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Die Geschäftsabläufe sind nur selten das Problem

Durch die Digitalisierung steigt der Anteil der maschinell hintereinander ablaufenden Arbeitsschritten, die Rechner in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit abwickeln. Damit erfüllt sich der Traum von vielen Ablaufgestaltern – endlich lassen sich die Abläufe zuverlässig einführen. Dass sich nur einfache Abläufe festlegen lassen, übersehen sie bei der Menge der Unterlagen bzgl. Inputs, Outputs, KPIs und Ablaufschritten. Die VUCA-Wirklichkeit erfordert jedoch die Fähigkeit, auf kurzfristige Veränderungen zu reagieren. Und diese Fähigkeiten bieten weiterhin nur Menschen – wenn auch nicht so schnell wie die Rechner. Trotz fortschreitender Digitalisierung müssen weiterhin die Blockaden der vergangenen Jahre berücksichtigt werden.

Es ist ein überraschendes Phänomen, dass die Menschen, die am meisten mit den Geschäftsprozessen arbeiten, die größten Hindernisse für die Umsetzung darstellen. Schon Peter Drucker hat es auf den Punkt gebracht: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ Die nächsten Punkte illustrieren solche Mängel.

  • Prozesse sind kein Code
    Auch wenn Digitalisierung im Moment die Geschäftsabläufe wieder auf die Tagesordnung bringt, so bleiben weiter die Herausforderungen eben die Teile, die weiterhin von Menschen ausgeführt werden. Die Abläufe sind kein Programmcode, den man bei den Mitarbeitern „hochlädt“ und dann läuft alles wie geschmiert. Es ist eher so, dass alles läuft TROTZ der festgelegten Abläufe.
    Dies erfordert die Berücksichtigung der Mitarbeiter bei der Beschreibung der Aktivitäten. Es muss nur soviel festgelegt werden, dass die fehlenden Feinheiten von den Mitarbeitern hinzugefügt werden können, sobald sie den Ablauf verstanden haben.
  • Beschrieben ist nur die halbe Miete
    Da wir alle getrieben sind von Vorgaben, müssen die Ergebnisse, die wir erzeugen, messbar sein. Es geht nicht darum, die Beschreibung abzuschaffen – Nur Druckbares ist Wahres. Wichtiger ist es, dass man nicht aufhört, wenn der Fluss beschrieben ist. Was nützen die besten Anweisungen, wenn keiner sie erfüllen kann. So mancher Verantwortlicher verschanzt sich hinter der von ihm kreierten Flut an Flussdiagrammen und vergisst, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt.
    Die Betroffenen müssen in die Prozessdenke eingeführt werden, den geschäftlichen Ablauf verstehen und ihren Anteil an der Umsetzung erkennen – desto früher, desto gut
  • Prozesse sind Topmanagementaufgabe
    Die größten Hürden bei der Umsetzung sind die Entscheider. Natürlich sind sie am Anfang Feuer und Flamme und verkünden die notwendigen Leitgedanken – durchgängig vom Anfang bis zum Ende. Es dauert meistens nicht lange bis wieder andere Themen wichtiger werden – leider bevor die prozessualen Maßnahmen vollständig umgesetzt sind. Damit unterminieren die Führungskräfte ihre eigenen Absichten und stehen innerhalb kürzester Zeit vor dem Scherbenhaufen ihrer Wünsche – was sie nicht davon abhält, auf den Scherben bereits die übernächste Initiative zu starten. Über die Zeit führt das zu einem Multi-Projekt-Portfolio, zu endlosen Umpriorisierungen, frustrierten Mitarbeitern und dem Wunsch von oben: Das Eine tun, ohne das Andere zu lassen.Solange die Entscheider die Abläufe nicht bei allen ihren Aufgaben berücksichtigen und sicherstellen, dass sie am Ende nicht stecken bleiben, solange haben die Geschäftsabläufe keine Chance ihre Wirkung zu erzielen.
  • Was der Bauer nicht kennt
    Obwohl diese Aktionen den geschäftlichen Alltag durchdringen und eigentlich alle Mitarbeiter und Führungskräfte betroffen sind, unternehmen die Verantwortlichen große Anstrengungen, die Prozessbeschreibungen so zu schützen, dass nur Ausgewählte einen Einblick erhalten. Selbst nachdem die Abläufe für gut befunden und freigegeben sind für die Einführung, werden nur selten Anstrengungen unternommen, die Mitarbeiter umfassend zu informieren. Es gibt kein Big Picture, dass ihnen das grobe Zusammenspiel erklärt, oder die kritischen Herausforderungen, oder die neuen Fähigkeiten, die benötigt werden, oder den Workflow, der dann tatsächlich von den Mitarbeitern ausgeführt werden soll. Die Folge ist vorhersehbar – was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.
    Solange die Abläufe als Geheimwissen behandelt werden, indem die Notation nicht erklärt wird, die Beschreibungen nicht verfügbar gemacht werden und die Betroffenen sich nicht beteiligen können, werden die Mitarbeiter widerständig den Tsunami über sich hinwegziehen lassen, ohne etwas zu verändern – so wie üblich.

