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Eigentlich gewinnt die Bank immer

Zwanghafte Spieler lassen sich durch den Satz „Es gewinnt immer die Bank“ nicht vom Spielen abhalten. Sie verfallen der Vorfreude auf einen Gewinn und nehmen das Risiko zu Verlieren in Kauf. Erst erfolgt der Einsatz nur gelegentlich und erzeugt gute Gefühle. Dann beginnt die Abhängigkeit und immer öfter verliert man größere Summen. Das Ganze gipfelt in völliger Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Das Gleiche passiert bei Börsengeschäften und anderen Investitionsmöglichkeiten. Zwar löst das Spiel mit größeren Geldmengen den limbischen Rausch eines Zockers aus. Allerdings entwickeln sich momentan Sicherheitsnetze, die diese Spieler auffangen, indem sie ihre Verluste einklagen können – entweder über das nationale Gesetzbuch oder über die neuen Schiedsgerichte, die außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit agieren. Damit holen sich die Spieler ihre Verluste über den Rechtsweg zurück. Ach ja – natürlich gewinnen auch hier die Banken.

Am Ende handelt es sich dabei um einen systemischen Fehler. Das Risiko der Transaktionen wird auf die Gesellschaft verlagert und der Gewinn verbleibt beim Spieler. Welche Interessen heizen die Geldgeschäfte auf und erhalten den Beteiligten ihre fruchtbare Einnahmequelle?

  • Die Unternehmen benötigen Kapital
    Unternehmen brauchen zur Finanzierung ihres Geschäfts vorab Kapital, beispielsweise um die Personal- und Materialkosten bezahlen zu können, die die Entwicklung und Vorbereitung von Produkten und Dienstleistungen benötigen.
    Im Falle des Scheiterns gehen die Unternehmen bankrott oder firmieren um und hinterlassen die Kollateralschäden der Gesellschaft – wie Umweltschäden, Arbeitslose und Vermögensverluste.
  • Die Anleger bemühen sich um Gewinne
    Die Wohlhabenden verfügen über mehr Geld, als sie ausgeben können. Um einem Wertverlust wie oben oder der Inflation entgegenzuwirken, suchen sie unermüdlich nach Möglichkeiten um das Geld arbeiten zu lassen.
    Anleger privatisieren ohne Rücksicht auf die Kollateralschäden ihre Gewinne und sozialisieren ihre Verluste bei der Gesellschaft.
  • Der Staat sucht Anleger
    Im Prinzip obliegt es dem Staat, dass es der Bevölkerung an nichts fehlt. Aus diesem Grund machen Politiker Anlegern reizvolle Angebote, wenn sie in ihrem Land investieren – steuerliche Vorteile und unternehmerfreundliche Gesetze. Und scheitert ein Geschäft sichern Politiker das eingesetzte Kapital, leihen sich von einer Bank Geld, um eine andere zu entlasten – und vice versa.
    Die Kosten für Fehlentscheidungen der politischen „Wirtschaftslenker“, die nichts weiter interessiert, als ihr Mandat, tragen deren Wähler – was ja eigentlich widersinnig ist.
  • Produkte benötigen Konsumenten
    Durch die weit fortgeschrittene Automatisierung der etablierten Unternehmen und die Globalisierung führen zu immer mehr, billigen Produkten, die dringend einen Kunden brauchen.
    Am Ende belasten diese kurzlebigen Produkte die Umwelt. Die Folgen tragen alle Menschen.
  • Die Gesellschaft braucht Arbeit
    Im Gegensatz zu den Vermögenden ist der Großteil der Bevölkerung abhängig von einer Vollzeitbeschäftigung, um die monatlichen Ausgaben begleichen zu können. Der Wettbewerb um Arbeitsplätze findet weltweit statt. Gleichzeitig stehen einfache Tätigkeiten in Konkurrenz zu Maschinen, die mittlerweile Routineaufgaben zuverlässiger übernehmen.
    Insgesamt verschwinden die traditionellen Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Gesellschaft verarmt.
  • Die Wirtschaft hat Bedarf an Umsatz
    Um zu prosperieren, muss die Gesellschaft die Produkte und Services der Unternehmen konsumieren. Durch den Verlust von traditionellen Arbeitsplätzen sowie prekäre Beschäftigungen, entsteht eine Konsumentenschicht, die bezahlbare Alternativen zum Mainstreamkonsum benötigen – so wie Repair-Cafés, Tauschbörsen, Sharing, Pay-per-Use.
    Entgegen der früheren Standpunkte, als davon ausgegangen wurde, dass die Gezeiten alle Beteiligten auf und ab bewegen, geht die Schere unabhängig von der Konjunktur auseinander – die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher.

