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Mechanismen der Gestaltung

Alle, die sich im Wettstreit um die Aufmerksamkeit von Menschen befinden, suchen nach Aufsatzpunkten, die sie aus dem Rauschen der sinnlichen Reize hervorheben. Hierfür können wir alle auf grundlegende Muster zurückgreifen – den Gestaltprinzipien oder Gestaltgesetzen. Hierbei handelt es sich um Mechanismen, die die Wahrnehmung lenken, führen und verführen können.

Die Medien nutzen schon lange diese Mechanismen, die auch in der Gestaltpsychologie behandelt werden. Die folgenden Mechanismen beschreiben einige grundsätzliche Prinzipien.

  • Mechanismus von Figur-Grund (1)
    Die Wahrnehmung erfolgt quasi-automatisch, ohne dass eine Szenerie bewusst zerlegt wird. In einem Bild landet die Aufmerksamkeit dadurch unbewusst bei dem zentralen Gegenstand, der Figur, die vor einem Hintergrund platziert ist. In seltenen Fällen drängt sich der Hintergrund in den Vordergrund und lenkt von dem eigentlichen Vordergrund ab.
    Um eine Botschaft leicht erkennbar zu verpacken, sollte der Inhalt sich klar vom Hintergrund abheben.
  • Mechanismus der Nähe (2)
    Stehen mehrere Dinge nahe beieinander, dann nehmen wir sie als Gruppe wahr. Damit lassen sich umfangreiche Darstellungen in kleinere Bereiche gliedern. Ein gutes Beispiel sind Zeitungen, in denen Absätze im Satzspiegel themenorientiert durch einen entsprechenden Weißraum voneinander abgegrenzt werden.
    Um die Gliederung von etwas leichter erkennbar zu machen, sollten zusammengehörige Teile näher beieinander mit einem erkennbaren Abstand voneinander stehen.
  • Mechanismus der Kontinuität (3)
    Stehen Dinge in einer Reihe und folgen einem Pfad, der sich auch über Grenzen hinweg konsequent fortsetzt, so gehen wir davon aus, dass diese zusammengehören. Dies findet man auf Plänen, auf denen Linien oft andere kreuzen. Die Betrachter sind in der Lage die Fortsetzung einer Linie zu erkennen, wenn mehrdeutige Kreuzungen vermieden werden.
    Zusammengehörige Elemente sollten auf einer Linie angeordnet und andere Gruppen klar unterscheidbar sein.
  • Mechanismus der Geschlossenheit (4)
    Bilden einzelne Elemente eine geschlossene Form, dann erachten wir nicht mehr die einzelnen Bausteine als beachtenswert, sondern die sich ergebende Form. Die Bedeutung ergibt sich dann aus der gebildeten Gruppe.
    Gruppen können sichtbar gemacht werden durch eine entsprechende Anordnung von bestimmten Elementen zu einer Formation.
  • Mechanismus der Ähnlichkeit (5,10)
    Die gleiche Form oder Farbe ist ein starker Hinweis darauf, dass es sich um ähnliche Dinge handelt. Wir sind in der Lage in Situationen, die aus sehr vielen Einzelteilen bestehen, die Gruppen aufgrund der Ähnlichkeit der Elemente auszumachen. In bewegten Konstellationen lassen sich auch aufgrund der gleichen Bewegungsrichtung Gruppen auseinanderhalten.
    Dinge, die zueinander gehören, sollten gemeinsame Merkmale haben, z.B. Form, Farbe oder Größe. Die Elemente, die nicht dazugehören, sollten sich deutlich absetzen.
  • Mechanismus der gemeinsamen Region (6,7,9)
    Finden sich einzelne Elemente in Bereichen, die durch eine Grenze voneinander getrennt sind, dann nehmen wir die Einzelteile in verschiedenen Zonen als zusammengehörig wahr. Die einzelnen Gebiete ergeben sich aus erkennbaren Grenzen oder Arealen unterschiedlicher Farbe, Oberfläche oder Form. Die gemeinsamen Regionen können sich aus einem einfachen Muster, wie einem Schachbrett, oder aus einer organischen Figur ergeben.
    Durch die Formung von Gebieten, indem Grenzen gezogen oder Bereiche gestaltet werden, lassen sich die jeweils zugeordneten Bausteine als Gruppe darstellen.
  • Mechanismus der persönlichen Erfahrung (8)
    Ein wichtiger Mechanismus ist die persönliche Erfahrung der Betrachter. Haben sie bestimmte Konstellationen bereits kennengelernt, dann wiedererkennen sie die entsprechenden Gruppen. Dies wird beispielsweise nachvollziehbar, wenn man ein neues Schriftsystem (z.B. japanisches Hiragana, Katakana und Kanji) lernt. Ohne die vertrauten Typen von Strichen fällt es Nicht-Asiaten schwer, die Schrift zu lernen. Da alle ein ganz individuelles Set an Erfahrungen mitbringen, erkennen Teams mehr Strukturen als Einzelpersonen.
    Bei der Verortung von Gruppen sollten unterschiedliche Personen beteiligt sein, da ein größerer Erfahrungsschatz zu einer besseren Bildung von Gruppen führt.

Fazit: Die vorgestellten Mechanismen werden manchmal als Prinzipien oder Gestaltgesetze bezeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Mechanismen immer funktionieren. Aber unsere Mustererkennung beeinflusst die Beobachtung von Objekten wie Bildern, Texten, Filmen, Webseiten etc. Dabei wird unsere Wahrnehmung durch die Mechanismen Figur-Grund, Nähe, Kontinuität, Geschlossenheit, Ähnlichkeit, gemeinsame Region und persönliche Erfahrung durch die Inhalte geführt – ob wir es wollen oder nicht. Der bewusste Umgang mit den Gestaltprinzipien, den Gestaltgesetzen oder den Mechanismen der Gestaltung stellt sicher, dass wir keine mehrdeutigen Botschaften senden.