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Wenn sich Ziele verheddern

Unser Körper ist ein gutes Bild für ein Unternehmen. Ein Körper ist kein wirrer Zellhaufen, sondern ein abgestimmtes Ganzes. Die verschiedenen Systeme (wie Herz-Kreislauf, Atmung, Verdauung, Nerven, das Skelett, die Muskulatur und die Haut) haben nur ein Ziel – das Überleben des Unteilbaren. Es geht nicht ohneeinander. Der gestalteten wirtschaftlichen Arbeitsteilung sind aufgrund der Eigeninteressen nicht schlüssig. Es beginnt bereits bei der Frage, wie ein Betrieb aufgeteilt wird: nach Funktionen, hierarchischen Ebenen oder Regionen. „Das Eine zu tun und das andere nicht zu lassen“ ist das Mantra der unentschiedenen Leitenden. Es entstehen beim Aufteilen in zehn Funktionen, drei Ebenen, fünf Regionen bis zu 150 Einheiten, die eigene und gemeinsame Absichten verfolgen. Zusätzlich entsteht aus fachlichen und persönlichen Verpflichtungen ein undurchschaubares Netz aus Beziehungen. Im Gegensatz zum Körper führen diese fragmentierten Einheiten und überlappenden Zuständigkeiten zu einem hausgemachten Chaos. Sichtbar wird das an verhedderten Zielen, die sich gegenseitig behindern, neutralisieren und den Zweck der Unternehmung unterminieren.

Neben Fachbereichen, Ebenen oder Regionen erhöhen die folgenden Blickwinkel das formale Tohuwabohu.

  • Stoßrichtung
    Wir können nicht voraussetzen, dass die offiziellen Ziele sich auf den beschriebenen Bereich beziehen. Es wäre geschickt zu wissen, ob sich unternehmerische, karrieremäßige oder private Absichten dahinter verstecken. Schwierig wird es, wenn das scheinbare Bestreben der Firma tatsächlich der persönlichen Fortbildung oder privaten Vorsätzen wie der Freizeitgestaltung dienen.
  • Rollen
    Die zugewiesenen Rollen beeinflussen den Blickwinkel der Zielmachenden. Außenstehende gehen davon aus, dass Entscheidende Ihre Verantwortung im Blick haben. Oder die beeinflussenden Stakeholder sich um ihren Einflussbereich kümmern. Oder die Ausführenden sich auf ihre Aufgaben beschränken. Was bedeutet es jedoch, wenn Leitende das Mindset eines Mitarbeiters haben? Wie gehen wir mit Stakeholdern um, die so tun, als hätten sie die Leitung? Was sind die wahren Anliegen der Mitarbeitenden?
  • Revier
    Ziele werden für das gesamte Unternehmen, Bereiche, Projekte und einzelne Mitarbeitende vergeben. Den Entscheidenden obliegt es, die Stimmigkeit der Ziele sicherzustellen. Bereits in großen Linienstrukturen fällt es aufgrund der übergreifenden Maßnahmen schwer, das Zusammenspiel sicherzustellen. In einem agilen Format oder einer Matrixstruktur ist es unmöglich, die sich unentwegt ändernden Verflechtungen zu entwirren und ein konsistentes Gesamtbild zu erhalten.
  • Fristigkeit
    Ziele werden für das laufende Jahr vergeben. Leider halten sich die Maßnahmen nicht an die entsprechenden Kalender: Aufgaben können nicht im aktuellen Jahr erfüllt werden; Projekte laufen oft über die Jahresgrenze hinweg. Wenn dann noch langfristige Vorhaben ins Spiel kommen, entsteht ein schwer nachvollziehbarer Verhau von alten und neuen Kosten und Ergebnissen. Dieses Durcheinander kann nicht mit einem aufwendigen Berichtswesen zuverlässig verfolgt werden (auch wenn dies gerne suggeriert wird). Das in einem derartigen Umfeld Ziele nur teilweise oder gar nicht erreicht werden ist klar.
  • Kriterien
    Geschickt formulierte Ziele beinhalten bereits beim Formulieren Messgrößen. An denen werden der Fortschritt und der erreichte Grad der Erfüllung abgelesen. Die meisten Ziele sind zu weich formuliert, wodurch das Erreichen sich nicht bewerten lässt. Und manchmal werden qualitative Ziele verfolgt, die nur geschätzt und subjektiv bewertet werden können.

