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Das VSM bietet, was alle brauchen

Über sehr lange Zeit war die horizontale und vertikale Arbeitsteilung Grundlage für die Gliederung von wirtschaftlichen Unternehmungen. Die fehlende Verfügbarkeit und der langsame Fluss von Informationen erforderten viele Übergabepunkte, um die Absichten der Leitung zu verbreiten und Transparenz über das Geschäft zu erhalten. Gleichzeitig wurden die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung so gestaltet, dass die eigentlichen Erzeuger der Wertschöpfung auch ohne das Verständnis des großen Ganzen ihre Aufgaben erfüllen konnten. Mit der Einführung von Computern und deren Vernetzung können heute alle Beteiligten, wo und wann auch immer, die relevanten Informationen erreichen, ohne dass dadurch ein zusätzlicher Koordinationsaufwand erforderlich ist. Da die Unternehmen mit ihren Einsparungen am Ende der Sackgasse angekommen sind, suchen sie nach neuen Ansätzen, z.B. Holocracy, Plattformen, Agilität, vernetztes Unternehmen usw. Und das, obwohl es seit Langem einen Ansatz gibt, der ideal zu den heutigen Anforderungen passt – das VSM.

Das Viable System Modell (VSM) beschreibt den Aufbau einer lebensfähigen (viablen) Verteilung der Aufgaben. Stafford Beer hat dieses Modell bereits 1959 in seinem Buch Kybernetik und Management vorgestellt. Das VSM ist Bestandteil einer neuen Sichtweise, die sich unter dem Begriff Systemdenken seit Jahrzehnten im Schatten der klassischen Organisationstheorie entwickelt hat. In diesem Beitrag beginnen wir mit der Betrachtung Modells im Allgemeinen. Zukünftig werden verstärkt Blogbeiträge zu diesen Themen erscheinen.

  • System 1 – Wertschöpfung (S1)
    In diesem Bereich erbringen Teilsysteme die Leistungen. Die Erzeugnisse werden gefertigt bzw. die Services durchgeführt. Es besteht ein direkter Kontakt zur Umgebung (Environment), beispielsweise zu den Kunden, den Lieferanten und den Partnern. Hier finden die wertschöpfenden Aktivitäten statt. Jede dieser Einheiten ist für sich wieder ein VSM mit den entsprechenden Bestandteilen. In den neuen Ansätzen wären das die Sub-Kreise, die Produzenten, die agilen Teams oder die Pods.
  • System 2 – Harmonisierung (S2)
    Die Wertschöpfung findet in einem kleinen „Unternehmen“ (S1a) statt, das sich autonom und selbstorganisiert verhält. Damit die einzelnen Teilsysteme zusammenwirken, ist es notwendig sich abzustimmen bzgl. der Reichweite, der Funktionalität und den Schnittstellen. Der vage Austausch von Informationen der neuen Ansätze wird im VSM klarer verdeutlicht.
  • System 3 – Koordination (S3)
    Auch wenn das alltägliche Zusammenspiel im S2 harmonisiert wird, besteht weiterhin das Bedürfnis im Hier und Jetzt sich auf das große Ganze auszurichten. Zu diesem Zweck werden hier die einzusetzenden Mittel, die Verantwortlichkeiten und Entscheidungen getroffen sowie in den operativen Einheiten verbreitet. Neben S3 steht eine unabhängige Einheit (S3*) zur Verfügung, um Informationen zu sammeln, die möglichst unverfälscht den aktuellen Stand der Wertschöpfung abbilden. Die neuen Ansätze koordinieren beispielsweise mit Backlog Refinements und Daily Scrums, Interaktionsplattformen und Governance.
  • System 4 – Ausrichtung (S4)
    Das Unternehmen ist unentwegt in einer zu bestimmenden Richtung unterwegs. Beeinflusst wird diese Justierung durch die Möglichkeiten, die sich in der Umwelt eröffnen. Die Stoßrichtung des Unternehmens legt die Leitung fest auf der Basis von neuen technischen Lösungen, die in zukünftige Leistungen eingebaut werden sowie von Marktchancen, die entstehen. Die Erkenntnisse werden dann zu einer Strategie und der dazugehörigen Planung verarbeitet, die Einfluss auf alle Bereiche haben, inkl. Entwicklung der Mitarbeiter und Führungskräfte. In den neuen Ansätzen wird die Ausrichtung den handelnden Personen überlassen.
  • System 5 – Letzte Instanz (S5)
    Die Spannungsfelder zwischen der Gegenwart (S3) und der Zukunft (S4) sowie zwischen dem Unternehmen und der Umwelt können nicht in den Systemen 1 – 4 aufgelöst werden. Die höchste Instanz für derartige Dilemmas trifft die Entscheidungen, die verhindern, dass das Unternehmen aufgrund der verschiedenen, internen Interessen keinen Schaden nimmt. Die neuen Ansätze hingegen bauen dabei auf eine natürliche Auflösung von Auseinandersetzungen durch Transparenz und offenen Austausch der Positionen.

