Archiv der Kategorie: Geschäftsmodellierung

Geschäftsmodellierung umfasst Themen wie Geschäftsidee, Geschäftskonzept.

Das drohende Ende der unabhängigen Logistikpartner

Durch Corona ist die Abhängigkeit der Wirtschaft von unterbrechungsfreien Lieferketten ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Auf dem jetzigen Stand der Globalisierung kommen Leistungen dorther, wo sie am günstigsten sind. Die Herstellung und der Vertrieb erfordern komplexe Lieferwege – für Rohstoffe, Komponenten, Endprodukte und sogar Dienstleistungen. Wie bei allen Netzwerken ist dabei die „Letzte Meile“ der schwierigste Teil, der gerne an externe Logistikpartner wie DHL, Hermes, UPS, DPD, GLS, Fedex/TNT und gegebenenfalls Kleinunternehmen vergeben wird. Vor allem B2C hängt von den Liefernetzen ab, an buchstäblich jeden Haushalt.

Im Jahr 2020 erhielt jeder Hausstand in Deutschland im Schnitt 63 Sendungen. Dies bedeutet mehr als eine Lieferung pro Woche. Jede einzelne Sendung muss auf den „Letzten Metern“ von einem Logistikpartner händisch mehr oder weniger weit getragen werden. Die Lieferer arbeiten mit eigenen Hubs, von wo aus sie mit ihren Fahrzeugen innerhalb des Tages zu den Adressaten fahren. Immer häufiger lassen Fahrer aufwendige Stationen aus. Kann es so weitergehen?

  • Zu viele
    Die Verteilung der Sendungen auf mehrere Logistikpartner ist für die Versender und die Empfänger unpraktisch. Jede Firma hat eigene Ansätze, um die Fahrer, Fahrzeuge, Abläufe und Annahmestellen bestmöglich zu steuern. In der Folge beliefern viele Fahrzeuge einen Kunden im Verlauf des Tages. Jeder Fahrer hat seinen eigenen Weg, um die Pakete zu hinterlassen und die Abnahme zu dokumentieren – die Fahrer schrecken dabei auch nicht davor zurück, im Namen des Kunden zu unterschreiben oder ihre Systeme mit falschen Statusmeldungen zu befüllen. Zwar schafft die Digitalisierung zeitnahe Transparenz, aber die missbräuchliche Nutzung durch die Fahrer zerstört diesen Vorteil (Beispielnachricht: Leider wurde die Annahme Ihres Pakets verweigert. Daher geht Ihr Paket an den Versender zurück.).
  • Automatisierte Kontaktlosigkeit
    Die schnellste Behebung eines Problems ist die kurzfristige Kontaktaufnahme mit dem Lieferer durch die Adressaten. Die Annahme, dass die Empfänger mit einem Klick den Lieferer kontaktieren können, ist eine der urbanen Legenden des Internetzeitalters. Zwar bieten Anbieter Onlineformulare und gut versteckt eine Telefonnummer, die den Kontakt ermöglichen sollen. Alles, was der Kunde erhält, ist postwendend eine wohlformulierte Standardnachricht, die den Erhalt bestätigen soll. Allerdings handelt es sich um eine automatisierte Rückmeldung, ganz ohne menschliche Beteiligung. In welchem Spam-Ordner die Anfragen dann verschwinden, lässt sich nicht nachvollziehen. Ein Anruf bringt einen auch nicht weiter. Moderne Telefonanlagen liefern langatmige verbale Menüs, die beantwortet werden müssen, nur um schließlich in der Warteschleife zu landen, bis ein Mitarbeiter abhebt und sofort wieder auflegt. Das Ganze geht jetzt von vorne los. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang DPD, die alle paar Minuten die anstehenden Wartezeiten durchgeben – am Anfang 5 Minuten, dann 14 Minuten, dann 1 Minute, dann 11 Minuten usw. Das Ende vom Lied ist die Tatsache, dass die installierten Touchpoints keine Kontaktstellen mehr sind, sondern Mauern, um den Kunden fernzuhalten.
  • Unpassende Infrastruktur
    Es ist unbestritten ein Vorteil für die Konsumgesellschaft, dass Menschen Waren bequem vom Sofa aus bestellen und prinzipiell an der Haustür entgegen nehmen können. Mit EINEM Logistikpartner wäre das wesentlich nachhaltiger – weniger Termine, weniger Staus, weniger Unterschiede, zuverlässigere Lieferung. Solange die Empfänger auf dem Land wohnen und ausreichend Parkmöglichkeiten vor dem Haus haben, dürfte das Halten unkritisch sein – solange überhaupt bis in die letzte unwirtschaftliche Ecke geliefert wird. Da in Innenstädten der Fahrer beim Halten auf Fahrradwegen oder in zweiter Parkreihe jetzt konsequent bestraft wird, erhöhen sich die Risiken und die Laufwege dramatisch. Noch schlimmer ist es in verkehrsberuhigten Zentren. Da die Fahrer sehr viele Pakete in kürzester Zeit verteilen müssen, um auf ihren Stundenlohn zu kommen, kann es schnell passieren, dass die Fahrer schwierige Anschriften einfach nicht beliefern, da ihr Schnitt dadurch gefährdet ist. Die Hemmschwelle der Fahrer ist bereits so niedrig, dass sie in schwierigen Fällen entscheiden, nicht zu liefern – „Ich habe keine Zeit, dorthin zu liefern.“
  • Prekäre Beschäftigung
    Den Lieferern bleiben wenig Stellknöpfe, um Geld zu sparen – einmal bei den Gehältern und dann bei den Fahrzeugen. Fest angestellte Mitarbeiter mit einem vernünftigen Mindestlohn sind dabei der teuerste Weg für ein Liefernetz. Die Spanne der Gehälter reicht von 22% mehr als der Durchschnitt bzw. bis zu 10% weniger (was erklärt, warum manche Pakete nicht zuverlässig ankommen). Die günstigste Möglichkeit für die Paket-, Express- und Kurierdienste sind selbstständige Kleinunternehmer. Hierbei profitieren die Lieferunternehmen von der Selbstausbeutung der Einzelunternehmer. In der Folge zerstören die schwarzen Schafe der Fahrer am Touchpoint zum Kunden die Reputation der Lieferfirma. Bei der aktuellen Vergütung ist es nachvollziehbar, dass die Fahrer sich schadlos halten. Die versendeten Firmen unterstützen diese Verhältnisse, indem sie den billigsten Lieferern den Auftrag erteilen.

