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Zeitenwenden transformieren Bedeutung

Der Blick in die Vergangenheit ist bequem, weil er rückblickend alles erklären kann. Wir hangeln uns entlang einer Lebensgeschichte und empfinden sie als schlüssig. Das macht vor allem Biografien so spannend. Der Blick hinter den Vorhang liefert Erklärungen und machen Handlungen nachvollziehbar. Wir bemerken nicht die Werdegänge derer, die gescheitert sind und sich in der Anonymität verloren haben. Das asthmatische Kind, das später sein Medizinstudium als Chirurg beendete, um als Revolutionär in Bolivien getötet zu werden, durchlief die Höhen und Tiefen des Lebens und wurde am Ende ins weltweite Gedächtnis eingebrannt. Ernesto durchlief die verschiedenen Phasen seines Lebens, ohne dass die Welt seine Auswirkungen am Anfang erkennen konnte. Das gleiche Schicksal teilen alle, an die wir uns heute noch erinnern: Jesus Christus, Publius Qunctilius Varus, Johannes Gutenberg, Leonardo da Vinci, Mao Zedong. Und wenn sie nicht schon gestorben wären, müssten sie heute mit dem von der Nachwelt geschaffenen Bild leben. Zeitenwenden transformieren Bedeutung.

Wir sehen ein mehr oder weniger korrekt beschriebenes Leben der Helden der Geschichte, das von der Bedeutungslosigkeit bis zur Berühmtheit reicht und im Nachhinein von der Geschichte bewertet wird. Hinter allen Beurteilungen steckt ein Mensch, dessen Bedeutung sich im Verlauf der Zeit verändert – abhängig vom Betrachter und seinem Wertesystem.

  • Vor der Geschichte
    Die Zeit, bevor ihre Geschichte beginnt, verläuft ähnlich – Kindergarten, Schule, Studium und/oder gleich Beruf. Jeder hat seinen eigenen Charakter, mal aktiver oder passiver, mal extra- oder introvertiert, mal unterdrückt oder unterdrückend. Später schaut die Nachwelt auf diese Zeit und legt das alltägliche Verhalten entsprechend der Bedeutung in der Geschichte aus – plötzlich wird Sturheit und wildes Toben zur frühen revolutionären Gesinnung. Rückblickend übernehmen sogar die Personen, die es besser wissen, diese Auslegung.
  • Unsichtbare Entwicklung
    Irgendwann führt eine Weggabelung dazu, dass man seine Berufung findet und ihr folgt. Manche erleben Ungerechtigkeiten und entwickeln eine Änderung ihrer Weltsicht mit neuen Werten und Feindbildern. Noch findet alles im Verborgenen statt. Die vorgefundenen Herausforderungen werden im Inneren und in den üblichen Diskussionen ausgefochten. Nicht mehr oder weniger, wie es alle durchmachen. Die Möglichkeiten zu Handeln sind so beschränkt, dass man im Kleinen agiert und bewusst noch nicht hervorsticht. Aus der Zukunft heraus betrachtet wird aus dieser Festigung des eigenen Wertesystems die Reifezeit des zukünftigen Revolutionärs. Noch ist nichts passiert.
  • Leidenschaftlich in die Tat umsetzen
    Führt der Zufall einen in das entsprechende Umfeld oder macht einen auf etwas aufmerksam, für das es wert ist zu kämpfen – jetzt geht es los. Es beginnt die Geschichte. Die ersten Gehversuche und die ersten Aktionen werden einer Öffentlichkeit bekannt. Allerdings entwickeln die Aktivisten erst mit der Zeit ein Bewusstsein für die Aufmerksamkeit, da sie mit ihren Aktionen so ausgelastet sind, dass sie keinen Gedanken an die Geschichte verschwenden, bis sie den Tipping-Point erreichen. Das öffentliche Bewusstsein entwickelt sich immer schneller. Jetzt sollte es gestaltet werden. Von außen bemerken wir die sich entwickelnde Propaganda nicht. Dabei geht der Mensch hinter den Verlautbarungen verloren, da wir unbearbeitetes Privates nicht erfahren. Jetzt bewertet die Öffentlichkeit den Protagonisten nach historischen Kriterien – für die Einen als Politiker und für die Anderen als Guerillero.
  • Für immer Geschichte
    Sobald das Leben vorüber und eine bestimmte Zeit vergangen ist, verklärt sich das Bild und es bestimmen die öffentlichen Interessen, wie die Person zu bewerten ist – für die Gegner ein Verbrecher und für die Anhänger ein Märtyrer. Dabei handelt es sich weiter um denselben Menschen, der sein Leben gelebt hat und jetzt keine Kontrolle mehr über das hat, was folgt. Das Image dreht sich entsprechend der Wertesysteme und der politischen Großwetterlage. In manchen Fällen bemühen sich die Nachgeborenen sämtliche Spuren des Protagonisten verschwinden zu lassen – bei den Ägyptern wurden die Inschriften entfernt und Stalin lies die entsprechenden Personen aus Fotos herausretouchieren. In anderen Fällen werden die Protagonisten zu Helden, die alles für die große Sache getan haben. Zeitenwenden verändern den Blick auf die Geschichte.

Fazit: Der Mensch ist ein Mensch, ist ein Mensch, … Das gilt auch für die, die den Lauf der Geschichte wesentlich beeinflusst haben. Am Ende verlieren sie die Kontrolle über Ihr historisches Schicksal. In einem Moment ein Attentäter und im nächsten ein Freiheitsheld, der sich für die Sache geopfert hat. Und wenn sich die Zeiten weiter ändern, werden die Helden wieder vom Sockel gestürzt, denn Zeitenwenden transformieren die Bedeutung – immer wieder.