Fazit: Unternehmen kommen nicht umhin sich in einer Weise aufzustellen, um ihren Zweck zu erfüllen. Die arbeitsteilige Verteilung, die am Ende einen Handlanger hat, der einfache Tätigkeiten durchführt, löst sich auf. Diese immer gleichen Abläufe können heute von Maschinen und Robotern durchgeführt werden. Die Kaskade zur Verteilung von Informationen erübrigt sich ebenfalls durch die allgemeine Verfügbarkeit. Damit stellt sich mit der fortschreitenden Digitalisierung die Notwendigkeit, das eigene Unternehmen wieder neu aufzustellen. Das VSM bietet, was alle brauchen, da sich hiermit die Bündelung von Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung in einer Hand am Ort des Geschehens sowie die Agilisierung von schwerfälligen Unternehmen umsetzen lassen.

Der Dirigent gibt nicht nur den Takt vor

Die Berliner Philharmoniker bestehen aus über einhundertzwanzig Musikern, die von Sir Simon Rattle geführt werden. Verglichen mit Managern in der Wirtschaft ist das eine gewaltige Führungsspanne. Auch wenn man das Sinfonieorchester in 16 Instrumentengruppen mit den jeweiligen Konzertmeistern aufteilt, so führt der Dirigent immer noch jeden einzelnen Musiker durch die Proben und Konzerte. Spätestens, wenn wir an Igor Strawinsky denken, wird klar, dass der Dirigent mehr macht, als nur den Takt vorzugeben.

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Auch Führungskräfte sollten sich nicht nur auf den Takt beschränken. Die folgenden Aspekte spielen bei der Führung eine wichtige Rolle, unabhängig davon, welchen Führungsstil man ausübt.

  • Selbstmanagement
    Bevor Leadership beginnt, ist es die größte Aufgabe sich selbst zu steuern. Eine natürliche Befangenheit erschwert die neutrale Betrachtung der eigenen Befindlichkeiten und Handlungen. Erst die Beschäftigung mit den eigenen Rollen und den dazugehörigen Elementen, wie den Überzeugungen, den Fähigkeiten und den Handlungen, versetzen einen in die Lage Mitarbeiter zu fordern und zu fördern.
  • Konzeption
    Die Vorstellung, dass Führung eine von Inhalten losgelöste Aufgabe ist, passt nicht mehr in die heutige Zeit. Die Führungskraft muss sich auch um die Entwicklung von neuen Ansätzen kümmern. Die Stärke der Mitarbeiter wird bestimmt durch die Bedingungen, sowie den stimmigen Zielen und den klaren Beschreibungen der Aufgaben. Dafür ist es unerlässlich, dass die Führungskraft über eine mentale Karte der Inhalte des eigenen Fachgebiets verfügt.
  • Koordination
    Führung, die sich auf die Ausübung der gegebenen Macht reduziert, passt nicht mehr in die heutige Wirklichkeit des Geschäftslebens. Die eigentliche Steuerung von Organisationen erfolgt durch eine positive Harmonisierung der Interessen der Beteiligten. Neben den genutzten Mechanismen zur Koordination (z.B. Vereinbarungen, Ergebnisorientierung, Linking-Pin) entscheiden ein strukturiertes Changemanagement und ein schlankes System zur Steuerung (Governance) über Erfolg und Misserfolg der Initiativen. Koordination funktioniert am besten auf Augenhöhe.
  • Kommunikation
    Die Verbreitung und der wechselseitige Austausch von Informationen mithilfe des Nervensystems des Bereichs sind die Grundlage für ein lebensfähiges und flexibles Geschäft. Hier wird die wirkliche Kommunikationskultur erlebbar – wie schnell und präzise Informationen fließen und ausgeschöpft werden. Wissen, das Macht ist, gibt es in einer offenen Informationsgesellschaft nicht mehr, da die Mitarbeiter sich mehr Informationen beschaffen können, als ein Chef je zu seinem persönlichen Vorteil horten könnte.
  • Kooperation
    Maximale Wirkung erzielen die Führungskräfte durch die Gestaltung der internen und übergreifenden Zusammenarbeit. Sie wird vor allem dann ausschlaggebend, wenn der Einsatz von vielen Menschen benötigt wird, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Workshops sind der Rahmen, um integrierte Strategien und Geschäftsmodelle zu entwickeln sowie die Unternehmenskultur zu verbessern. Ohne die dafür erforderliche Infrastruktur (z.B. Sitzungsecken, Beamer, Whiteboards, Online-Foren, Videokonferenzen) fehlt der Arbeit der Brutraum.

Die weiteren Elemente der Führung, wie die Leistungsbeurteilung, die Mitarbeitergespräche, und die Stellenbeschreibung kommen noch hinzu. Die klassischen Führungsinstrumente geben den Takt vor. Wirksame Führung braucht jedoch mehr (s. o.).

Fazit: Die aktuelle Dynamik und Schnelllebigkeit erfordert mehr als den Einsatz der klassischen Instrumente der Führung. Das angemessene Selbstbewusstsein, gepaart mit einem Maß an konzeptioneller Vorstellungskraft, dem Einsatz der richtigen Mechanismen für die Koordination und eine vernünftige Offenheit in der Kommunikation bilden den perfekten Raum für das Geschäft. Entscheidend ist, dass der Dirigent nicht nur den Takt vorgibt.