Fazit: Die Digitalisierung schreit mal wieder nach neuen Abläufen – für alle Regionen, Kulturen und Sprachen. Geschäftsprozessmanagement (GPM/BPM) ist eine altehrwürdige Disziplin, sodass es keine Unbekannten mehr gibt. Alle Elemente, die Vorgehensweisen, Methoden und Formate, liegen als Best-Practices vor. Und trotzdem laufen die Initiativen unbefriedigend. Das liegt unter anderem an

  • Falschem Verständnis: Prozesse sind kein Code
  • Fehlender Vermittlung: Beschrieben ist nur die halbe Miete
  • Mangelnder Unterstützung: Prozesse sind Topmanagementaufgabe
  • Echtem Widerstand der Betroffenen: Was der Bauer nicht kennt

Solange die Betroffenen vergessen werden und die Führungskräfte sich weiter das hausgemachte Durcheinander leistet, werden die Zyklen der unbefriedigenden BPM-Aktivitäten sich wiederholen. Die Geschäftsabläufe sind dabei nur selten das Problem.

Verzicht verbessert den Prozess

Auch wenn wir auf über zwanzig Jahre Business Process Engineering zurückblicken können, sind die Geschäftsabläufe immer noch durch Aktivitäten belastet, die die knappen Mittel verschwenden, die zu Verzögerungen führen und die die Mitarbeiter demotivieren. Aus diesem Grund gibt es regelmäßig den Bedarf die Abläufe zu entschlacken, indem durch Verzicht der Prozess verbessert wird.

Prozessoptimierung

Um dies zu ermöglichen, sollten die Vorgänge dokumentiert vorliegen. Fehlen entsprechende Beschreibungen, so kommt man nicht umhin, die Abläufe mit den erforderlichen Details zu ermitteln. Bereits auf der obersten Ebene, der Prozesslandkarte, finden sich mögliche Kandidaten, z.B. ganze Bereiche, die fremdvergeben werden können. Die eigentlichen Geschäftsprozesse können dann nach unnötigen Prozessschritten durchsucht werden, in dem die folgenden Aspekte betrachtet werden.

  • Den Schwerpunkt auf die Kernaufgaben legen
    Ursprünglich haben Unternehmen die gesamte Wertschöpfung intern abgewickelt, von der Herstellung des Stahls bis zum fertigen Fahrzeug. Mittlerweile bieten Dienstleister fast alle Funktionen als Services an – von der Verpflegung, über die Verwaltung der Gebäude und dem Fuhrpark, bis hin zu den Services der IT und der Produktentwicklung.
    Um die Abläufe auf die Kernaufgaben auszurichten, werden der strategische Kern festgelegt und die anderen Funktionen fremdvergeben. Intern verbleibt nur noch die Koordination der externen Partner.
  • Tätigkeiten vereinfachen
    Häufig sind Abläufe belastet durch alte Tätigkeiten, die nicht mehr erforderlich sind, z.B. Dokumente zu verwalten oder die Verteilung von Protokollen. Da die Informationen elektronisch gespeichert sind, stehen den Mitarbeitern, durch entsprechenden Zugriff, die erforderlichen Informationen jederzeit zur Verfügung.
    Die Tätigkeiten lassen sich mittels der durchgängigen Nutzung der aktuellen IT an vielen Stellen vereinfachen.
  • Kontrollaufgaben eliminieren
    Abhängig von der vorherrschenden Kultur sind Abläufe durchdrungen von Kontrollen und Nachbesserungsschleifen. Durch das Vier Augen Prinzip werden die Beteiligten entmündigt und der Ablauf gebremst.
    Die Auflösung der Kontrollaufgaben macht die Prozesse schneller und die Güte der Ergebnisse steigt mit der eigenverantwortlichen Kontrolle durch die Beteiligten.
  • Abläufe verkürzen
    Die Tendenz, die Anzahl der Abläufe gering zu halten, führt zu überfrachteten Ungetümen. Schnell werden verschiedene Tätigkeiten zu einem Ablauf verbunden, z.B. der Vertriebsprozess, der Personalprozess, der Entwicklungsprozess. Dabei wird schnell vergessen, dass ein Prozess nicht unterbrochen sein soll.
    Durch die Orientierung an den natürlichen Bruchstellen lassen sich diese Monster aufteilen bzw. verkürzen.
  • Sinnlose Verschwendung streichen
    Eigentlich gibt es keine sinnlosen Tätigkeiten, da für jede eine unbestreitbare Erklärung verfügbar ist, die den Nutzen für den Einen oder Anderen aufzeigt..
    Aus diesem Grund sollten alle Tätigkeiten hinterfragt werden, ob sie einen Mehrwert für die Ergebnisse liefern. Sofern diese Begründung nicht sachlich nachvollziehbar ist, sollte die Tätigkeit ersatzlos gestrichen werden.

Fazit: Durch Verzicht auf Tätigkeiten können Geschäftsprozesse reibungsfreier gestaltet werden. Sie werden schneller, erzielen bessere Ergebnisse und geben den Mitarbeitern die Zeit, um die Kernaufgaben konzentriert zu erfüllen.