Fazit: Die schöne neue Welt des Onlinehandels lebt vom Glamour der Webseiten. Eine einfache Navigation und IMMER die besten Preise regen die Kunden zum Kauf an. Das Rückgrat des Ganzen ist jedoch nicht die Onlinepräsentation, sondern die zuverlässige Lieferkette. Durch die vielen unterschiedlichen Dienstleister, die Abschottung durch automatisierte Kontaktpunkte, der schwierigen Lieferinfrastruktur und den prekär Beschäftigten ist dieses Geschäftsmodell gefährdet. Das Pendel des Onlinehandels erreicht irgendwann seinen maximalen Ausschlag. Wenn das Pendel zurückschwingt, werden die lokalen Geschäfte die Kunden für lukrative Güter wieder zurückerobern. Zwischenzeitlich werden die großen Unternehmen dem Beispiel Amazon folgen und ein eigenes internes Liefermanagement etablieren, wodurch die Fahrer ein verpflichteter Teil des Unternehmens werden. Unternehmen wie DPD werden mittelfristig verschwinden. Den wichtigsten Beitrag zu dem drohenden Ende der unabhängigen Logistikpartner leisten die schwarzen Schafe der Fahrer, die sich selbst optimieren und nicht im Interesse ihres Unternehmens handeln.

Das Wichtigste zuerst

Wenn das Geschäft nicht wie gewünscht läuft, fangen Sie an, nach Gründen zu suchen – z.B. mit einer Recherche im Internet. Unter dem Suchbegriff ich suche Kunden liefert Google eine halbe Milliarde Links bzgl. Marketing (z.B. Kundengewinnung, neue Kunden, mögliche Abnehmer, Leads, Kundendatenbank, Digitales Marketing, usw). Dies führt zu Aufgaben, die einen völlig vereinnahmen. Das beginnt bei der Webseite, geht über die Erzeugung und Admin von Inhalten, der der geschickten Wahl von Schlüsselworten, der regelmäßigen Versorgung von sozialen Medien bis hin zur Ausrichtung auf Suchmaschinen (SEO). Ob in der Folge Ihr Geschäft besser läuft, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Die einzigen Nutznießer ist das SEO-Biz.

Der Business Model Canvas liefert Anregungen bzgl. Kundensegmenten, Nutzenversprechen, Kanälen, Beziehungen, Einnahmequellen, Aktivitäten, Ressourcen, Partnern und der Verteilung der Aufwände. Um die fehlenden Aspekte zu gewichten und die wirksamen Hebelpunkte zu entdecken, ordnen Sie diese Bausteine der Maslow-Pyramide zu. In diesem Post finden Sie ein paar Beispiele. Im Anschluss ergibt sich daraus, was zu tun ist – von unten nach oben.

