Archiv der Kategorie: Strategie

Strategie besteht aus Vision, Mission, SWOT, Kritische Erfolgsfaktoren, Wertdisziplinen, strategische Ausrichtung, strategische Ziele und strategischen Kern.

Zwecke, ihre Mittel und ungewollte Partner

Räder erscheinen erstmals auf einem Trinkbecher der Sumerer vor über 5 Jahrtausenden. In Amerika und in Australien kannte man das Rad nicht, bevor die Europäer es mitbrachten. Die Außenfläche ist vom Mittelpunkt immer gleich weit entfernt und erfüllt einen Zweck, nämlich rund zu sein. Damit bietet das Rad die revolutionäre Eigenschaft rollen zu können – und das über die Jahrtausende immer besser. Erst in Verbindung mit anderen Teilen ergibt sich, neben der Schönheit des Rades, sein weitreichender Nutzen – vor allem der Transport von Gütern und Menschen. Genügt die Rundheit, oder braucht es mehr, um eine Wirkung zu erzeugen?

Unterschiedliche Zwecke ergeben im Zusammenspiel mit anderen Dingen einen übergeordneten Sinn.

  • Der Zweck
    Die Raison d’être ist der Daseinsgrund von etwas oder jemand. Der Zweck eines Rades, rund zu sein, hat Erfinder immer wieder zur Weiterentwicklung der Rundung und des Aufbaus inspiriert, bis hin zu Ideen, wie dem speichenlosen Rad im Cyclotron.
    In Unternehmen liefert der Zweck die Antwort auf die Frage Warum gibt es das Geschäft? – Es ist der Polarstern der Organisation, der sicherstellt, dass die Leiter und Mitarbeiter ihre Entscheidungen und Handlungen in eine gemeinsame Richtung entwickeln. Passt das tatsächliche Geschehen nicht mehr zu dem gemeinsamen Zweck, dann heben sich die Anstrengungen der vielen Aktivitäten gegenseitig auf und die Unternehmung verliert ihr Momentum.
    Ein Auftrag besteht einerseits aus der Mission, der Frage, Was ist zu tun? und andererseits aus dem Zweck, dem Warum? – Damit ist nicht nur klar, auf was man sich konzentrieren soll, sondern zusätzlich erhält man Gründe, um Leidenschaft zu entwickeln. Man lernt nicht nur das Sägen, Schrauben und Nähen, sondern man entwickelt die Sehnsucht nach der Weite des Meeres – beim Bau eines Schiffes.
  • Der Zweck der Zwecke
    Am Beispiel Rad wird deutlich, dass der Zweck sehr speziell sein kann – wie z. B. makelloses Rundsein. Die Wirksamkeit entsteht, wenn das Rad mit anderen Teilen verbunden wird, die für sich genommen ebenfalls einen Zweck haben – der Laderaum, die Achse, die Deichsel, das Fahrerhaus usw. Und schon entsteht ein Fahrzeug, das Güter und Menschen von A nach B bringen kann. Der übergeordnete Zweck entsteht aus mehreren auf der höheren Ebene – beispielsweise dem Transport von A nach B. Wenn jetzt in dem Wagen noch eine Kanone eingebaut wird und die Karosserie schusssicher gemacht wird, erhalten wir einen Panzer, der als Waffe im Kampf eingesetzt wird. Sobald Waffen in einem Angriff eingesetzt werden, befinden wir uns in einem kriegerischen Konflikt, dessen Zweck es ist, gewonnen zu werden.
    Diese Verschachtelung von Zwecken verwirrt vor allem, wenn sie nicht offen dargelegt werden. Auch hier gilt, wenn die Zwecke auf den verschiedenen Ebenen nicht zueinanderpassen, dann unterminieren sie sich gegenseitig und erzeugen Blindleistungen.
  • Mittel zum Zweck
    Die Geschwindigkeit, mit der der Zweck angestrebt wird, bestimmt die benötigten Mittel. Dabei handelt es sich um die Ressourcen, die auf dem Weg gebraucht werden: z. B. Personen, Material, Finanzen, Gebäude, Anlagen, Logistik usw. Da die Mittel immer begrenzt sind und sich alle um die knappen Mittel bemühen, ist stets abzuwägen, wo sie am Sinnvollsten eingesetzt werden.
    Sobald ein Zweck in einem größeren aufgeht, wird er zu einem Mittel für den übergeordneten. Die Mittel haben immer einen zusätzlichen, eigenen Zweck, der im Gesamtzweck einfließt.
  • Unbeabsichtigte Zwecke
    Die Aktivitäten führen jedoch nicht nur zu den gewünschten Ergebnissen – wenn beispielsweise ein LKW zur Waffe wird, indem man ihn zu einer militärischen Lafette aufbaut. Oft treten dann Wirkungen auf, die man nicht beabsichtigt und im schlimmsten Fall noch nicht einmal vorhergesehen hat. Diese unbeabsichtigten Folgen haben den Nachteil, dass der ursprüngliche Zweck in den Hintergrund tritt, der neue die spärlichen Mittel verbraucht und man plötzlich Verantwortung für etwas hat, dass man nie wollte.
    Die unbeabsichtigten Folgen sind die Überraschungen, die den besten Plan obsolet machen. Aus diesem Grund sollte bei der Betrachtung des Zwecks immer auch auf unbeabsichtigte Nebenwirkungen geachtet werden, da sie unter Umständen große Auswirkungen haben.

