Schlagwort-Archive: Bonsai

Bonsai – die ideale Metapher für im Keim ersticktes Engagement

Ein Bonsai ist der Oskar Matzerath der Bäume. Auch wenn Oskar sich im Alter von drei Jahren entscheidet, nicht mehr weiter zu wachsen, ist es ein Gärtner, der bei einem Bonsai das weitere Wachstum unterdrückt. Ähnlich einem Töpfer, der den weichen Ton in die gewünschte Form bringt, beschneidet der Gärtner die Wurzel, die Blätter und vor allem die Knospen. Zusätzlich zwingt er mithilfe eines Drahtes das Bäumchen in einer bestimmten Form zu wachsen. Mit der richtigen Pflege erfreuen manche Bonsais über tausend Jahre ihre jeweiligen Besitzer. Könnten diese Bäumchen reden, dann wüssten wir, ob sie diese intensive Pflege und das lange Leben lieben, oder ob das regelmäßige Beschneiden ihrer Knospen sie so unglücklich macht, wie die Mitarbeiter, deren persönlicher Einsatz von altmodischen Führungskräften beschnitten werden.

Da ein klein gehaltener Baum nie die Ausbeute eines großen erreicht, sollten die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, ihre Möglichkeiten einzubringen. Das geht jedoch nur, wenn die folgenden Aspekte nicht beschnitten werden.

  • Sinnhaftigkeit
    Bei der Betrachtung der Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit wir vergessen lieber die Werbebroschüren mit den immer gleichen, nichtssagenden Inhalten: z.B. eine Welt ohne xxx (was auch immer); ein Computer auf jedem Tisch; mit Freunden verbunden sein; ein besseres Leben. Die Arbeit muss zu den Werten der Mitarbeiter passen, damit sie sich selbst verwirklichen können. Das gilt auch für Führungskräfte, die jedoch Mitarbeiter brauchen, um ihre Absichten umgesetzt zu bekommen. Um dies zu erreichen, nutzen sie ihre formelle Macht und ignorieren die Interessen der Mitarbeiter, damit sie im Namen ihrer Vorgesetzten handeln – was die Mitarbeiter unausweichlich frustriert und ausbremst. Um mehr zu erreichen müssen die Vorgesetzten und die Mitarbeiter ihre Absichten in Einklang bringen. Wenn die Vorgesetzten dann noch die Fähigkeiten der Mitarbeiter kennen, sie in ihrem Bestreben bestärken und sie dort einsetzen, wo sie dem Unternehmen am meisten bringen, werden überraschende Ergebnisse möglich.
  • Gestaltungsspielraum
    Der erforderliche Freiraum, um sich zu entwickeln, ist vom einen zum anderen unterschiedlich. Ein Bonsai braucht nicht viel Platz, um sich zu einem beeindruckenden, wenn auch kleinen Baum zu entwickeln. Im Geschäftsleben geht es jedoch um Ertrag. Hierfür ist Platz erforderlich. Wenn die Mitarbeiter sich voll einbringen, dann leisten sie mehr, aber auch anderes als die Entscheider erwarten – manchmal erzeugen sie sogar Ergebnisse, die nicht gewünscht sind. Hier setzten dann die unternehmerischen Scheren an und beschneiden den Aktionsraum der Mitarbeiter. Dies gilt nicht nur für die Sachbearbeiter, sondern auch für das gesamte Mittelmanagement. In der Folge ist der verbleibende Freiraum so klein, dass niemand mehr motiviert ist. Damit ein agiles Arbeitsumfeld nicht künstlich klein gehalten wird, müssen die einzelnen Freiräume erhalten bleiben, auch wenn dadurch Doppelarbeit stattfindet, nicht immer nützliche Ergebnisse erzeugt werden und die Mitarbeiter möglicherweise keine Zeit haben für das, was der jeweilige Vorgesetzte wünscht.
  • Entwicklungsmöglichkeiten
    Das Dasein der Mitarbeitenden beschränkt sich auf die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit – früher das ganze Berufsleben, heute 18 Monate bis ein paar Jahre. Die Chance, ein Methusalem zu werden, ist sehr gering. Entsprechend sind die Entwicklungswege viel kürzer. Nicht die auf Durchhaltevermögen und Nachhaltigkeit basierende Entwicklung begründet Engagement, sondern der auf kurzfristige Ergebnisse ausgerichtete Einsatz. Das Motto für die heutigen Pyramidenkletterer heißt: Schnell eine Stufe rauf, schnell weg. Um diese opportunistische Fluktuation zu bremsen, wird die Entwicklung der Mitarbeitenden nicht gefördert bzw. sogar verhindert. Fehlen Aussichten auf persönliche Entwicklung, dann werden die Besten aus dem Betrieb hinausgedrängt. Es bleibt ihnen nichts übrig, als anderweitig nach günstigen Gelegenheiten zu suchen – der Fachbegriff für die Abwanderung der Fachkräfte ist Braindrain.
  • Unterstützung
    Die Verflachung der Strukturen durch holokratische, temporäre Teams entzieht den Führungskräften ihren Daseinszweck – die Führung der Mitarbeiter. Nachdem die Sachbearbeiter sich selbst führen, Entscheidungen Vor-Ort treffen und am Ende die Ergebnisse vorstellen und verantworten, bleibt den Vorgesetzten nur noch die Unterstützungsfunktion. Je größer ein Unternehmen, desto schwieriger sind die vielfältigen Interessen zu überblicken. Die Reaktion auf plötzlich entstehende Aufgaben fällt den aktiven Mitarbeitern schwer, da sie mit ihrer Aufmerksamkeit bei der jeweiligen Aufgabe sind. Die Führungskraft kann die Rolle übernehmen, bedrohliche, weitreichende Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen und die Mitarbeiter bei ihren Aufgaben zu unterstützen – z.B. Informationen und Zusammenhänge vermitteln; Kontakte herstellen; Ressourcen beschaffen. In diesem Setting erreicht nicht der Einzelne, sondern das Team die Ziellinie.

