Menschen von Natur aus faul sind und von außen motiviert werden müssen; Theorie Y nimmt an, dass Mitarbeiter aus sich heraus ehrgeizig und engagiert sind und sich selbst motivieren. Beide Theorien führen zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Bestätigt sich das jeweilige Menschenbild, dann verfestigt es sich und führt zu mehr von demselben. In der Theorie X bestätigen schlechte Leistungen das negative Menschenbild, was zu einer strengeren Steuerung führt. In der Theorie Y wird das positive Bild erhärtet, was zu immer mehr Freiräumen führt, die von den Mitarbeitern willig gefüllt werden.
    Die Anhänger der Theorie X werden weiterhin scheitern, da sie ihre Leute derart demotivieren, dass die Potenziale im Keim erstickt werden. Die Chefs der Theorie Y sind besser aufgestellt. Solange sie sich unter Kontrolle haben und jeglichen Impulsen einzugreifen widerstehen, nähert sich diese Gruppe kontinuierlich dem Machbaren an.
  • Nicht überfordern, sondern entscheiden
    Die geschäftlichen Notwendigkeiten entstehen losgelöst voneinander. Es gibt keine natürliche Reihenfolge oder sonstige Hinweise zur Priorisierung. Den Führungskräften bleibt nichts übrig, als die Aufgaben zu priorisieren und damit zu leben, dass manche nicht erfüllbar sind. Die einzige Hintertür ist der Einsatz von Leuten, denen zwar die entsprechenden Fähigkeiten fehlen, die aber gerade verfügbar sind. Die Folge sind Nacharbeiten und Konflikte, um die man sich trotz der unzureichenden Kapazitäten kümmern muss. Das erzeugt noch mehr überflüssige Aufgaben.
    Zur Fähigkeit Ressourcen richtig einzusetzen gehört das Geschick seine verfügbaren Ressourcen nicht zu überlasten, indem man zu viel Arbeitslast von vorneherein ablehnt und klar Nein sagt. Ziel ist es, nicht halblebige, sondern vereinbarte Ergebnisse abzuliefern.
  • Nicht mikromanagen, sondern loslassen
    Eine Schwierigkeit, die auch die Theorie X Manager zeigen, ist der innere Zwang mikromanagen zu müssen. Mikromanager verteilen Aufgaben, kontrollieren in kurzen Zeitintervallen den Fortschritt und korrigieren fortwährend die Aktivitäten der Mitarbeiter. Mit der entsprechenden IT-Vernetzung lassen sich heutzutage jederzeit die Fortschritte per E-Mail nachfragen oder sogar die halb fertigen Zwischenstände auf den gemeinsamen Laufwerken kontrollieren. Die Folgen sind lange E-Mails mit Korrekturwünschen. Damit unterminieren sie den Zeitplan der Mitarbeiter und beschneiden ihren Handlungsspielraum. Kurz- bis mittelfristig stellen die Mitarbeiter ihren Arbeitseifer ein und erfüllen nur noch die Anweisungen des Vorgesetzten. Die Verantwortung für das Ergebnis liegt jetzt nicht mehr beim Mitarbeiter, sondern beim Mikromanager.
    Dies ist sicherlich die gebräuchlichste Form von Unfähigkeit in der Führung. Dabei schadet die Führungskraft sich selbst, dem Kunden und dem Mitarbeiter.

Fazit: In VUCA-Zeiten bewegen sich der Markt, die Kunden und die Aufgabenstellungen schneller als sie mit althergebrachten Methoden gesteuert werden können. Neue Leader braucht das Land: Führungskräfte, die Menschen einstellen, die mehr können als sie selbst; Vertreter der Theorie Y, die ihren Mitarbeitern vertrauen; Chefs, die wissen, dass die Summe des Ganzen mehr ist als sie; vor allem aber, Führungskräfte, die NICHT mikromanagen. Die richtige Einstellung fördert den Ehrgeiz der Mitarbeiter und fordert selbstorganisierte Spitzenleistungen. Fähige Manager wissen, wie sie ihre Ressourcen einsetzen.

