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Flüchtige Bedeutung

Die wenigsten werden in ihrem Bücherschrank ein Buch finden, dass sie nicht entziffern können. Solange man Chinesisch, Japanisch, Russisch oder Griechisch nicht beherrscht, bleibt einem nichts übrig, als jemanden zu suchen, der die Schrift lesen, verstehen und in eine Sprache übertragen kann. Erst im Rosetta-Stein, in den ein Text als Hieroglyphen, demotische und antike griechische Zeichen untereinander eingraviert wurde, konnten die Bedeutung der Hieroglyphen entschlüsselt werden. Und dann gibt es noch Bücher wie das Voynich-Manuskript, das innerhalb der vergangenen sechshundert Jahren nicht gedeutet werden konnte. Spätestens jetzt wird uns bewusst, dass sich eine Bedeutung ohne ÜbersetzerInnen, ErklärerInnen oder Sachverständige verflüchtigen kann – was ein Text bedeutet; wie man ein Werkzeug herstellt oder benutzt; welchen Zweck ein Monument wie Stonehenge verfolgte; oder wie die Welt von anderen gesehen wird.

Mit der aktuellen Suche nach Wahrheit und dem Versuch, im Rahmen von Political Correctness Sprache zu regeln, stellen sich Fragen bezüglich Bedeutung.

  • Was ist Bedeutung?
    Bedeutung ist das eigentliche Wesen von Menschen, Dingen, Orten, Zeitaltern und Vorstellungen. Es geht um die Merkmale, die materiellen und ideellen Eigenarten von allem – was wir wahrnehmen, denken, untereinander austauschen und tun. Dies können Erinnerungen aus der Vergangenheit sein, Erwartungen bezüglich der Zukunft sowie alle möglichen abstrakten Begriffe. Ausdrucksmittel sind vor allem Wörter, Bilder, Haptik, Gerüche und Geschmäcker oder eine Mischung daraus, wie z.B. Systeme, die bewusst oder unbewusst gestaltet werden oder sich von allein herausbilden. Die Bedeutung kann eine Idee, ein Thema, ein Konzept/ Modell, ein Plan oder eine Umsetzung sein und beschreibt
    – Bausteine, aus denen das Ganze besteht,
    – Beziehungen zwischen den Bausteinen,
    – Abläufe, die aus einzelnen Schritten bestehen sowie Anfänge und Enden haben,
    – Qualitäten, die die Güte der genannten Bestandteile beschreiben,
    – sowie alle sonstigen Aspekte, die über die alltägliche Welterfahrung hinausgehen.
    Frei nach Ludwig Wittgenstein: Die Bedeutung … ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt (PU560).
  • Wo finden wir Bedeutung?
    Die Bedeutung findet sich überall und jederzeit in Menschen und Dingen. Das Wesen der Menschen ergibt sich aus der äußeren Erscheinung, der sozialen Situation, dem sichtbaren und psychischen Verhalten, den Beziehungen und der gesellschaftlichen Wirkung. Dinge enthalten die Bedeutung durch die Form, Funktion und deren Prestige. Allerdings können nur Menschen die Bedeutung sichtbar machen, da es bei der Wesenheit von allem keine greifbare Entität gibt, die eine Bedeutung beinhaltet. Es braucht Beobachtende, die die Bedeutung auslegen und mitteilen – ohne antike ÄgypterInnen und vor allem ohne den Rosettastein wäre der Zugang zu dem Sinn von Hieroglyphen bis in unsere Zeit nicht möglich. Darüber hinaus liefert der Kontext weitere Hinweise – den Zeitbezug (gestern, heute, morgen), den Ort oder die Kultur.
  • Wie erschließen wir uns Bedeutung?
    Wir nehmen unsere Umwelt mit unseren Sinnen wahr: visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch und gustatorisch. Der Weg in unser Bewusstsein ist bisher noch ungeklärt. Am Ende erweitern die externen Reize die mentalen Modelle, über die jede einzelne Person verfügt. In der sogenannten Erste-Person Perspektive denkt jeder Mensch für sich. Die dabei entstehenden Gedanken sind nur für das jeweilige Ich zugänglich. Gedankenaustausch wird nur möglich, indem die persönlichen Interpretationen und Assoziationen der Tiefenstruktur bereitgestellt und in die Oberflächenstruktur (z.B. Sprache, Bilder oder Töne) übertragen werden. Dabei wird die Botschaft verzerrt, generalisiert und Teile getilgt. Die EmpfängerInnen nehmen alles mit den Sinnen wahr und erschließen alles wieder für sich. Die Bedeutung entsteht dabei im Kopf jeder einzelnen Person. Aufgrund der Erste-Person Perspektive kann sie jedoch nie überprüft werden, da sie anderen nur über die verzerrten Aussagen der Oberflächenstruktur vermittelt werden kann (s. Meta-Modell der Sprache).
  • Was erklärt sich aus der Bedeutung?
    Im Allgemeinen verbinden wir Bedeutung mit Information und Wissen. Fassbar sind nur sinnlich wahrnehmbare Reize und Daten – Schriftstücke, Bilder, Filme, Tonaufnahmen, Dinge und ähnliches sowie digitale Daten (z.B. 0100110101100101011011010110010100001010). Informationen ergeben sich aus Daten, die Bedeutung haben (z.B. Meme – menschliche Verhaltensweisen analog zu Genen). Treffen viele Informationen aufeinander bildet sich Wissen (z.B. Memetik ist das Studium von Information und Kultur basierend auf einer Analogie zur darwinistischen Evolution). Sobald Wissen Überzeugungen schafft, die Entscheidungen und Bewertungen ermöglichen, dann sprechen wir von Weisheit (z.B. Virales Marketing erschließt die Erkenntnisse der Memetik). Auf allen Ebenen schwingen Bedeutungen mit, die Gegebenheiten mit Wesen versorgen.
  • Lost in Bedeutung?
    Sobald wir die Erste-Person Perspektive verlassen und von einer gemeinsamen Bedeutung sprechen, dann handelt es sich immer um den kleinsten gemeinsamen Nenner. Und da der Rest, d.h. das Verständnis der Einzelnen, unzugänglich ist, müssen wir damit leben, dass es für alles unzählige Interpretationen (i.e. Bedeutungen) gibt. Alle für sich sind richtig. Damit wir uns besser verstehen, reicht es deshalb nicht, die eigene Oberflächenstruktur unbearbeitet zu verteilen, sondern wir müssen unsere Botschaften so gestalten, dass die Gegenüber sie verstehen können – indem wir deren Sprache und Jargon, bekannte Symbole usw. nutzen. Dabei helfen Analogien, die die Unschärfen beherrschbar machen. Wenn wir es jetzt noch schaffen, andere Meinungen als das zu akzeptieren, was sie sind, nämlich gefilterte Aussagen von Erste-Person Perspektiven, dann sind wir nicht Lost in Bedeutungen.

