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Wenn das Beste zum Standard wird

Es war schon immer schwer, sich eine Meinung zu bilden bezüglich Unternehmen, Produkten, Arbeitgebern, Mitarbeitern, Reisezielen, Filmen, Büchern, Autoren, Theaterstücken, u.v.m. Die Liste könnte unendlich weitergeführt werden. Durch die Schnelllebigkeit haben wir keine Zeit, um uns mit etwas so vertraut zu machen, dass wir in der Folge eine eigene Meinung bilden können. Da der Preis keinen Hinweis mehr liefert, bieten spezialisierte Bewerter Angebote, die uns die Einschätzung abnehmen. Sie erstellen regelmäßig Übersichten, die die Begründung für Entscheidungen liefern – Produkttests, Arbeitgeber-Rankings, Technologie-Einstufungen sowie Restaurant- und Hotelführer und sogar Buch- Theater- und Filmkritiken. Je etablierter die Bewertungsinstanz desto standardisierter die Bewertungsskala – z.B. die Michelin-Sterne oder der Hype-Cycle der Gartner Group. Ein Beispiel für diese neuen Geschäftsmodelle sind Plattformen, die Arbeitgeber einstufen – Kununu, Great Place to Work, Glassdoor oder Trendence. Wir gewönnen uns daran, Einschätzungen an andere zu delegieren, wohl wissend, dass nicht allen Sternchen und Likes vertraut werden kann. Eine schlechte Beurteilung ist nicht im Interesse des bewerteten Unternehmens und in der Folge auch nicht im Interesse der wertenden Plattform. Dies verzerrt die Wirklichkeit: Fake-Sterne oder die Nutzung einer externen Bewertung als Marketing-Tool.

Die Schwierigkeiten beginnen bei den Beschreibungen der Eigenschaften und dem Ablauf einer Bewertung. Sie enden bei Hitlisten, die solange gefiltert und sortiert werden, bis das Unternehmen auf den vorderen Rängen platziert ist. Das macht alle zu den Besten, den Größten, den Erfolgreichsten, den Effektivsten usw. Durch diesen Einsatz von Topbewertungen bleibt oben kein Raum mehr für tatsächlich die wirklichen Top-Firmen. Es ist nicht alles Mega-Spitze-Super. Welche Abstufungen stehen uns jedoch für eine Beurteilung zur Verfügung? Die Sprache bietet mindestens drei Ebenen zur Abstufung der Eigenschaften.

  • Die einfache Beschreibung
    Ausgangspunkt sind Adjektive, die Merkmale und Eigenschaften von etwas oder jemandem ausdrücken, z.B. die sinnliche Beschreibung von Farben (z.B. rot, grün, blau) und Formen (z.B. rund, quadratisch, eckig), Klängen (z.B. laut leise, schrill), Gefühlen (z.B. weich, rau, heiß), Gerüchen (z.B. säuerlich, süßlich) und Geschmäckern (z.B. bitter, umami). Darüber hinaus beschreiben wir wirtschaftliche, künstlerische, moralische Eigenschaften – das schöne Gemälde; das innovative Smartphone; das vertrauenswürdige Unternehmen. Wir beschreiben Kulturen (z.B. prä-kolumbische Stämme in Nord-Amerika) und drücken Mengen aus (z.B. viele, hundert). Manchmal gelangen wir an die Grenzen des Beschreibbaren, wenn Wörter erfunden werden müssen, z.B. sitt für nicht mehr durstig; edutaining für erziehend unterhaltend.
    Die ungesteigerte Form eines Adjektivs ermöglicht die einfache Umschreibung aller ausdrückbaren Sachverhalte und bietet den Einstieg in eine Bewertung.
  • Der wertende Vergleich
    Es bleibt meistens nicht dabei, etwas zu beschreiben. Wir beginnen schnell mit etwas anderem zu vergleichen. Dies erzeugt Prioritäten, Rangfolgen oder Über-/ Unterordnungen, die unbewusst wahrgenommen werden und eine Präferenz erzeugen – wenn der Luftballon roter ist als der andere; wenn etwas Rundes als runder beschrieben wird; wenn etwas Schrilles als schriller bezeichnet wird; wenn ein Hinweis etwas Süßes süßlicher riechen lässt; wenn etwas Bitteres noch bitterer schmeckt. Eine sachliche Bewertung von richtig oder falsch ist nach dieser Behauptung schwer möglich. Diese Aussagen offenbaren viel von den sprechenden Personen, die damit ihre innere Bewertung externalisieren – solange sie nicht so tun, als ob, um andere zu manipulieren.
    Die gesteigerte Form eines Adjektivs ermöglicht eine Bewertung im Vergleich zu etwas ähnlichem und setzt damit einen Standard.
  • Die begrenzende Obergrenze
    Die Decke der Beurteilung ist erreicht, wenn keine weitere Steigerung möglich ist – das roteste Rot, das rundeste Rund, der schrillste Schrei, das süßeste Süß oder das bitterste Bitter. Die Versachlichung wird mit entsprechenden Messverfahren versucht – wenn die Wellenlänge von Rot (zwischen 630 und 700 nm) ermittelt wird oder die Schärfe eines Chilis mit Hilfe des enthaltenen Capsaicins gemessen wird. Nichtsdestotrotz kann die subjektive Wahrnehmung zu anderen Ergebnissen führen. Am Ende gilt für alle ihre die persönliche Bewertung – wenn etwas mit Abstand das absolute, mega-super-duper Schlumpfeldumpfel ist.
    Diese Höchststufe eines Adjektivs bildet das obere Ende der Fahnenstange. Damit für wirklich herausragende Eigenschaften noch Raum zur Bewertung besteht, sollte dieser Superlativ nur sehr selten genutzt werden.