Fazit: Der Zweck ist ein wichtiger Aspekt allen Tuns. Vor allem im Business bietet er eine große Schubkraft, da die Beteiligten sich daraus ihren intrinsischen Ansporn für die Umsetzung ziehen. Die Schwierigkeit besteht in der Vielzahl der Zwecke, die aufeinandertreffen und sich Unvorhergesehenes ergibt. Unterschiedliche Zwecke wetteifern auf der gleichen und auf unterschiedlichen Ebenen miteinander. Der übergreifende Zweck ist dabei der Leitstern, der die Richtung den Beteiligten weist. Unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die gewünschten Ergebnisse erreicht werden. Schaut man dann noch über den Tellerrand hinaus, erkennt man schnell naheliegende, unbeabsichtigte Zwecke, auf die man durch entsprechende Maßnahmen reagieren sollte. Vielleicht ist es jetzt leichter zu verstehen, wie wichtig es ist, die Zwecke, ihre Mittel und die unbeabsichtigten Folgen bewusst zu betrachten.

Eine Wertdisziplin auf Kosten der anderen

Es ist keine Frage der Machbarkeit, wenn man sich für seine Leistungen wünscht, dass man über die absolute Kundennähe, das beste Produkt UND die geschicktesten Abläufe verfügt. Schon der Wunsch als solcher ist bei näherem Hinsehen unrealistisch. Wer wünscht sich hier denn was? Normalerweise sind es die Kunden, die sich für eine der drei Seiten entschieden haben. Es sind die Entscheider der Unternehmen, die damit den Mitarbeitern vermitteln wollen, was ihnen wichtig ist. Allerdings geht der Schuss nach hinten los, wenn man in allen Dimensionen auf Maximum geht. Mit einer solchen Vorgabe verfehlen sie ihre Pflicht als Führungskraft zu entscheiden. Der übliche Spruch lautet: Das Eine tun und das Andere nicht lassen. Eine bevorzugte Wertdisziplin muss jedoch ausgewählt werden, weil sie nur auf Kosten der anderen umgesetzt werden kann.

Natürlich kann man sich das Unmögliche wünschen. Nichtsdestotrotz hilft das niemand. Im Gegenteil. Alle Wertdisziplinen gleichberechtigt zu maximieren, kann die Unternehmung das Leben kosten, weil sie damit in jedem Fall scheitert. Wer jetzt in sich Widerspruch aufkeimen spürt, sollte unbedingt weiterlesen. Schauen wir uns mal die drei Dimensionen an.