Fazit: Mit dem Verständnis, was Bedeutung ist, wo wir sie finden, wie wir sie erschließen können und durch was sie repräsentiert wird, dann wird schnell klar, dass Bedeutung ohne Menschen rettungslos verpufft. Das Voynich-Manuskript ist ein gutes Beispiel dafür. Es liegt zwar physisch vor, aber kein Mensch ist in der Lage, die Zeichen und Bilder auszulegen. Ob es etwas bedeutet und wenn ja, was, ist für den Moment unerreichbar. Allerdings hat das gebundene Pergament nachweisbar Jahrhunderte überlebt. Inwieweit unsere heutige Datenflut, die auf IT-Speichern liegen, die nächsten einhundert Jahre überleben ist reine Spekulation. Oder anders gesagt, die Bedeutungen, die in all diesen Daten stecken, sind vergänglich, weil sie die Zeiten nicht überdauern. Das Voynich-Manuskript hat uns jedoch gezeigt, dass die Bedeutungen von greifbaren Daten ebenfalls flüchtig sind.

Pseudointeresse – langfristiger Beziehungskiller

Gute Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Arbeitsgruppe ist die Grundlage für das Zusammenwirken der Beteiligten. Unglücklicherweise kann man Vertrauen nicht kaufen oder verordnen, sondern es entwickelt sich über einen langen Zeitraum. Gleichzeitig laufen Sie ständig Gefahr, das Vertrauen wieder zu enttäuschen. Aus diesem Grund verhalten Sie sich so, dass sich andere wertgeschätzt fühlen und sich um eine angenehme Grundstimmung bemühen, indem Sie

  • zustimmendes Feedback geben,
  • hilfsbereit sind,
  • Interesse zeigen,
  • Sachen in den Mittelpunkt stellen (nicht Personen),
  • wertende Kommentare vermeiden,
  • sich von Politicking fernhalten,
  • nur versprechen, was Sie halten können und wollen.