  • Grundbedürfnisse
    Zum Erhalt der Viabilität braucht Ihr Geschäft ausreichende Mittel, die aufbereiteten Zielgruppen, zugkräftige Nutzenversprechen und machbare Maßnahmen. Ohne diese Bestandteile sind Sie nicht lieferfähig. Das Sortiment sollte für die Kunden verständlich sein, die erforderlichen Mittel zu Erstellung bereitstehen und Sie müssen wissen, was Sie zu tun haben.
    Solange diese Bausteine nur angedacht sind, muss man vor allem diese Grundlagen vorbereiten – einen ausreichend bemessenen Ofen für die angestrebten Stückzahlen; die richtige Anzahl Bäcker; Geld für die Beschaffung der Zutaten; eine ansprechende Palette an Backwaren; zu guter Letzt sollten Sie die entsprechenden Tätigkeiten beherrschen (z.B. Einkauf, Teigvorbereitung, Backen und Verkauf).
  • Sicherheitsbedürfnisse
    Zur Sicherung des Geschäfts sind verständliche Regeln und Schutzmaßnahmen für die Beteiligten nötig. Die Mitarbeitenden, Partner, Lieferanten und Kunden müssen Ihnen vertrauen können. Dafür reicht es nicht, Vertrauen einzufordern, sondern Sie müssen es sich durch entsprechende Handlungen verdienen. Zusätzlich sollten die Infrastruktur und die zu liefernden Ergebnisse reibungslos zusammenwirken – die Backstube und der Verkaufsraum erfüllen die Anforderungen; die Backwaren sind bekömmlich, wenn nicht sogar gesund; das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt; der Umsatz sichert das Überleben. Ohne die Ausgestaltung der darunterliegenden Ebene ist diese Schicht nicht möglich.
  • Soziale Bedürfnisse
    Diese Ebene kümmert sich um die Beteiligten und deren Zusammenspiel. Wie werden die externen Ressourcen eingebunden? Wie erfolgt die Zusammenarbeit (hoffentlich mit Win-Win)? Wie binden Sie die Mitarbeiter ein? Auch wenn die Kundensegmente bereits vorliegen, betrachten Sie die Kundenbeziehungen und setzen die Marketingmaßnahmen auf. Wer sind die Kunden und was wünschen Sie sich? Über welche Medien erreichen Sie die Abnehmer? Was kann ich ihnen anbieten? Zusätzlich findet sich auf dieser Ebene die Aufbau- und Ablauforganisation – die Organisation und die Abläufe des Einkaufs, der Herstellung und des Verkaufs; Verträge mit Lieferanten und Partnern; die Webseite, Plakate und Flyer sowie die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Die Befriedigung der sozialen Bedürfnisse stellt sicher, dass das Zusammenspiel reibungslos abläuft.
  • Individualbedürfnisse
    Nachdem der Betrieb steht, richten Sie sich an den Wünschen der einzelnen Personen aus. Es geht darum, das persönliche Wohlbefinden zu steigern durch gemeinsame Beschlussfassung, dem respektvollen Umgang untereinander und einem stressfreien Arbeitsklima. Dazu gehören die Werte und deren praktische Umsetzung, auf die die Beteiligten stolz sind. Die Bäckerei von heute kümmert sich um alle Bereiche – z.B. natürliche Herstellung, gesunde Zutaten, Kreislaufwirtschaft und Schulungen für die Mitarbeitenden. Die Bedürfnisse der einzelnen werden berücksichtigt, erzeugen Commitment und die zuverlässige Mitarbeit aller – was am Ende die Kundenzufriedenheit fördert.
  • Selbstverwirklichung
    Die oberste Ebene der Maslowschen Pyramide ist erreicht, wenn es möglich wird, die Lebensziele der Beteiligten zu unterstützen. In diesem Fall fördert die Firma das Wachstum der Einzelnen – durch die Unterstützung bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihrer Projekte außerhalb des eigentlichen Betriebszwecks – z.B. bei sportlichen, künstlerischen und sozialen Passionen. Das kann in unserem Fall weit über die Grenzen des Backhandwerks hinausgehen – z.B. die Unterstützung von Hobbys, Vereinstätigkeiten oder sozialem Engagement. Zufriedene Mitarbeitende bringen sich pro-aktiver ein. Es nutzt sogar dem Geschäft, wenn die Kreativität von Mitarbeitenden neue Angebote ermöglichen.

Fazit: Der Blick auf die Maslowsche-Pyramide sortiert die Bausteine des Geschäftsmodells nach ihrer Wichtigkeit. Um das Geschäft zu beleben, arbeitet man sich von unten nach oben. Solange etwas auf einer niedrigeren Schicht fehlt, sollte das zuerst erledigt werden. Die darüberliegenden Ebenen brauchen diese als Grundlage. Wie zu Beginn gesagt, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Marketing zu früh angegangen wird, da wichtige Bausteine noch fehlen. Andererseits vermitteln Werbeanstrengungen das Gefühl, sich um die Konsumenten zu bemühen. Aber für die Kunden sind vor allem die Angebote und alles, was dazu gehört, von Bedeutung. Das Schaufenster mit seinen Auslagen ist nichts, solange es keine Waren gibt. Damit ist klar, dass die unteren Ebenen am wichtigsten sind – vor allem ausreichende Ressourcen, die Verfügbarkeit von Kunden, ein zugkräftiges Nutzenversprechen und die vorhandenen Fähigkeiten für die erforderlichen Aktivitäten.