Fazit: Die Verantwortlichen machen sich etwas vor, wenn sie meinen, durch aufwendiges Zielfinden, das über Wochen abgestimmt wird, zu konsistenten Zielen zu gelangen. Sie übersehen, dass die tatsächliche Ausrichtung im Ziel nicht erkennbar ist. Die Rollen weichen mit ihren Interessen von den Unternehmenszielen ab. Das Festlegen der Ziele erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen, wodurch die Stimmigkeit nur schwer erreicht wird. Das Mischen von kurz-, mittel- und langfristigen Zielen trübt das Gesamtbild zusätzlich. Das frühzeitige Festlegen von messbaren Indikatoren für die Zielerreichung hilft allen Beteiligten. Allerdings erhöht das Abstimmen der Messgrößen den Aufwand beim Festlegen der Ziele. Berücksichtigen wir die sich ergebende Komplexität und die Abhängigkeiten voneinander, dann wird klar, warum verhedderte Ziele nicht erreichbar sind.

Die Kosten des Unberücksichtigten

Beim Entscheiden verwirbeln sich im Windschatten bekannte und unbekannte Folgen zu Vor- und Nachteilen. Jegliche Maßnahmen, die wenigen Nutznießern einseitig Vorzüge gewähren, lassen selbst ernannte Widerständler aus allen Ecken der Gesellschaft laut aufschreien. Inwieweit die Nachteile der riesigen Rotorblätter eines Windkraftwerks schädlicher sind als der Super-GAU eines Kernkraftwerks, scheint im Auge des Betrachters zu liegen. Oder geht es mehr um die Windräder, die einzelnen Anwohnern die Aussicht verschandeln? Dabei nutzen Menschen Windmühlen seit über viertausend Jahren. Im 16 Jahrhundert gab es in den Niederlanden 10.000 und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Preußen über 18.000 verzeichnete Windmühlen. Wo wären wir heute, wenn die damaligen Bürger sich gegen technische Fortschritte gestellt hätten, wie Zeloten unterschiedlichster Glaubensrichtungen heute?

Die jetzigen Formen der Ludditen finden sich in allen Altersgruppen, politischen Parteien und Schichten. Sie sich daran gewöhnt, die Welt aus ihrer polarisierenden Sicht zu bewerten. Üblicherweise werden nur die Pros und Kontras der angestrebten Ergebnisse durchgespielt. Wir müssen den Radius unseres Beobachtungsradars bei der Auswahl wertfrei erweitern – unabhängig von den Interessen der Nutznießer.

