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Wenn Machen falsch wird

Diese Jahreszeiten, die manchen farblos und ungemütlich erscheinen. Wenn die Wolken tief am Himmel hängen und ohne Unterlass Feuchtigkeit der Gravitation ausgesetzt ist. Das Erdreich ist nicht mehr in der Lage das Wasser aufzunehmen. Und künstliche Straßen den Boden zusätzlich versiegeln. Genau dann bilden sich überall flache Seen, in denen sich die dunklen Wolken spiegeln. Und dann fährt ein Auto durch so eine Pfütze und schleudert das Wasser in die Luft. Pech für diejenigen, die genau in diesem Moment vorbeikommen und zusätzlich zu dem Regen von oben einen Schwall von unten abbekommen. Die natürliche Reaktion ist es hinter dem Auto herzuschimpfen.
Warum eigentlich? Was ist denn passiert? Wer hat denn was falsch gemacht? Der Autofahrer, der unfreiwillig durch die Pfütze musste? Der Fußgänger, der nichts Besseres zu tun hatte, als genau in diesem Moment an der Pfütze vorbeizugehen? Wann wird ein Machen falsch?

Betrachten wir die Situation näher.

  • Der Fahrer
    Im Auto bei strömendem Regen wird das Fahren selbst mit 40 Stundenkilometern anstrengend. Die Gischt der entgegenkommenden Fahrzeuge, die dicken Regentropfen und die Straßen voller Pfützen erfordern die volle Aufmerksamkeit der Kraftfahrer. Und dann geht es ganz schnell. Wäre da nicht der Fußgänger neben der Pfütze, dann hätte der Fahrer alles richtig gemacht. Er hatte keinen Grund, einen unbekannten Passanten zu durchnässen. Hat er etwas falsch GEMACHT?
  • Der Fußgänger
    Bei solchem Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür. Mit dem größten Regenschirm entgeht man der Feuchte nicht. An der nächsten Ecke kommen die Tropfen sogar horizontal geflogen. Man entgeht nur teilweise dem Sturzregen. Und dann geht es ganz schnell. Wäre da nicht genau in dem Moment, an dem er an der Pfütze vorbeigeht, das Auto angerauscht gekommen, dann hätte der Fußgänger alles richtig gemacht. Der Passant wollte bestimmt nicht duschen. Hat er etwas falsch GEMACHT?
  • Die Umstände
    Es kommt nicht häufig vor, dass ein Platzregen soviel Flüssigkeit auf die Straße schüttet, dass die Gullys die Wassermassen nicht mehr aufnehmen können. In den Rinnen am Straßenrand bilden sich rauschende Bäche, die sich hie und da zu kleinen Seen ausweiten. In diesen Wasserlachen kann man leicht bis über beide Knöchel versinken. Und dann geht es ganz schnell. Mit einem ausreichend dimensionierten Abfluss hätte sich diese Pfütze gar nicht gebildet und das Auto hätte den Fußgänger nicht vollgespritzt. Diese Großwetterlage hatte auch niemand herbeigeführt. Oder wer hat da etwas falsch GEMACHT?
  • Vorgelagerte Gründe
    An diesem Tag hatte der Fahrer seine Fahrt früher als sonst begonnen, um besonders vorsichtig zu fahren. Der Fußgänger hatte eigens lange darauf gewartet, dass der Regen sich verzieht. Die Straße war in den Achtzigern nach den neuesten Richtlinien für Abflüsse gebaut worden. Viele weitere Vorgeschichten ließen sich erzählen. Und dann geht alles ganz schnell. Am Ende hat sich das Schicksal an dieser Pfütze erfüllt. Keiner käme auf die Idee, die Ursache in den Vorgeschichten zu suchen. Oder was wurde hier falsch GEMACHT?

Mit Vorsatz ist nichts passiert. Alles ist nur eine unglückliche Verkettung von Umständen, die zu dem beschriebenen Ereignis geführt hat. Und eigentlich ist falsch GEMACHT nicht die richtige Beschreibung für Fehler, die so passieren. Keiner MACHT absichtlich Fehler – außer: der Erzfeind, der gewartet hat, um mit voller Absicht eine Riesenfontäne auf den verhassten Fußgänger zu schleudern. Wobei es sich bei dieser Aktion auch nicht um einen Fehler handelt, sondern um eine begründete, vorsätzliche Tat,

Fazit: Etwas falsch zu machen setzt voraus, dass eine Absicht dahinter steckt. Geschehen Fehler bei der Arbeit oder sonst wo im Alltag, dann sind diese Ereignisse, deren Schuld jemandem in die Schuhe geschoben wird, nicht verhinderbar, da sie unabsichtlich passieren. Ok – man hätte besser aufpassen können, weniger nachlässig sein und sich mehr engagieren. Und trotzdem käme es zu Fehlverhalten. Nichts zu machen ist die einzige Möglichkeit zur Fehlervermeidung. Und das wäre der größte Fehler. Um das Momentum zu erhalten ist es besser, Fehlertoleranz zu entwickeln. Ein Fehler ist eine Lernchance und liefert den Ansatz für neue Lösungen. Dann wird Machen nicht mehr falsch – und weniger läuft ungewollt schief.