Die ewige Antwort

So wie das Wasser sich seinen Weg sucht und sich dabei manchmal fast im Kreis dreht, aber stets den Weg ins Tal findet, so befinden sich Betriebe auf der Suche nach der geeigneten organisatorischen Aufstellung, die den Spagat zwischen flacher und steiler Struktur leistet. Dabei setzen zwei Erkenntnisse einen klaren Rahmen. Einerseits beschreibt die Dunbarzahl die Anzahl Menschen, mit der jemand Kontakt halten kann – nämlich 150 bzw. zwischen 100 und 250. Übersteigt die Mitgliederanzahl diesen Wert, dann sollte die Gruppe aufgespalten werden, um das Funktionieren sicherzustellen. Andererseits die Millersche Zahl, die die Fähigkeit von Menschen bestimmt, 7plusminus2 Informationseinheiten (sogenannte Chunks) gleichzeitig verarbeiten zu können. Treten mehr als neun Chunks gleichzeitig auf, dann steigt automatisch das Risiko, etwas zu übersehen oder falsch zu machen. Damit ist der Rahmen für die ewige Antwort nach der Gestaltung einer Organisation gesetzt.

Auf der Basis der Dunbarzahl und der Millerschen Zahl sind maximal vier Ebenen1) bzw. eine maximale Leitungsspanne von neun2) möglich. Im Einzelfall bestimmt nicht die Berechenbarkeit die Struktur, aber es werden die Grenzen besser sichtbar. Zusätzlich wird die Leitungsspanne durch die folgenden Aspekte beeinflusst.

  • Die Fähigkeiten der Protagonisten
    Die Führungskräfte, die über ein angemessenes Verständnis ihrer Aufgaben, eine passende Werkzeugkiste sowie über ausreichende Empathie verfügen, meistern größere Leitungsspannen. Zusätzlich erleichtern sachverständige und tüchtige Mitarbeiter die Führung.
  • Die Komplexität der Aufgaben
    Einfache Aufgaben, die klar beschrieben sind, sich selten ändern, Routine ermöglichen und wenig Zusammenspiel mit Anderen erfordern, fördern größere Leitungsspannen. Steigende Interaktion mit anderen Bereichen sowie sich kontinuierlich verändernde Einflüsse und Anforderungen begrenzen die Leitungsspanne.
  • Die geografische Verteilung der Protagonisten
    Sitzen alle Beteiligten in einem Raum ist eine maximale Leitungsspanne möglich. Desto weiter die Mitglieder auseinander sind, z.B. weltweit verteilt zwischen Japan und der Westküste der USA, dann sinkt die Leitungsspanne aufgrund der schwierigeren Abstimmung bis auf ein Minimum.
  • Die verfügbare Governance
    Eine ausreichend umfassend beschriebene Governance ermöglicht größere Leistungsspannen. Es geht nicht darum ausführlich alles zu regeln, sondern die entscheidenden Aspekte so zu skizzieren, dass alle sich daran orientieren und ein gemeinsames Mindset entwickeln können – inkl. Prinzipien, Abstimmungswege, Grundsätze und klare Rollen (Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung).
  • Der überwiegende Führungsstil
    Das Selbstverständnis der Führungskräfte beinhaltet vor allem ihr Verständnis, wie das Zusammenspiel zwischen der Leitung und den Mitarbeitern zu erfolgen hat. Desto autoritärer der Führungsstil, desto kürzer wird die Leine, an der die Mitarbeiter geführt werden – was aufgrund der Leistungsgrenzen der Führungskräfte zu einer geringeren Leitungsspanne führt. Neue Ansätze bauen auf Selbstorganisation auf, d.h. die Steuerung, Koordination und Kontrolle übernehmen die Mitarbeiter – was eine größere Leitungsspanne und flachere Strukturen ermöglicht.

Fazit: Die ewige Antwort nach der Leistungsspanne ist nicht nur theoretisch klar – k+kn<=150; wobei k die Leistungsspanne ist und n die Anzahl von mindestens zwei hierarchischen Ebenen. In der Praxis hat sich die Leitungsspanne bei fünf bis neun eingependelt – Ausreißer, nach oben oder unten, bestätigen die Regel. Die Anzahl der Ebenen wird durch die Aufteilung in teilautonome Geschäftseinheiten entschärft, sobald eine bestimmte Mitgliederzahl (mehr oder weniger 150) überschritten wird, bilden sich neue Einheiten. Unternehmen, die sich außerhalb dieses Rahmens bewegen, sollten kritisch ihre Leistungsfähigkeit überprüfen – Wie schnell entscheiden wir? Wie agil sind wir? Welche Reibungsverluste erkennen wir? Welchen Beitrag leistet unsere Struktur? Die Maßnahmen, die sich daraus ableiten, umfassen organisatorische Anpassungen entsprechend der ewigen Antwort.

1) Unter Nutzung von vier Ebenen ist eine Leitungsspanne von drei möglich ( 3*3*3*3+3=84).
2) Zwei Ebenen und eine maximalen Leitungsspanne von 9 sind möglich (9*9+9=90).