Schlagwort-Archive: Mittel

Mittel schlägt Regel

In der Heckwelle von langfristigem Wachstum und bewältigten Krisen wuchert Bürokratie in allen Ecken eines Unternehmens. Dies gilt vor allem für große Betriebe, die das wilde Wachstum zusätzlich befeuern, indem sie Stellen für Fachleute schaffen, die den Amtsschimmel mit immer neuen Regelungen erweitern, ohne alte abzuschaffen. Dies passiert vor allem durch die Schaffung von neuen Regeln, die die Verantwortung an die Anwender übertragen – anstelle Mittel bereitzustellen, denen die Umsetzung bereits einprogrammiert ist.

Die entsprechenden Tools reichen von selbsterklärenden Formularen, über bereitgestellte Methoden zur Abarbeitung, bis hin zu Apps, die den Anwendern die erforderlichen Lösungen anbieten. Formulare gibt es schon lange, allerdings sind sie häufig nicht wirklich selbsterklärend. Das Mittel schlägt die Regel bei der Wirksamkeit aufgrund der folgenden Effekte.

  • Du wählst aus, anstelle zu befolgen
    Werkzeuge lösen Aufgaben, die so vorbereitet sind, dass die beabsichtigten Ergebnisse am Ende herauskommen. Dies zwingt den Beamtenapparat, im Vorhinein zu überlegen, wie die Ergebnisse aussehen sollen, was man für das Ergebnis braucht und in welchen Schritten man es erreicht. Je nach Aufgabenstellung kann dieses der kürzeste Weg sein oder ein verzweigtes Wegenetz, das auch komplexe Anforderungen und persönliche Vorlieben bei der Abarbeitung zulässt. Der Anwender wählt aus, anstelle Vorgaben zu befolgen, die ihm bei der Umsetzung nicht helfen würden, da sie nur bestimmen, was man nicht darf – lieber aktiv als passiv.
  • Du lernst, anstelle dich zu entschuldigen
    Ungeschickterweise ziehen Regeln nur Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, ohne klar zu sagen, was zu tun ist bzw. wie man Ziele erreicht. Die Beschränkungen, die ein Teil der Vorgaben sind, behindern zusätzlich – ganz zu schweigen von den entmutigenden Effekten wiederholter Entschuldigungen. Ausweg bieten Werkzeuge, deren Gebrauch die Bereitschaft zu lernen und eine umfassende Einführung brauchen – lieber offen als verschlossen.
  • Du agierst, anstelle zu überlegen
    Routinemäßiges Verhalten ist zu Beginn einer neuen Lösung noch nicht möglich. Es erfordert die wiederholte Durchführung und die Entwicklung von persönlichen Erfahrungen, um eine Routine zu verinnerlichen. Durch die Bereitstellung von Tools, die so vorbereitet sind, dass sie den Anwendenden Handlungsspielräume bieten und gleichzeitig das gewünschte Ergebnis erzeugen, agieren alle in dem bereitgestellten Rahmen. Über die Zeit werden Erfahrungen ausgetauscht, man bereichert sich gegenseitig und schafft damit bestmögliche Ergebnisse. Regeln bieten im Gegensatz dazu wenige Hinweise zum Vorgehen. Sie führen zu immer neuen Ansätzen, um die fehlerfreien Resultate zu schaffen – lieber praktizieren als zu theoretisieren.
  • Du leistest, anstelle zu improvisieren
    Die Vermeidung von unnötigen Aktivitäten ist ein Grund für die Aufstellung von Regeln. Das Rad wird durch die unterschiedliche Abwicklung der Aufgaben immer wieder neu erfunden und erzeugt in der Zusammenarbeit weitere Aufwände, die die Potenziale der Teams unterminieren. Allerdings führen die Hinweise, was man nicht darf, dazu, dass die Mitarbeitenden ihre Energie in die persönliche Optimierung stecken. In der Folge werden offensichtliche Schwachstellen aus Angst vor Nachteilen nicht behoben. Mithilfe von entsprechenden Tools sind die Lösungswege gut vorbereitet und lassen sich durch entsprechender Feedbackschleifen leicht nachjustieren. Diese Leistungssteigerungen des Unternehmens werden als hilfreiche Werkzeuge ingenieursmäßig vorbereitet – lieber geradlinig, als zu mäandern.
  • Du passt das Tool an, anstelle Dich
    Regeln beinhalten meistens grob vorgeschriebene Abläufe. Die Tücke liegt im Detail, wenn die Umsetzung zu unterschiedlichen Zwischenergebnissen und damit zu unterschiedlicher Güte der Ergebnisse führt. Damit das Ganze überhaupt funktioniert, passen sich die Beteiligten an die Vorgaben an, wodurch ein großer Teil ihrer möglichen Zusatzbeiträge verloren geht. Geschickter ist die Bereitstellung eines Tools, dass die Anwender an ihre Bedürfnisse anpassen können, d.h. Werkzeuge, die alternative Wege zum Ergebnis den verschiedenen Persönlichkeiten bereitstellen, z.B. Top-Down- oder Bottom-Up-Vorgehen; Frontloading, Just-in-time, oder Backloading. Mit der Zeit laufen die Erfahrungen der Mitarbeiter in das Werkzeug ein und es wird immer passender – lieber beherrschen als beherrscht zu werden.
  • Du findest, anstelle zu entwickeln
    Ein Tool kann oft mehr als ursprünglich vorgesehen. Denken wir an einen Schraubenzieher – Schrauben festziehen oder lösen; etwas aufhebeln oder aufstemmen; Löcher stechen oder ausweiten; etwas stützen; usw. Administrative Tools, wie Mechanismen zur Beantragung und Freigabe, können in unterschiedlichen Umgebungen wiederverwendet werden. Man verfügt dann über eine standardisierte Lösung, die nach kurzer Zeit für alle zur allgemeinen Praxis wird. Ganz abgesehen von dem Aufwand immer wieder die gleiche Aufgabe mit unterschiedlichen Lösungen entwickeln zu müssen – lieber wiederverwenden als neu zu erfinden.

