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Das Wichtigste zuerst

Wenn das Geschäft nicht wie gewünscht läuft, fangen Sie an, nach Gründen zu suchen – z.B. mit einer Recherche im Internet. Unter dem Suchbegriff ich suche Kunden liefert Google eine halbe Milliarde Links bzgl. Marketing (z.B. Kundengewinnung, neue Kunden, mögliche Abnehmer, Leads, Kundendatenbank, Digitales Marketing, usw). Dies führt zu Aufgaben, die einen völlig vereinnahmen. Das beginnt bei der Webseite, geht über die Erzeugung und Admin von Inhalten, der der geschickten Wahl von Schlüsselworten, der regelmäßigen Versorgung von sozialen Medien bis hin zur Ausrichtung auf Suchmaschinen (SEO). Ob in der Folge Ihr Geschäft besser läuft, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Die einzigen Nutznießer ist das SEO-Biz.

Der Business Model Canvas liefert Anregungen bzgl. Kundensegmenten, Nutzenversprechen, Kanälen, Beziehungen, Einnahmequellen, Aktivitäten, Ressourcen, Partnern und der Verteilung der Aufwände. Um die fehlenden Aspekte zu gewichten und die wirksamen Hebelpunkte zu entdecken, ordnen Sie diese Bausteine der Maslow-Pyramide zu. In diesem Post finden Sie ein paar Beispiele. Im Anschluss ergibt sich daraus, was zu tun ist – von unten nach oben.

  • Grundbedürfnisse
    Zum Erhalt der Viabilität braucht Ihr Geschäft ausreichende Mittel, die aufbereiteten Zielgruppen, zugkräftige Nutzenversprechen und machbare Maßnahmen. Ohne diese Bestandteile sind Sie nicht lieferfähig. Das Sortiment sollte für die Kunden verständlich sein, die erforderlichen Mittel zu Erstellung bereitstehen und Sie müssen wissen, was Sie zu tun haben.
    Solange diese Bausteine nur angedacht sind, muss man vor allem diese Grundlagen vorbereiten – einen ausreichend bemessenen Ofen für die angestrebten Stückzahlen; die richtige Anzahl Bäcker; Geld für die Beschaffung der Zutaten; eine ansprechende Palette an Backwaren; zu guter Letzt sollten Sie die entsprechenden Tätigkeiten beherrschen (z.B. Einkauf, Teigvorbereitung, Backen und Verkauf).
  • Sicherheitsbedürfnisse
    Zur Sicherung des Geschäfts sind verständliche Regeln und Schutzmaßnahmen für die Beteiligten nötig. Die Mitarbeitenden, Partner, Lieferanten und Kunden müssen Ihnen vertrauen können. Dafür reicht es nicht, Vertrauen einzufordern, sondern Sie müssen es sich durch entsprechende Handlungen verdienen. Zusätzlich sollten die Infrastruktur und die zu liefernden Ergebnisse reibungslos zusammenwirken – die Backstube und der Verkaufsraum erfüllen die Anforderungen; die Backwaren sind bekömmlich, wenn nicht sogar gesund; das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt; der Umsatz sichert das Überleben. Ohne die Ausgestaltung der darunterliegenden Ebene ist diese Schicht nicht möglich.
  • Soziale Bedürfnisse
    Diese Ebene kümmert sich um die Beteiligten und deren Zusammenspiel. Wie werden die externen Ressourcen eingebunden? Wie erfolgt die Zusammenarbeit (hoffentlich mit Win-Win)? Wie binden Sie die Mitarbeiter ein? Auch wenn die Kundensegmente bereits vorliegen, betrachten Sie die Kundenbeziehungen und setzen die Marketingmaßnahmen auf. Wer sind die Kunden und was wünschen Sie sich? Über welche Medien erreichen Sie die Abnehmer? Was kann ich ihnen anbieten? Zusätzlich findet sich auf dieser Ebene die Aufbau- und Ablauforganisation – die Organisation und die Abläufe des Einkaufs, der Herstellung und des Verkaufs; Verträge mit Lieferanten und Partnern; die Webseite, Plakate und Flyer sowie die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Die Befriedigung der sozialen Bedürfnisse stellt sicher, dass das Zusammenspiel reibungslos abläuft.
  • Individualbedürfnisse
    Nachdem der Betrieb steht, richten Sie sich an den Wünschen der einzelnen Personen aus. Es geht darum, das persönliche Wohlbefinden zu steigern durch gemeinsame Beschlussfassung, dem respektvollen Umgang untereinander und einem stressfreien Arbeitsklima. Dazu gehören die Werte und deren praktische Umsetzung, auf die die Beteiligten stolz sind. Die Bäckerei von heute kümmert sich um alle Bereiche – z.B. natürliche Herstellung, gesunde Zutaten, Kreislaufwirtschaft und Schulungen für die Mitarbeitenden. Die Bedürfnisse der einzelnen werden berücksichtigt, erzeugen Commitment und die zuverlässige Mitarbeit aller – was am Ende die Kundenzufriedenheit fördert.
  • Selbstverwirklichung
    Die oberste Ebene der Maslowschen Pyramide ist erreicht, wenn es möglich wird, die Lebensziele der Beteiligten zu unterstützen. In diesem Fall fördert die Firma das Wachstum der Einzelnen – durch die Unterstützung bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihrer Projekte außerhalb des eigentlichen Betriebszwecks – z.B. bei sportlichen, künstlerischen und sozialen Passionen. Das kann in unserem Fall weit über die Grenzen des Backhandwerks hinausgehen – z.B. die Unterstützung von Hobbys, Vereinstätigkeiten oder sozialem Engagement. Zufriedene Mitarbeitende bringen sich pro-aktiver ein. Es nutzt sogar dem Geschäft, wenn die Kreativität von Mitarbeitenden neue Angebote ermöglichen.