  1. Entscheidende an allen Auswirkungen beteiligen
    Entschließungen führen zu vor- und nachteiligen Folgen. Stehen die Entscheidenden nicht für entstehende Nachteile ein, dann rücken Kriterien in den Mittelpunkt, die nichts mit der Sache zu tun haben. Die Grundlagen der Entscheidung ändern sich wesentlich, wenn die Entscheidenden auch die belastenden Effekte mittragen.
  2. Alle Folgen betrachten
    Die größte Verzerrung beim Entscheiden entsteht durch den eingeschränkten Blick auf die eigenen Vorteile. Zusätzlich werden erkannte Nachteile verharmlost. Beim Einschätzen verfälscht besonders das Ausblenden der Kollateralfolgen den Weitblick. Deshalb müssen mehrere Szenarien entwickelt werden, die ALLE Chancen und Risiken gleichberechtigt betrachten: die beiden Seiten des Tuns und des Nichtstuns.
  3. Widerstand vollkostenmäßig verrechnen
    Die Folgekosten von Aktionen sollten auf alle Betroffenen verteilt werden. Dies bedeutet, dass die Befürworter UND die Gegner ihren Beitrag an den Kosten leisten. Der Strompreis könnte abhängig von der Vor-Ort-Dichte an Windrädern bis auf null gesetzt oder bei lokalem Widerstand vervielfacht werden. Es bleibt allen überlassen, ob sie sich impfen lassen. Allerdings müssen Impfgegner mit Nachteilen bei der befürchteten Triage rechnen – entsprechend dem fehlenden gesellschaftlichen Beitrag an das Ende der Warteschlange verbannt zu werden. Mit derartigen Nachteilen erhalten die Widerständler weitere Kriterien, die sie bei ihrem Widerstand ins Kalkül einbeziehen können.
  4. Unabhängig vom Schreihalsprinzip entscheiden
    Unfairerweise gewinnen meistens diejenigen den Streit, die am lautesten schreien – opportunistische Politiker, Demonstranten und Lobbyisten. Fake-News und Propaganda erzeugen eine zusätzliche Infoflut, die den objektiven Überblick trübt. Gemeinnützige Beschlüsse sollten der Gesellschaft dienen, nicht persönlichen Interessen. Ein typisches Beispiel in der Politik ist die Absicht, Arbeitsplätze zu erhalten. Mit diesem Argument erhalten die Beschäftigten heute geringere Entgelte und die früher verbindliche Anstellung wird durch temporäre Verträge abgelöst. Prekäre Arbeitsplätze auszubauen, führt dann zu steigenden Gewinnen von Konzernen und ihren Funktionären – und Politiker bekommen ihre Wiederwahl gesponsort.
  5. Für eine gemeinsame Zukunft mit Gemeinschaftsgeist
    Wenn die Ergebnisse nicht mehr von den persönlichen Motiven kontaminiert sind, wird eine sachlichere und schnellere Beschlussfassung möglich. Alle Beteiligten brauchen hierfür einen Gemeinschaftssinn, der im Interesse des Ganzen die Alternativen abwägt. Die Vor- und Nachteile des Tuns UND des Nicht-Tuns sowie die mittelbaren Auswirkungen in angrenzenden Bereichen müssen erwägt werden.

Fazit: Das Gemeinwesen profitiert von Ergebnissen, die Vorteile für die Gemeinschaft erzeugen, anstelle für wenige. Möglich wird das, indem alle Perspektiven berücksichtigt werden. Das Ergebnis möglichst klein zu rechnen, führt zu verzögerten Nachteilen. Ergänzend müssen die Effekte des Nichts-Tuns und das Pro und Con der betroffenen Bereichen betrachtet werden. Welches Plus erzeugen die zusätzlichen Energiequellen eines neuen Windparks? Welches Minus? Was sind die Vorteile ohne Windpark? Was sind die Nachteile? Welche Bereiche sind darüber hinaus positiv und negativ betroffen? Egal wie Sie entscheiden, die Betroffenen sollten beteiligt sein – direkt oder mittelbar. Alle Folgen zu berücksichtigen, senkt die Folgeaufwände. Die einzelnen Parteien bezahlen ihren Anteil an den Vollkosten ihrer Absichten so wie sie ihren Vorteil daraus ziehen. Nach dem Schreihalsprinzip zu entscheiden, blendet wesentliche Einflüsse aus und mindert den angestrebten Nutzen. Nur mit Gemeinschaftsgeist stehen der Gesellschaft wünschenswerte Aussichten für alle offen. Ludditen, die diese Zukunft bedrohen, müssen für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden. Wutbürger, Opportunisten, Lobbyisten, wirtschaftliche Entscheider, Verschwörer und sonstige randständige Extremisten müssen die entstehenden Kosten des Unberücksichtigten tragen.