Fazit: Da sich Viele optimieren und an der Gesellschaft schadlos halten, kommt es zu Verzerrungen, die vor allem zulasten der Ohnmächtigen gehen. Die Unternehmen bauen auf Außenfinanzierung und verlagern dadurch das Risiko zu den Geldgebern. Die Anleger maximieren ihre Gewinne, indem sie ihr Kapital in riskante Geschäfte stecken und Verluste sozialisieren. Der Staat (bzw. dessen Entscheider) verzichtet auf Einnahmen, um Investoren anzulocken. Die Flut der schlechten Produkte schadet am Ende des immer kürzeren Lebenszyklus der Umwelt. Die Bevölkerung kann von ihrer Arbeit nicht mehr leben und rettet sich in soziale Netze. Die Wirtschaft überhitzt in der Hoffnung, bei einem kommenden Crash neu starten zu können. Und alle finanziellen Transaktionen, egal, in welcher Richtung, erfolgen durch Banken – die immer gewinnen.

Wenn das Alte wegfällt und das Neue sich abzeichnet

Das Alte war immer die Fortführung von etwas Bekanntem mit nachvollziehbaren technischen Neuerungen. Der besagte Droschkenkutscher wechselte vom Pferd auf den Motor. Der Journalist sucht sich seine Informationen nicht mehr Vorort, sondern im Internet und übernimmt persönlich das Setzen, die Korrektur und die Veröffentlichung seiner Artikel. Lageristen tauschen den Hubwagen gegen einen Computer ein, mit dem die Lagerbewegungen kontrolliert und die Pakete fahrerlos an die gewünschten Stationen bewegt werden. Die körperlichen Tätigkeiten entfallen und werden durch „willige“ Maschinen ersetzt. In diesem Umfeld ergeben sich neue Aufgaben bei der Überwachung, Steuerung und Instandhaltung der Anlagen – und natürlich bei deren Entwicklung. In diesen Zeiten braucht es neue Fähigkeiten.

Perspektiven fehlen. Einer der Wenigen, der sich konkrete Gedanken macht, ist Thomas Frey, der das zukünftige Rüstzeug und viele neue Berufe zusammengestellt hat (siehe hier). Dieses Mal schauen wir uns ein paar der zukünftigen Talente an.