Richtig und falsch – eine Frage des Standpunkts?

Noch vor dreißig Jahren erreichte man die Öffentlichkeit über besondere Kanäle – Tageszeitungen, Magazine, Radio, Fernsehen. Heute können alle ihre Äußerungen ins Internet stellen und erreichen latent drei Milliarden Menschen. Ohne die Filter der professionellen Nachrichtenmacher stellt sich die Frage, welche Informationen richtig oder falsch sind. Trotzdem gab es immer schon Falschmeldungen. Dies reicht von Berichten über eine deutsche Zelle des Ku-Klux-Klan, über die von Loriot erfundene Steinlaus, bis hin zu den Hitler-Tagebüchern, die vom Stern veröffentlicht wurden. Derartig konstruierte Nachrichten sind nichts weiter als Lügen. Wo beginnt jedoch die Wahrheit und wo hört die Lüge auf? Richtig und falsch ist vielleicht eine Frage des Standpunktes.

Ein Blick auf einige Aspekte verdeutlicht die Schwierigkeit.

  • Blickwinkel machen einen Unterschied
    Je nachdem, wo man sich befindet und in welche Richtung man blickt, sieht man Sachverhalte anders. Der Blickwinkel ist in jedem Fall beschränkt. Die Betroffenheit bestimmt, was man sieht und bewertet. Gehört man zu den Opfern, steht die ungerechtfertigte Tat im Mittelpunkt. Täter schauen auf die schlüssige Begründung ihrer Handlung. Als Außenstehender hat man aufgrund von fehlendem Hintergrundwissen einen neutralen Standpunkt. Welcher Blickwinkel ist aber schließlich richtig oder falsch?
  • Kontakte machen den Unterschied
    Ein Bericht aus zweiter Hand liefert meistens unterschiedliche, widersprüchliche Wahrnehmungen. Bestimmt werden die Aussagen ebenfalls durch die Rolle (s. oben). Zusätzlich werden die Wahrnehmungen durch die Filter des Meta-Modells der Sprache Inhalte werden getilgt oder generalisiert oder einfach verzerrt. Wie kann man sagen, was richtig oder falsch ist?
  • Kultur macht den Unterschied
    Abhängig von der Zugehörigkeit zu einem Kulturkreis unterscheidet sich beispielsweise die Art, wie Informationen ausgetauscht werden, der Umgang mit Personen oder die Beschreibung der Zeitfaktoren. Der Stil führt zu detaillierten oder vagen Beschreibungen, abhängig von Vorannahmen durch das Vorwissen der Zielgruppe. Kulturbedingte Schwerpunkte durch den Blick auf einzelne Personen oder auf Gruppen machen einen Unterschied. Der Umgang mit Zeit führt auch zu einem begründenden Blick auf die Vergangenheit oder einer einfachen Beschreibung der Gegenwart oder einer Berücksichtigung zukünftiger Konsequenzen. Was ist dann richtig oder falsch?

Die Frage nach der Wahrheit wurde seit den alten Griechen von allen Philosophen gestellt. Mit dem Internet gibt es ein Medium, mit dem alle alle erreichen können. Damit stehen sämtlichen denkbaren Aussagen Türen und Tore zur Verbreitung offen. Was davon der Wahrheit entspricht oder ihr auch nur nahekommt, ist aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel nicht abschließend entscheidbar. Der Versuch neutrale Stellen zur Zertifizierung von Inhalten zu schaffen, wird das nicht beheben.

Fazit: In Ermangelung einer verbürgten Wahrheit müssen wir lernen mit den verschiedenen Ausprägungen von Fakten umzugehen. Sobald wir verstehen, dass unterschiedliche Blickwinkel, verschiedene, mögliche Wirklichkeiten erzeugen, sind wir gewarnt und es fällt uns leichter, uns aufmerksam mit den dargebotenen Verkündigungen auseinanderzusetzen. Am Ende ist richtig und falsch abhängig vom Standpunkt – außer bei einer vorsätzlichen, gewollten Lüge.