Fazit: Eigenschaften sind die Grundlage für unsere Entscheidungen. Sie decken immer einen Bereich ab – von gerade so wahrnehmbar bis zum Maximum. Die Bewertungen können nicht immer sachlich gemessen werden, sondern liegen im Ermessensspielraum von Menschen, die über unterbewussten Skalen verfügen. Dies geht soweit, dass wenn die Messwerte nicht mit den Erwartungen übereinstimmen, weiter gemessen wird oder ganz auf eine Messung verzichtet. Dies führt dazu, dass sich Rangfolgen ändern, sobald die bewertende Person wechselt. Aus diesem Grund hat, sich eingebürgert zu sagen: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Für die Spitze der Bewertungsskala ist es wichtig, dass sie nur selten zum Einsatz kommt. Das Ganze rekalibriert sich von Zeit zu Zeit, indem diese Grenzen sich verschieben. Unternehmen, Abteilungen, Teams und Einzelpersonen haben die Aufgabe sich ihre eigenen Skalen immer wieder bewusst zu machen, damit alle Beteiligten über ein gemeinsames Verständnis verfügen und das Beste nicht zum bedeutungslosen Standard wird.

Der Charakter des Anbieters steckt im Angebot

Das gute Angebot wird bestimmt durch einen angemessenen Preis. Doch wann passt er? Im einfachsten Fall bestimmen zwei Variablen das Angebot: 1) der Preis pro Einheit und 2) die Summe der Einheiten. Die Einheit wird durch die Erfahrungen der beteiligten Mitarbeiter bestimmt. Der erforderliche Aufwand, um die Leistung zu erbringen, ergibt sich aus den Ergebnissen – den Erzeugnissen und Dienstleistungen. Einerseits kann dieses Schema beliebig verfeinert werden – in immer kleinere Bestandteile sowie verteilt auf verschiedene Schultern. Andererseits reichen bereits die grobe Annäherung des Aufwands und der durchschnittliche Preis pro Einheit, um eine grobe Schätzung zu erhalten. In beiden Fällen erkennt man an den Variablen der Formel (Preis pro Einheit x Anzahl Einheiten = Preis) den Charakter des Anbieters.

Die einen, nennen wir sie Typ S, jagen dem Umsatz hinterher. Das einzige Ziel ist der nächste Abschluss – je größer, desto besser. Die anderen, nennen wir sie Typ R, legen Wert auf eine fruchtbare, langfristige Zusammenarbeit. Sie kümmern sich um vertrauensvolle Kundenbeziehungen. Wie kann man diese beiden Charaktere am Angebot unterscheiden?

