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Die ewige Antwort

So wie das Wasser sich seinen Weg sucht und sich dabei manchmal fast im Kreis dreht, aber stets den Weg ins Tal findet, so befinden sich Betriebe auf der Suche nach der geeigneten organisatorischen Aufstellung, die den Spagat zwischen flacher und steiler Struktur leistet. Dabei setzen zwei Erkenntnisse einen klaren Rahmen. Einerseits beschreibt die Dunbarzahl die Anzahl Menschen, mit der jemand Kontakt halten kann – nämlich 150 bzw. zwischen 100 und 250. Übersteigt die Mitgliederanzahl diesen Wert, dann sollte die Gruppe aufgespalten werden, um das Funktionieren sicherzustellen. Andererseits die Millersche Zahl, die die Fähigkeit von Menschen bestimmt, 7plusminus2 Informationseinheiten (sogenannte Chunks) gleichzeitig verarbeiten zu können. Treten mehr als neun Chunks gleichzeitig auf, dann steigt automatisch das Risiko, etwas zu übersehen oder falsch zu machen. Damit ist der Rahmen für die ewige Antwort nach der Gestaltung einer Organisation gesetzt.

Auf der Basis der Dunbarzahl und der Millerschen Zahl sind maximal vier Ebenen1) bzw. eine maximale Leitungsspanne von neun2) möglich. Im Einzelfall bestimmt nicht die Berechenbarkeit die Struktur, aber es werden die Grenzen besser sichtbar. Zusätzlich wird die Leitungsspanne durch die folgenden Aspekte beeinflusst.

  • Die Fähigkeiten der Protagonisten
    Die Führungskräfte, die über ein angemessenes Verständnis ihrer Aufgaben, eine passende Werkzeugkiste sowie über ausreichende Empathie verfügen, meistern größere Leitungsspannen. Zusätzlich erleichtern sachverständige und tüchtige Mitarbeiter die Führung.
  • Die Komplexität der Aufgaben
    Einfache Aufgaben, die klar beschrieben sind, sich selten ändern, Routine ermöglichen und wenig Zusammenspiel mit Anderen erfordern, fördern größere Leitungsspannen. Steigende Interaktion mit anderen Bereichen sowie sich kontinuierlich verändernde Einflüsse und Anforderungen begrenzen die Leitungsspanne.
  • Die geografische Verteilung der Protagonisten
    Sitzen alle Beteiligten in einem Raum ist eine maximale Leitungsspanne möglich. Desto weiter die Mitglieder auseinander sind, z.B. weltweit verteilt zwischen Japan und der Westküste der USA, dann sinkt die Leitungsspanne aufgrund der schwierigeren Abstimmung bis auf ein Minimum.
  • Die verfügbare Governance
    Eine ausreichend umfassend beschriebene Governance ermöglicht größere Leistungsspannen. Es geht nicht darum ausführlich alles zu regeln, sondern die entscheidenden Aspekte so zu skizzieren, dass alle sich daran orientieren und ein gemeinsames Mindset entwickeln können – inkl. Prinzipien, Abstimmungswege, Grundsätze und klare Rollen (Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung).
  • Der überwiegende Führungsstil
    Das Selbstverständnis der Führungskräfte beinhaltet vor allem ihr Verständnis, wie das Zusammenspiel zwischen der Leitung und den Mitarbeitern zu erfolgen hat. Desto autoritärer der Führungsstil, desto kürzer wird die Leine, an der die Mitarbeiter geführt werden – was aufgrund der Leistungsgrenzen der Führungskräfte zu einer geringeren Leitungsspanne führt. Neue Ansätze bauen auf Selbstorganisation auf, d.h. die Steuerung, Koordination und Kontrolle übernehmen die Mitarbeiter – was eine größere Leitungsspanne und flachere Strukturen ermöglicht.