  • Biegungskundschaften
    Früher wurden Kundschafter eingesetzt, um einen vor einem liegenden Weg auszuspähen, damit gefährliche Passagen großräumig umgangen werden konnten. Dafür mussten Spuren richtig gedeutet, gefährliche Stellen eingeschätzt und die neuen Routen abgesichert werden. Grundsätzlich haben die morgigen Biegungskundschafter ähnliche Fähigkeiten. Der Unterschied ergibt sich aus ihrem vukaneren Arbeitsgebiet, d.h. Volatiler, Unsicherer, Komplexer und Ambivalenter. Der erforderliche Weitblick ergibt sich aus der intuitiven Verarbeitung der Datenflut, die man in absehbarer Zeit keinem Rechner überlassen kann.
  • Überbrücken
    In vielen Fällen wird es nicht möglich sein, die Gefahrenstelle zu umgehen. Aus diesem Grund haben Armeen bis heute Pioniere, die an den bedrohlichen Stellen Brücken bauen, die die Truppen sicher von der einen auf die andere Seite bringen. Die Fertigkeit an einer x-beliebigen Stelle den Übergang zu ermöglichen, wird in Zukunft entscheidend, da immer häufiger mentale Brücken gebaut werden müssen, die die Beteiligten zuverlässig vom Alten ins Neue bringen. Da jede Situation anders ist, ist die Erfahrung von geübten Überbrückern, die alle noch so feinen Besonderheiten erkennen und bewältigen können, unverzichtbar.
  • Nähemanagen
    Die Vernetzung der Welt schafft mit RFID-Chips das Internet der Dinge. Vernetzte Rechner bewegen Dinge quasi-automatisch um die Welt. Der Chip ist überall empfangbar und ermöglicht mit ganz wenigen manuellen Eingriffen von Personen die automatische Buchung von Frachtraum sowie die zeitnahe Verfolgung, wo sich das Gut gerade befindet. Das Gleiche gilt für Daten an sich, die sich ihren Weg durch das World Wide Web suchen. Die Probleme entstehen auf den letzten Metern – vom letzten Knoten, sei es ein Verteilungslager oder ein Verteilerkasten. Die vielen Nähemanager gibt es heute schon in Form der Paketverteiler und Fahrradkuriere. Für die Strecke vom Hub bis zum eigentlichen Adressaten braucht es die nur schwer programmierbare Intelligenz der Nähemanager.
  • Demontieren
    Neues wird immer schneller geschaffen. Die Einführung von Geschäftsideen, IT-Systemen oder Industrieanlagen steigert ohne Unterlass die Leistungsfähigkeit der Unternehmen. Mit der Zeit stehen die alten Anlagen allerdings im Weg. Abbauen wird schwierig, solange sie weiter ihren Zweck erfüllen – wenn auch nicht ganz so wirkungsvoll, wie die Neuen. In diesem Umfeld wird die komplementäre Begabung eines Erfinders benötigt. Demontierer werden zuständig sein, alte Systeme aus dem laufenden Betrieb herauszulösen und abzubauen, ohne dass Kollateralschäden für das laufende Geschäft entstehen. Dieses chirurgische Geschick ist so filigran, dass diese Aufgabe absehbar kein Rechner übernehmen kann.
  • Vermachen
    Auch wenn eine Anlage abgebaut, eine Vorgehensweise abgelöst oder ein Geschäft Geschichte ist, bedeutet dass nicht, dass die damit gemachten Erfahrungen überholt sind. Viele dieser Einsichten können noch lange nachwirken. Immerhin handelt es sich um langfristige Routinen, die über die Zeit verbessert worden sind. Der Wiederverwendung stehen meist profane Gründe im Weg – die Protagonisten sind nicht mehr da oder eine ausreichende Dokumentation liegt nicht vor. Die nachhaltige Verfügbarkeit der Erfahrung sicherzustellen ist die Aufgabe der Vermacher. Die Herausforderung ist das Ausmisten von unwesentlichen, die Auswahl der interessanten und die Aufbereitung der wertvollsten Bausteine. Das dafür erforderliche Gespür, die relevanten Aspekte zu erkennen, wird für Rechner noch lange ein Problem darstellen.

Fazit: Die fortschreitende Digitalisierung übernimmt einfache Routinetätigkeiten. Die Maschinen führen an sich unattraktive Aufgaben aus und lösen sie auch noch zuverlässiger als menschliche Arbeitskräfte. Damit werden sich die Betätigungsfelder mal wieder verlagern. Die Fähigkeiten biegungsspähen, überbrücken, nähemanagen, demontieren und vermachen zu beherrschen, lassen sich nicht automatisieren, solange sich Auffassungsgabe, Intuition, Kreativität und die anderen typisch menschlichen Eigenschaften nicht mit entsprechenden Algorithmen abbilden lassen. Künstliche Intelligenz geht zwar einen Schritt in die richtige Richtung, aber die bescheidenen Hoffnungen der Achtziger aus dem letzten Jahrtausend, haben sich nach fast vierzig Jahren noch nicht annähernd erfüllt – auch wenn wir beeindruckt auf Roboter blicken, die Erstaunliches machen – aber eben nicht mehr. Das Alte fällt weg und das Neue zeichnet sich ab. Was daraus wird? Wie die Franzosen sagen – Wer lebt, wird sehen.