Fazit: Der Blick auf die eigene Bürokratie ist der erste Schritt bei der Überwindung der Altlasten an Regelungen. Um zusätzliche Regelwerke zu erstellen, die den Arbeitsablauf belasten, anstelle zu entlasten, sollten neue Regeln lieber in Form von praktischen Werkzeugen eingeführt werden. Mit den entsprechenden Freiräumen in den Tools wird der Gestaltungswille der Anwender gefördert, die Grundlage für Fehlertoleranz geschaffen, Routine möglich, Verschwendung vermieden, das Wissen um das beste Vorgehen im Tool implementiert, Wiederverwendung möglich und, vor allem, unerwünschtes Verhalten minimiert. Die erwartete Vereinheitlichung und Compliance der Mitarbeiter wird damit gestaltbar – das bereitgestellte Mittel schlägt die vorgegebene Regel.

Zwecke, ihre Mittel und ungewollte Partner

Räder erscheinen erstmals auf einem Trinkbecher der Sumerer vor über 5 Jahrtausenden. In Amerika und in Australien kannte man das Rad nicht, bevor die Europäer es mitbrachten. Die Außenfläche ist vom Mittelpunkt immer gleich weit entfernt und erfüllt einen Zweck, nämlich rund zu sein. Damit bietet das Rad die revolutionäre Eigenschaft rollen zu können – und das über die Jahrtausende immer besser. Erst in Verbindung mit anderen Teilen ergibt sich, neben der Schönheit des Rades, sein weitreichender Nutzen – vor allem der Transport von Gütern und Menschen. Genügt die Rundheit, oder braucht es mehr, um eine Wirkung zu erzeugen?

Unterschiedliche Zwecke ergeben im Zusammenspiel mit anderen Dingen einen übergeordneten Sinn.