Es braucht nur einen kleinen Anstoß, um das Vertrauen zu erschüttern. In diesem Zusammenhang ist ein dauerhafter Beziehungskiller Pseudointeresse.

Pseudointeressierte haben genau hier einen blinden Fleck. Sie bemerken nicht, was sie tun und was das bewirkt. Toxische Personen erkennen Sie an folgenden Punkten, z.B.

  • Fragen stellen, aber einer Antwort aus dem Weg gehen
    Teamarbeit ist der zentrale Arbeitsstil für Gen XYZ. Dabei stehen im Mittelpunkt der fortwährende Austausch von Inhalten, die gegenseitige Unterstützung und die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dies geht am besten in Meetings. Neben den üblichen Treffen werden immer öfter (Daily) Stand-Ups genutzt – ohne große Vorbereitung und alle kommen zu Wort innerhalb des fünfzehnminütigen Austauschs. Hier werden Fragen gestellt, Abhängigkeiten abgestimmt und Aufgaben verteilt.
    Die Pseudointeressierten hören sich weder die Erwiderungen an, noch werden sie im Anschluss die Antwort einfordern.
  • Termine wünschen, aber nicht festmachen
    Der Informationshub ist der Teamkalender, indem alle Mitarbeiter Ihre Terminsituation teilen. Keinen Termin zu haben ist ein Zeichen von Unterbeschäftigung, was dazu führt, dass alle Kalender stets voll sind – mit den täglichen, wöchentlichen, monatlichen und vierteljährlichen Regeltreffen, Workshops und Terminen mit sich selbst, um Freiräume zu schaffen. Weitere Sitzungen, die sich erst im Laufe der Zeit entwickeln, werden parallel eingetragen. Termin-Poser füllen ihre Tagesplanung mit mehreren parallelen Verabredungen. Die Pseudointeressierten verschieben ihre Teilnahme ohne Ersatztermin in die Zukunft.
  • Vorteile finden, aber nur für sich
    Ein Team wird durch gemeinsame Ziele und sich ergänzende Ergebnisse auf einen Zweck ausgerichtet. Alle liefern Teile zu einem Puzzle. Entscheidend für das Unternehmen ist der Mehrwert, den die Gruppe erzeugt. Anhand der eigenen Prioritätslisten wird sichtbar, wo die wirklichen Interessen liegen. In Ermangelung einer persönlichen Bindung an das Unternehmen priorisieren die Einzelnen sehr oft ihre persönlichen Ziele an oberste Stelle.
    Die Pseudointeressierten setzen eigene Schwerpunkte, aber nach außen simulieren sie Engagement und Loyalität gegenüber dem Unternehmen.
  • Aufgaben generieren, aber nur für andere
    Während in der Vergangenheit Chefs die Arbeit verteilt haben, werden heute Ziele vorgegeben, auf deren Grundlage das Team seine Geschäfte festlegt und verteilt. Die Vorgesetzten nehmen die Rollen von Kunden wahr, die die Ergebnisse begutachten und abnehmen. Die Ausarbeitung der Aufgaben, die Bündelung zu Paketen, der Ablauf der Tätigkeiten, die Verteilung der Zuständigkeiten sowie die Übernahme der Verantwortung übernimmt das Team. Die Pseudointeressierten sind kreativ bei der Ausarbeitung der Aufgaben, verpflichten sich aber nur dann, wenn es nicht anders geht.

Fazit: Ein Team funktioniert am besten, wenn der soziale Kleister vorhanden ist:

  • persönliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit und konsequente Mitarbeit
  • gegenseitiges Vertrauen
  • gemeinsame Verantwortung und
  • ein gemeinsames Mindset.

Im Teambuilding werden die Grundlagen erarbeitet und verankert. Was über lange Zeit aufgebaut wird, kann allerdings innerhalb von Momenten zerstört werden. Ein wichtiger Störfaktor sind die Pseudointeressierten. Ihnen fehlt der soziale Kleber und sie stellen Fragen, gehen aber der Antwort aus dem Weg. Sie wünschen ein Treffen, ohne einen konkreten Termin zu vereinbaren. Sie suchen Vorteile für sich, nicht für die Sache oder das Team. Sie generieren Aufgaben, aber nur für andere. Eine solche Einstellung bleibt nicht unbemerkt. Mit der Zeit entstehen aufgrund dieses selbstbezogenen Verhaltens Argwohn und Unfrieden. Im schlimmsten Fall übernehmen die Mitglieder sogar diesen kontraproduktiven Habitus. Das macht die Pseudointeressierten zu Beziehungskillern.