Fazit: Die ewige Antwort nach der Leistungsspanne ist nicht nur theoretisch klar – k+kn<=150; wobei k die Leistungsspanne ist und n die Anzahl von mindestens zwei hierarchischen Ebenen. In der Praxis hat sich die Leitungsspanne bei fünf bis neun eingependelt – Ausreißer, nach oben oder unten, bestätigen die Regel. Die Anzahl der Ebenen wird durch die Aufteilung in teilautonome Geschäftseinheiten entschärft, sobald eine bestimmte Mitgliederzahl (mehr oder weniger 150) überschritten wird, bilden sich neue Einheiten. Unternehmen, die sich außerhalb dieses Rahmens bewegen, sollten kritisch ihre Leistungsfähigkeit überprüfen – Wie schnell entscheiden wir? Wie agil sind wir? Welche Reibungsverluste erkennen wir? Welchen Beitrag leistet unsere Struktur? Die Maßnahmen, die sich daraus ableiten, umfassen organisatorische Anpassungen entsprechend der ewigen Antwort.

1) Unter Nutzung von vier Ebenen ist eine Leitungsspanne von drei möglich ( 3*3*3*3+3=84).
2) Zwei Ebenen und eine maximalen Leitungsspanne von 9 sind möglich (9*9+9=90).

Führungsstil von der Stange?

Die Flexibilisierung der Arbeit führt zu immer mehr Projektarbeit und Arbeitsgruppen. Sie arbeiten für eine bestimmte Zeit und in wechselnden Konstellationen zusammen. Unabhängig von der Größe dieser Arbeitsgruppen werden fast immer Rollen vergeben, die das Zusammenspiel bestimmen. Eine wichtige Rolle ist die des Team- oder Projektleiters. Dadurch müssen sich immer mehr MitarbeiterInnen mit Führung auseinandersetzen. In dem Bemühen einen guten Job zu machen, strengen sie sich an, die Führungsrolle so gut wie möglich auszufüllen. Dabei stellt sich die Frage nach dem angemessenen Führungsstil. Gibt es den von der Stange?

Leadership

Die Antwort beginnt mit der Frage nach den verschiedenen Führungsstilen, aus denen man sich bedienen könnte. Die folgenden Führungsstile zeigen mögliche Alternativen.