Fazit: Der Blick auf die Maslowsche-Pyramide sortiert die Bausteine des Geschäftsmodells nach ihrer Wichtigkeit. Um das Geschäft zu beleben, arbeitet man sich von unten nach oben. Solange etwas auf einer niedrigeren Schicht fehlt, sollte das zuerst erledigt werden. Die darüberliegenden Ebenen brauchen diese als Grundlage. Wie zu Beginn gesagt, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Marketing zu früh angegangen wird, da wichtige Bausteine noch fehlen. Andererseits vermitteln Werbeanstrengungen das Gefühl, sich um die Konsumenten zu bemühen. Aber für die Kunden sind vor allem die Angebote und alles, was dazu gehört, von Bedeutung. Das Schaufenster mit seinen Auslagen ist nichts, solange es keine Waren gibt. Damit ist klar, dass die unteren Ebenen am wichtigsten sind – vor allem ausreichende Ressourcen, die Verfügbarkeit von Kunden, ein zugkräftiges Nutzenversprechen und die vorhandenen Fähigkeiten für die erforderlichen Aktivitäten.

Systemrelevanz – verbales K.O.-Kriterium

Systemrelevanz ist ein aktueller Euphemismus, mit dem alle möglichen Teile der Gesellschaft die Bedeutung von etwas zu unterstreichen. Diese Bezeichnung entwickelte sich zu einem verbalen K.O.-Kriterium, das jeglichen Widerspruch im Keim erstickt. Wir können den Begriff jedoch auch in die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen übertragen. Ein System grenzt sich von seinem Umfeld ab, indem bestimmte Elemente und Beziehungen als zueinander gehörig und miteinander in Wechselwirkung stehend festgelegt werden. Beispiel: Die Ballsportart Fußball besteht aus einem markierten Spielfeld, zwei Toren, Mannschaften mit elf plus Alpha aktiven Feldspielern, mehreren Schiedsrichtern, Wettkampfveranstaltungen in unterschiedlichen, manchmal weltweiten Ligen, Zuschauern, Fernsehrechten usw. Relevanz steht für die Bedeutung in einem bestimmten Kontext. Beispiel: Das Fußballspiel befriedigt soziale Bedürfnisse und ist damit systemrelevant. Im Gegensatz dazu ist das Business ausgerichtet auf die Befriedigung individueller Geschäftsstrategien. Diese unterschiedlichen Sichtweisen führen dazu, dass das Business seine Interessen mit den sozialen Bedürfnissen begründet, um sein Geschäft zu sichern. Die Bedürfnispyramide muss dafür als verbales K.O.-Kriterium herhalten.

Anhand der Bedürfnispyramide von Maslow können wir versuchen die Systemrelevanz zuzuordnen. Hierbei gilt es eine Grenze zu finden, die die wirklich wichtigen Aspekte beinhaltet und sich von den darüber hinausgehenden Dingen abgrenzt. Wo die Grenze ist und welche Branchen betroffen sind liegt im Auge des Betrachters.