Fazit: In den Zeiten, in denen das Motto war, Wissen ist Macht, und noch keine IT die Informationen jedem, überall und zu jeder Zeit bringen konnte, hatten die steilen, arbeitsteiligen Hierarchien einen Sinn. Der Dschungel an Entscheidungswegen und Machtgefügen passt heute nicht mehr in die schnelllebige VUKA-Welt. Entsprechend funktioniert ein Zurechtschneiden der Mitarbeiter nicht mehr. Der Blick auf die Evolution zeigt, dass die Fauna und Flora sich mit viel Verschwendung und redundanter Entwicklung üppig und nachhaltig entwickelt hat. Erst die Eingriffe des Menschen stören das Gleichgewicht. Genauso ist Bonsaimanagement kontra-produktiv. Wirkung entsteht, wenn die Mitarbeiter sich voll entfalten können, indem sie für sich Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit finden, ausreichend Gestaltungsspielraum haben (manche mehr und manche weniger), sich entwickeln können und von den verbleibenden Führungskräften aktiv unterstützt werden. Aus Bonsais entsteht kein agiler und nachhaltiger Dschungel – verschiedene Bäume und Sträucher, die sich ihren Raum erobern und maximal ausnutzen. Der Bonsai zeigt die Nachteile der Beschneidung von Mitarbeitern und ist deshalb die ideale Metapher für im Keim ersticktes Engagement.

Bonsai – the ideal metaphor for nipped dedication in the bud

A bonsai is the Oskar Matzerath of trees. Even though Oskar decides at the age of three to stop growing, it is a bonsai gardener who suppresses further growth. Similar to a potter who shapes the soft clay into the desired form, the gardener trims the root, the leaves, and especially the buds. He also uses a wire to force the tree to grow into a specific shape. With the right care, bonsais delight their owners for over a thousand years. If these little trees could talk, we would know whether they love this intensive care and long life, or whether regular curtailing of their buds makes them as unhappy as the employees whose personal efforts are cut down by old-fashioned managers.

Since a tree kept small never reaches the yield of a large one, employees should be enabled to contribute their potential. However, this is only possible if the following aspects are not cut back.

  • Meaningfulness
    When considering the meaningfulness of an activity, we better forget the advertising brochures with the always same blank purport: e.g., a world without xxx (whatever); a computer on every table; being connected with friends; a better life. The job must match the values of the employees so that they can realize themselves. This is also true for managers, but they need employees to get their intentions implemented. To achieve this, they use their formal powers and ignore the interests of employees so that they act in the name of their superiors – which inevitably frustrates and slows down the employees. To achieve more, superiors and employees must align their intentions. When managers know what employees can do, encourage them in their efforts, and deploy them where they provide the most to the organization, surprising results are possible.
  • Creative leeway
    The necessary freedom to develop is varying from one to the other. A bonsai does not need much space to develop into an impressive, albeit small tree. In business, however, it is all about yield. It requires space. When employees get fully involved, they deliver more but also different things than the decision-makers expect – sometimes they create even results that are not desired. This is where the entrepreneurial scissors are applied and limit the employees’ scope for action. It is not only valid to the clerks, but also the entire middle management. As a result, the remaining breathing space is so small that nobody gets motivated. To ensure that an agile working environment is not kept artificially small, the individual freedoms must be preserved, even if this results in duplication of work, does not always produce useful results, and the employees may not have time for what the particular superior wants.
  • Development opportunities
    The existence of the employees is limited to the duration of their employment with the company – previously the whole of their working life, nowadays 18 months to a few years. The chance of becoming a Methuselah is exceedingly small. Accordingly, the development paths are much shorter. It is not the development based on perseverance and sustainability that creates commitment but instead focused on short-term results. The motto for today’s pyramid climbers is: quickly one step up, away rapidly. In order to slow this opportunistic fluctuation down, employee development is not fostered or even prevented. If there are no prospects for personal growth, the best people are pushed out of the company. They have no choice but to look elsewhere for favorable opportunities – the technical term is brain drain.
  • Support
    The flattening of structures with holacratic, temporary teams deprive managers of their raison d’être – the leading of employees. After the persons in charge lead themselves, make decisions on the spot, and eventually present and take responsibility for the results, for the superiors, nothing else remains than the support function. The larger a company, the more difficult it is to keep track of the diverse interests. It is hard for active employees to react to suddenly arising tasks because they are attentive to the task at hand. The manager can take on the role of clearing up threats, far-reaching difficulties, and supporting employees in their jobs – e.g., imparting information and connections; making contacts; procuring resources. In this setting not the individual but the team reaches the finish line.

Bottom line: In the times when the motto was, knowledge is power, and no IT could then deliver information to everyone, everywhere and at any time, the steep hierarchies based on the division of labor made sense. Today, the jungle of decision paths and power structures no longer fits into the fast-moving world of VUCA. Correspondingly, the cutting down of employees no longer works. A look at evolution shows that the fauna and flora have developed abundantly and sustainably with a lot of profligacy and redundant development. Only the interventions of man disturb the balance. In the same way, bonsai management is counterproductive. Effect emerges when employees can fully unfold while finding meaning in their work, having sufficient creative freedom (some more and others less), being able to develop and being actively supported by the remaining managers. Bonsais do not become an agile and sustainable jungle – various trees and bushes, which conquer their space and make maximum use of it. The bonsai shows the disadvantages of curtailing employees and is therefore the ideal metaphor for dedication nipped in the bud.