  • Zuckerbrot und Peitsche (MbCaS)
    Vermutlich ist der autoritäre Ansatz der älteste. In diesem Gehorsamsverhältnis wird mit Zuckerbrot und Peitsche geführt (Management by Carrot and Stick). Die Entscheidungen werden mit Lichtgeschwindigkeit getroffen – zumindest mit der maximalen Geschwindigkeit der jeweiligen Führungskraft. Beteiligung der MitarbeiterInnen ist eher selten. Bestimmt wird dieser Stil durch klare Vorgaben und die Angst vor Strafe (Peitsche). Um Aufstände oder eine hohe Fluktuation zu verhindern, werden gelegentliche Belohnungen notwendig (Zuckerbrot).
  • Geteilte Führung (MbP)
    Das Gegenteil von MbCaS ist der partizipative oder demokratische Führungsstil (Management by Participation). Dabei werden die Mitarbeiter in die Führung einbezogen. Dies kann soweit gehen, dass die Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Der Entscheidungsprozess verliert dadurch an Geschwindigkeit, da immer wieder Abstimmungsschleifen durchgeführt werden. Bestimmt ist dieser Stil durch eine offene Kommunikation und viele Sitzungen oder Treffen. Trotz der starken Beteiligung gibt es viele MitarbeiterInnen, die keinen Wert auf Beteiligung legen, sondern einfach die Arbeitszeit mit klaren Aufgaben hinter sich bringen wollen.
  • Übertragung von Aufgaben (MbD)
    Ein weit verbreiterter Ansatz zur Führung ist die Übertragung von Aufgaben (Management by Delegation). Am besten spiegelt sich dieser Führungsstil in der Gestaltung der Arbeit in Unternehmen wieder. Dabei werden Rollen mit Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung beschrieben. Diese Rollen werden über- und untereinander gestapelt (Aufbauorganisation) oder Abläufen zugeordnet (Ablauforganisation). Die Führungskräfte verteilen die Aufgaben. Auf dieser Grundlage gestalten die MitarbeiterInnen die Erledigung nach ihrem Gutdünken in Abhängigkeit der jeweiligen Umstände.
  • Führen durch Ziele (MbO)
    Die Steigerung von MbD ist die Führung durch Zielvereinbarungen (Management by Objectives). Dabei werden die MitarbeiterInnen zu einer Art Vertragspartner, die sich mit dem Auftraggeber (dem Vorgesetzten) über eine zu erbringende Leistung vertraglich vereinbaren. Hierfür werden die Produkte und Dienstleistungen mit den gewünschten Qualitätskriterien in Form einer Anforderung mehr oder weniger detailliert beschrieben. Am Ende erfolgt die Beurteilung der Leistung bzw. der Ergebnisse. Für die Führungskräfte wird dadurch klar, was sie erwarten können. Die MitarbeiterInnen wissen, was sie zu erbringen haben.
  • Führen durch Vor-Ort-Präsenz (MbWA)
    Die Geschwindigkeit, in der sich das Geschäftsleben abspielt, erfordert neue Ansätze der Führung. Einerseits ändern sich Unternehmensstrukturen so schnell, dass die Entwicklung von detaillierten Aufbau- und Ablauforganisationen immer zeitkritischer wird oder sogar fehlt. Andererseits verkürzt sich die Dauer der Leistungserbringung so stark, dass auch die Zeit für die detaillierte Abstimmung der Ziele nicht mehr gegeben ist. Basierend auf einem allgemeinen Führungs- und Zusammenarbeitsmodell steuern die Führungskräfte die Belegschaft durch kontinuierliche Vor-Ort-Präsenz (in japanisch: Gemba 現場). Dabei erfolgt die Steuerung dort, wo die eigentliche Leistungserbringung und potenzielle Probleme sichtbar werden (Management by Walking Around). Dies sichert den MitarbeiterInnen individuelle Aufmerksamkeit der Führungskraft und kurzfristige Abstimmungen.
  • Ad-hoc-Führung (MbF)
    Manche Aufgaben erfordern eine minimale Reaktionszeit der Führungskraft (Management by Fire). Dies gilt für Aufgaben, in denen überraschende und bedrohliche Ereignisse stattfinden. Dabei sind Entscheidungen nötig, die eine schnelle Reaktion erfordern. Um die Qualität der Entscheidungen zu erhöhen, werden vorab Krisenpläne aufgestellt, die wahrscheinliche Szenarien mit Gegenmaßnahmen versehen. Von Zeit zu Zeit werden diese Pläne mit entsprechenden Vorannahmen durchgespielt. Die Führungskraft muss dabei in jedem Fall aus dem Moment heraus entscheiden. Welche Annahmen sind zu berücksichtigen? Welche Gegenmaßnahmen kommen zum Einsatz? Die Rollen der MitarbeiterInnen sind detailliert beschrieben, aber die tatsächliche Umsetzung wird situationsbedingt entschieden.

Bei all den Führungsmöglichkeiten wird übersehen, dass Führung eine Frage stark von der eigenen Persönlichkeit abhängt. Eine autokratische oder autoritäre oder demokratische oder egalitäre oder freiheitliche Einstellung führt letztendlich auch zu einem entsprechenden Führungsstil. Und das, obwohl die Person sich rational für einen anderen Führungsstil entscheidet. Leider ist es schwierig, aus seiner Haut zu können und sich einen Führungsstil von der Stange aneignen zu können. Die eigentliche Persönlichkeit wird sich meistens durchsetzen. Akzeptieren Sie es und optimieren Sie Ihren persönlichen Stil.

Fazit: Der Führungsstil ist bei allen Möglichkeiten der Ausbildung eine Frage der Persönlichkeit. Die erste Frage einer Führungskraft sollte deshalb sein, wer bin ich. Darauf aufbauend kann dann ein persönlicher Führungsstil entwickelt und verbessert werden. Von der Stange gibt es den nicht – auch wenn die Trainingsangebote das einem glauben machen wollen.