  • Preis pro Einheit
    Eine Einheit ist ein Stück, eine Menge oder ein Stunden- bzw. Tagessatz. Je nach Güte der Einheit kann der Preis höher oder niedriger ausfallen. Das hochwertigere kostet mehr als minderwertiges Material. Der Erfahrungsschatz des Dienstleisters bestimmt den Tagessatz. Zusätzlich können Mengenstaffelungen den Preis beeinflussen – je umfangreicher der Auftrag, desto niedriger der Preis pro Einheit. Bei Dienstleistungen profitieren Kunden von einem Festpreis, die damit das Risiko des Aufwands dem Anbieter zuschieben.
    Im Rahmen der Präsentation des Angebots offenbart sich der Charakter des Anbieters anhand seiner Schwerpunkte (Variable 1 oder Variable 2). Hinterfragt man was passiert, wenn andere Einheiten genutzt werden oder zusätzliche Anforderungen benötigt werden, wie Sprache oder Mobilität der Ausführenden, dann enthüllen ausführliche Preisstaffelungen den Typ S und detaillierte, fachliche Erklärungen den Typ R.
  • Anzahl Einheiten
    Die Schätzung des Aufwands hängt von dem Erfahrungshorizont des Anbieters und der Detailtiefe der Berechnungen des Angebots ab. Das finale Angebot ist dabei nur die Spitze des Eisbergs – und die Auftraggeber gehen davon aus, dass Anbieter sich ein klares Bild der Feinheiten des Auftrags verschafft haben. Jedes Angebot sollte mindestens die Anforderungen abdecken und folgende Angaben enthalten: Liste der Anforderungen, Voraussetzungen, geplante Einheiten, Zeitplan mit wichtigen Meilensteinen und der Deadline.
    Auch hier lohnt es sich, die Anforderungen zu variieren, um zu sehen wie Anbieter reagieren. Die Antworten bezüglich der Kosten geben den Typ S und bezüglich inhaltlicher Folgen den Typ R zu erkennen. Antworten ohne lange Erklärungen sind in beiden Fällen ein Hinweis auf grobe Schätzungen.
  • Wettbewerbssituation
    Einkäufer sind heutzutage gezwungen mehrere Angebote einzuholen, um die Preise wettbewerbsfähig zu halten. Die Anbieter kennen nicht unbedingt ihre Mitbewerber. Hat es sich eingebürgert, dass mehrere Anbieter sich bewerben und erhalten immer wieder die Gleichen den Auftrag oder wird stets das billigste Angebot genommen, dann können die Preise der Gewinner und der Anderen unrealistisch verzerrt werden. Der finale Auftragnehmer kann sich erhoffen die Schätzungen im laufenden Projekt leichter anzupassen – Hauptsache man gewinnt den Auftrag. Wird ein Anbieter wiederholt nicht ausgewählt, wird die Erstellung des Angebots als Verschwendung von Zeit wahrgenommen und die Güte des Angebots sinkt.
    Damit Äpfel nicht mit Birnen verglichen werden, sollte man die billigsten und die wiederholten Gewinner skeptisch betrachten. In beiden Fällen kann es sich um unzureichend durchdachte Angebote handeln, was langfristig zu einem steigenden Risiko für das Projekt wird. Werden auf Nachfrage schnell die Preise angepasst, handelt es sich wohl um Typ S. Typ R reagiert mit schlüssigen Anpassungen der Inhalte.
  • Die Beschreibung enthüllt den Charakter
    Bei der Vorstellung des Angebots weist die Argumentation des Anbieters auf seinen Charakter hin. Wird der Schwerpunkt auf die Preisstaffelungen gelenkt und unterschiedliche Preisgestaltungen erläutert, kümmert sich der Anbieter wohl um die pekuniären Aspekte. Werden unterschiedliche Lösungen sowie das Pro und Kontra der Varianten dargelegt, dann hat sich der Anbieter mit der Aufgabenstellung auseinandergesetzt und ist in der Lage das Angebot schlüssig anzupassen.
    Stehen von Anfang an die Kosten im Vordergrund und werden zusätzliche Rabatte angeboten, dann könnten die Möglichkeiten und Konsequenzen des Angebots zu wenig vorbereitet sein (Typ S). Stehen jedoch die Inhalte im Mittelpunkt (Typ R), dann sollte man die vorliegenden Angebote inhaltlich abgleichen, um eine vergleichbare Basis zu schaffen und böse Überraschungen in der Folge zu vermeiden.

Der Charakter ist jedoch schwer erkennbar, wenn die Auftraggeber selbst nicht wissen, was zu tun ist. Mit der langen Praxis der Fremdvergabe verlernen auftragserteilende Entscheider die Parameter des Outsourcings, die über den Gesamtpreis hinausgehen, und können die Aufwände nicht mehr nachvollziehen. Erschließen sich ihnen die Charaktere der Anbieter nicht mit den obigen Punkten, dann können sie diese Hinweise nicht zur Einschätzung des Angebots nutzen. Die Einschätzung der Anbieter wird zur Glaubens- und Vertrauenssache.

Fazit: Routinierte Auftraggeber haben in den Jahren die Fähigkeit verloren, ihre eigenen Anforderungen so zu beschreiben, dass ein Angebot sich damit vernünftig einschätzen lässt. Am Ende können diese Einkäufer nur erkennen, welches Angebot das billigste ist. Die Anbieter nutzen diese Schwäche und versuchen schlecht durchdachte, unfertige Lösungen zu verkaufen. Aus diesem Grund sollten die Angebote aufmerksam untersucht werden. Was ist der Preis pro Einheit? Was ist eine Einheit wert? Wie wurde die Anzahl angebotener Einheiten errechnet? Welchen Einfluss hat die Vergabepraxis? Welche Variable ist dem Anbieter am wichtigsten? Viele Projekte scheitern, aufgrund von keinen oder nur Teilen der vereinbarten Resultate. Um diese Gefahr zu senken und die Verhandlungen souveräner meistern zu können, sollte man die bevorzugten Variablen des Anbieters erkennen und Typ S von Typ R unterscheiden lernen. Der Charakter des Anbieters zeigt sich im Angebot.