  • Der Zweck
    Die Raison d’être ist der Daseinsgrund von etwas oder jemand. Der Zweck eines Rades, rund zu sein, hat Erfinder immer wieder zur Weiterentwicklung der Rundung und des Aufbaus inspiriert, bis hin zu Ideen, wie dem speichenlosen Rad im Cyclotron.
    In Unternehmen liefert der Zweck die Antwort auf die Frage Warum gibt es das Geschäft? – Es ist der Polarstern der Organisation, der sicherstellt, dass die Leiter und Mitarbeiter ihre Entscheidungen und Handlungen in eine gemeinsame Richtung entwickeln. Passt das tatsächliche Geschehen nicht mehr zu dem gemeinsamen Zweck, dann heben sich die Anstrengungen der vielen Aktivitäten gegenseitig auf und die Unternehmung verliert ihr Momentum.
    Ein Auftrag besteht einerseits aus der Mission, der Frage, Was ist zu tun? und andererseits aus dem Zweck, dem Warum? – Damit ist nicht nur klar, auf was man sich konzentrieren soll, sondern zusätzlich erhält man Gründe, um Leidenschaft zu entwickeln. Man lernt nicht nur das Sägen, Schrauben und Nähen, sondern man entwickelt die Sehnsucht nach der Weite des Meeres – beim Bau eines Schiffes.
  • Der Zweck der Zwecke
    Am Beispiel Rad wird deutlich, dass der Zweck sehr speziell sein kann – wie z. B. makelloses Rundsein. Die Wirksamkeit entsteht, wenn das Rad mit anderen Teilen verbunden wird, die für sich genommen ebenfalls einen Zweck haben – der Laderaum, die Achse, die Deichsel, das Fahrerhaus usw. Und schon entsteht ein Fahrzeug, das Güter und Menschen von A nach B bringen kann. Der übergeordnete Zweck entsteht aus mehreren auf der höheren Ebene – beispielsweise dem Transport von A nach B. Wenn jetzt in dem Wagen noch eine Kanone eingebaut wird und die Karosserie schusssicher gemacht wird, erhalten wir einen Panzer, der als Waffe im Kampf eingesetzt wird. Sobald Waffen in einem Angriff eingesetzt werden, befinden wir uns in einem kriegerischen Konflikt, dessen Zweck es ist, gewonnen zu werden.
    Diese Verschachtelung von Zwecken verwirrt vor allem, wenn sie nicht offen dargelegt werden. Auch hier gilt, wenn die Zwecke auf den verschiedenen Ebenen nicht zueinanderpassen, dann unterminieren sie sich gegenseitig und erzeugen Blindleistungen.
  • Mittel zum Zweck
    Die Geschwindigkeit, mit der der Zweck angestrebt wird, bestimmt die benötigten Mittel. Dabei handelt es sich um die Ressourcen, die auf dem Weg gebraucht werden: z. B. Personen, Material, Finanzen, Gebäude, Anlagen, Logistik usw. Da die Mittel immer begrenzt sind und sich alle um die knappen Mittel bemühen, ist stets abzuwägen, wo sie am Sinnvollsten eingesetzt werden.
    Sobald ein Zweck in einem größeren aufgeht, wird er zu einem Mittel für den übergeordneten. Die Mittel haben immer einen zusätzlichen, eigenen Zweck, der im Gesamtzweck einfließt.
  • Unbeabsichtigte Zwecke
    Die Aktivitäten führen jedoch nicht nur zu den gewünschten Ergebnissen – wenn beispielsweise ein LKW zur Waffe wird, indem man ihn zu einer militärischen Lafette aufbaut. Oft treten dann Wirkungen auf, die man nicht beabsichtigt und im schlimmsten Fall noch nicht einmal vorhergesehen hat. Diese unbeabsichtigten Folgen haben den Nachteil, dass der ursprüngliche Zweck in den Hintergrund tritt, der neue die spärlichen Mittel verbraucht und man plötzlich Verantwortung für etwas hat, dass man nie wollte.
    Die unbeabsichtigten Folgen sind die Überraschungen, die den besten Plan obsolet machen. Aus diesem Grund sollte bei der Betrachtung des Zwecks immer auch auf unbeabsichtigte Nebenwirkungen geachtet werden, da sie unter Umständen große Auswirkungen haben.

Fazit: Der Zweck ist ein wichtiger Aspekt allen Tuns. Vor allem im Business bietet er eine große Schubkraft, da die Beteiligten sich daraus ihren intrinsischen Ansporn für die Umsetzung ziehen. Die Schwierigkeit besteht in der Vielzahl der Zwecke, die aufeinandertreffen und sich Unvorhergesehenes ergibt. Unterschiedliche Zwecke wetteifern auf der gleichen und auf unterschiedlichen Ebenen miteinander. Der übergreifende Zweck ist dabei der Leitstern, der die Richtung den Beteiligten weist. Unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die gewünschten Ergebnisse erreicht werden. Schaut man dann noch über den Tellerrand hinaus, erkennt man schnell naheliegende, unbeabsichtigte Zwecke, auf die man durch entsprechende Maßnahmen reagieren sollte. Vielleicht ist es jetzt leichter zu verstehen, wie wichtig es ist, die Zwecke, ihre Mittel und die unbeabsichtigten Folgen bewusst zu betrachten.