  • Physiologische Bedürfnisse
    diese Grundbedürfnisse sind überlebensnotwendig – saubere Atemluft, sauberes Wasser, Nahrung, eine gesunde Umwelt usw. Die betroffenen Branchen sind die Wasserversorgung, Landwirtschaft und Fischerei, Energieversorgung und Umweltschutz. Auf der Befriedigung dieser untersten Ebene bauen die höheren Ebenen auf.
  • Sicherheitsbedürfnisse
    auf der nächsten Ebene sichern wir unser Dasein ab – körperliche und seelische Gesundheit, ökonomisches Auskommen, ein Dach über dem Kopf, Beschäftigung. In diesem Bereich sind die Branchen verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe, Verkehr und Lagerhaltung, administrative und Unterstützungsdienstleistungen, Bildung, Gesundheit und Sozialarbeit unterwegs. Mit dieser Ebene haben wir Arbeit und sind überlebensfähig.
  • Soziale Bedürfnisse
    Sobald die existenziellen Dinge vorhanden sind, wünschen wir uns soziale Beziehungen – Freundschaft, Zuneigung und Liebe, Familie, Gemeinschaft, persönlichen Austausch, Mobilität und Verständigung. Hier sind Kunst, Unterhaltung und Erholung, Gastgewerbe, Information und Kommunikation, öffentliche Verwaltung, Sozialversicherungswesen aktiv. Mängel auf dieser Ebene führen zu einem ungesunden Selbstbild, dem Hang zu verfehlten Generalisierungen, durch Voreingenommenheit verzerrte Wahrnehmungen und gesellschaftsfeindlichem Verhalten.
  • Individualbedürfnisse
    die Zugehörigkeit zu einer oder mehreren Gemeinschaften ist der Startpunkt sich mit anderen zu vergleichen – Erfolg, Selbstbestätigung, Vertrauen, Einschätzung und, mit dem befriedigten sozialen Bedürfnis der Zugehörigkeit, wieder der Drang zur Freiheit und Unabhängigkeit. Hier wirken alle möglichen privaten Dienstleistungen. Mit dieser Ebene verlässt man die systemrelevanten Bereiche. Es geht jetzt um die Befriedigung von individuellen Wünschen und Sehnsüchten, die über die wesentlichen Lebensgrundlagen hinausgehen.
  • Selbstverwirklichung
    sind alle Bedürfnisse und Wünsche befriedigt, dann entstehen völlig neue, persönliche Gelüste – die Freiheit zu haben kreativ zu sein, Potenziale und Talente zu entfalten und dem eigenen Leben einen besonderen Sinn zu geben. Dies ist der Bereich von Branchen, die sich mit Luxusgütern und -dienstleistungen sowie dem Kredit- und Finanzwesen beschäftigen. Auf dieser Ebene entsteht für alle, die die anderen Ebenen bewältigt haben, ein starker persönlicher Druck.

Fazit: Die Systemrelevanz von Branchen wird bestimmt durch die direkte Befriedigung von Bedürfnissen der einzelnen Bürger. Auf den Ebenen der Grund-, Sicherheits-, sozial und Individualbedürfnisse sowie dem ultimativen Wunsch nach Selbstverwirklichung nimmt die Bedeutung zusehends ab. Aus diesem Grund sind jegliche mittelbaren Erklärungen, die behaupten, die Bedürfnisse zu befriedigen, stets mit Skepsis zu betrachten. Beispiele: Banken als systemrelevant zu bezeichnen, obwohl sie den Bürgern heutzutage keinen Service bereitstellen, sondern vor allem den Sparern in Deutschland Verluste von über 650 Mrd. Euro durch Niedrigzinsen erzeugen. Oder Ballsport, wie der FIFA-Fußball, der heute vor allem eine Umsatzmaschine von über vier Mrd. US-Dollar ist, auf Kosten der Allgemeinheit. Die Corona-Krise hat die Menschen auf die Ebene der Sicherheitsbedürfnisse heruntergeholt. Und kaum ist das Überleben gesichert, werden sofort die Bedürfnisse nach sozialem Kontakt eingeklagt. Wie lange es dauert, bis wir die Ebene der Individualbedürfnisse nach Erfolg wieder erreichen, ist nicht absehbar. Zwischenzeitlich wird die Systemrelevanz zu einem verbalen K.O.-Kriterium, der jeglichen Widerspruch im Keim erstickt und einen Rettungsschirm nach dem anderen einfordert.

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