42 – Der Glaube an die EINE Lösung

Irgendwie scheint die Suche nach der Weltformel, die Theorie von Allem, das westliche Denken zu durchdringen. Während bei den griechischen Philosophen sich alles um das Atom drehte, fordert heutzutage die Quantenphysik unseren gesunden Menschenverstand heraus. Dabei hatte Deep Thought die Frage nach dem Leben, dem Universum und Allem nach 7,5 Millionen Jahren mit „zweiundvierzig“ beantwortet. Die Antwort scheint bedeutungslos zu sein, weil die Lebewesen, die sie beauftragt haben, nie wirklich wussten, was die Frage war.* Dabei hätte ihnen klar sein können, dass ‚worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen‘.**

In unserem Alltag lassen wir uns immer wieder von dieser kindlichen Hoffnung auf die EINE Lösung durch die folgenden Aspekte treiben.

  • Das Richtige
    Viele Konflikte entstehen dadurch, dass Leute sich nicht darauf einigen können, was zu tun ist – Was wollen die Kunden? Wohin entwickelt sich der Markt? Welche Strategie ist angemessen? Wie sieht das Angebotssortiment aus? Auch wenn viele Parameter betrachtet werden, führt das überraschenderweise nicht dazu, dass sich das Ideale herauskristallisiert. Im Gegenteil! Das Ergebnis wird diffuser – vielleicht weil es d a s Richtige gar nicht gibt. Im Extremfall gilt der Hinweis des weißen Hasen: Wenn du nicht weißt, wohin du gehst, wird dich jeder Weg dorthin bringen.***
    Da es keine Quelle gibt, die einem den Weg weist, bleibt einem nichts anderes übrig, als das Richtige selbst zu gestalten und einzuführen.
  • Richtig tun
    Häufig entsteht auch Streit darüber, wie man seine Absichten umsetzt – Welche Methode soll genutzt werden? Welche Ergebnisse sind erforderlich? Wie beschleunigt man den Ablauf? Wo kann man noch etwas einsparen? Das erzeugt immer mehr Beschränkungen, die eine unzureichende Grundlage für die Lösung bilden. Hemmnisse auf der einen Seite unterminieren gute Lösungen auf der anderen. Am Ende verhindern die Sparfüchse eine lebensfähige Lösung – und erzeugen viel größere Verluste, als sie je eingespart hätten.
    Damit etwas richtig getan ist, muss es mit dem gewünschten Ergebnis erfüllt werden. Dies machen die Personen, die an der Lösung erzeugen – und sie brauchen die erforderlichen Ressourcen, auch wenn sie manchmal das übersteigen, was ursprünglich vorgegeben wurde.
  • Beste Lösung
    Angestrebt wird immer das Beste – Das Kurzfristigste? Das Zuverlässigste? Das Herstellbarste? Das Billigste? Das Wartbarste? Das Schönste? Das Handhabbarste? Damit es die beste Lösung ergibt, wünschen sich viele, dass am Ende alle Kriterien erfüllt sind – obwohl Schnelligkeit zulasten der Zuverlässigkeit oder des Preises geht; oder Wartbarkeit verschlingt die Schönheit oder die Handhabbarkeit; und so weiter. Das Beste klingt sehr nach „42“ – es liegt im Auge des Betrachters, was damit gemeint ist.
    Das gemeinsame Verständnis der eigenen Qualität ermöglicht das Markenimage, dass die Kunden mit den Erzeugnissen und Services verbinden. Zumindest sollte klar definiert sein, ob man die Produkt- oder die Prozessführerschaft oder Kundennähe anstrebt.
  • EINE Bedeutung
    Der erste Schritt zu einer Theorie von Allem ist das Verständnis, dass ein Begriff beliebig ausgelegt werden kann. Ohne die Erarbeitung des gemeinsamen Verständnisses der Anforderungen, werden die Beteiligten es nicht hinbekommen, die Erwartungen zu erfüllen – z. B. Kunden aktiv einzubinden; Offenheit; Zusammenarbeit; Anpassungsfähigkeit; intrinsische Motivation. Wenn die Hierarchieebenen bestehen bleiben, werden die Anstrengungen nicht zusammenpassen.
    Worthülsen alleine reichen nicht aus, um ein gemeinsames Verständnis zu vermitteln. Man muss sich darum kümmern, dass der Spielraum für die Auslegung, durch entsprechende Erläuterungen und das praktisch vorgelebte Beispiel, möglichst klein bleibt.

Fazit: Es ist schwer zu verstehen, wie ahnungslos das Management ist, wenn es um die Tatsache geht, dass ihre Botschaften nichts weiter sind als ein einfaches „42“, und danach überrascht sind, dass ihre Absichten nicht Wirklichkeit werden. Der Glaube an die EINE Lösung verhindert das wirkungsvollere Ergebnis, das durch die Zusammenarbeit der Vielen möglich wäre. Ein erster Schritt ist es zu verstehen, dass das Richtige richtig zu tun, die beste Lösung und die  EINE Bedeutung eine Illusion ist. Die Rahmenbedingungen verschieben sich. Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Massenlösungen funktionieren nur noch in der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Und die haben alle ihre eigene Vorstellung von „42“. Soll das Unternehmen weiterhin bestehen bleiben, gelingt das nur, wenn man sich von dem Glauben an EINE Lösung löst und und indem alle Ressourcen gebündelt werden, damit sie gemeinsam bestimmen, was „42“ ist.

*) Douglas Adams: Per Anhalter durch die Galaxis

**) Ludwig Wittgenstein Tractatus logico-philosophicus 7

***) Lewis Carroll: Alice im Wunderland