  • Kundennähe
    Schmidt, Müller, Walter – natürlich kennt man seine Kunden – zumindest ihre Namen, die Anschrift und, mit einem geschickten Berichtswesen, auch ihre Umsätze. Kundennähe entsteht jedoch erst, wenn man auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden eingeht, was zu unterschiedlichen, auf den Einzelkunden zugeschnittenen Produkten und Dienstleistungen führt.
    Dies geht jedoch nur auf Kosten der besten Angebote, die den neuesten Stand der Technik und der Gestaltung liefern würden sowie durch schlanke Abläufe, die durch Vereinheitlichung und Beschränkung auf das Wesentliche geprägt wären.
    Der maßgeschneiderte Anzug entsteht im engen Zusammenspiel zwischen Schneider und Kunde.
  • Produktführerschaft
    Eine weltbekannte Marke setzt die Maßstäbe für andere Anbieter in dem jeweiligen Geschäftsfeld. Dafür ist es erforderlich stets die neuesten technischen und gestalterischen Möglichkeiten einzubauen – und zwar bevor die Mitbewerber es tun. Dies ermöglicht in der Folge höhere Preise und, durch ein entsprechendes Marketing, den dafür erforderlichen Hype.
    Dies geht jedoch auf Kosten der Wünsche von einzelnen Kunden, deren Bedürfnisse vor allem ihre vergangenen Erfahrungen prägen sowie auf Kosten verbesserter Abläufe, die den Anforderungen der Neuerungen immer hinterherhinken würden.
    Apple lieferte mit dem Macintosh einen Computer, der durch die Ideen der Appleprogrammierer und der Designer von Frogdesign aus dem Schwarzwald erschaffen wurde.
  • Prozessführerschaft
    Die Abläufe bestimmen die Güte der Durchführung der praktischen Aufgaben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Zusammenspiel der beteiligten Bereiche, der Vermeidung von unnötigen Tätigkeiten sowie der zuverlässigen Wiederholbarkeit der Arbeitsschritte, um mit möglichst geringem Einsatz von Mitteln schnell und pünktlich ein großes Volumen erzeugen zu können.
    Dies geht jedoch auf Kosten der Wünsche der Einzelkunden, die damit den gesamten Ablauf verzögern könnten sowie auf Kosten des neuesten Stands der Produkte und Dienstleistungen.
    Die Lebensmittel-Discounter, wie z.B. Aldi und Lidl, sind in der Lage durch den nüchternen Verkauf direkt von der Palette, die besten Preise zu bieten.

Fazit: Es ist natürlich klar, dass die Entscheidung für eine Wertdisziplin nicht bedeutet, dass die anderen völlig außer Acht gelassen werden können. Kundennähe findet nicht statt, wenn der Artikel nicht eine bestimmte Reife mit sich bringt und die Kunden sich nicht darauf verlassen können, dass die Abläufe zu einer zuverlässigen Lieferung führen. Produktführerschaft ohne ein ausreichendes Verständnis der Kunden und ausfallsichere Abläufe, schadet dem Ruf der Erzeugnisse und Services. Prozessführerschaft braucht die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Kundschaft sowie Leistungen, für die die Kunden bereit sind zu bezahlen. Was nicht geht, ist ein Spitzenplatz in allen drei Dimensionen, da

  • Kundennähe die für viele ansprechenden Produkte und standardisierte Abläufe ausschließt,
  • Produktführerschaft keine Rücksicht auf die einzelnen Kundenwünsche und Abläufe nimmt und
  • Prozessführerschaft es nicht schafft, auf jeden Kundenwunsch einzugehen und das originellste Produkt nicht bietet.

Dies gilt, auch wenn heute das Internet die direkte Interaktion mit dem Kunden verbessert, neue Leistungen schneller unter die Leute gebracht werden können und die Workflows in Echtzeit immer flexibler werden. Die festgelegte Wertdisziplin, die auf Kosten der anderen den Erfolg ausmacht, ist der Unterschied, der den Unterschied macht.