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Wem gehört eigentlich eine Tatsache?

Sobald die virtuelle Mundpropaganda unmittelbar alle erreicht, geht der Beitrag eines Boten, dem Überbringer der Neuigkeit oder kurz die Leistung der traditionellen Medien, verloren. Die Agenturen können nicht überall Reporter am Ort des Geschehens stationieren. Gleichzeitig finden sich allerorts Welt Zeugen, die mit einfachsten Mitteln eine Nachricht enthüllen und publizieren können – mit ihrem Handy via Facebook oder Instagram. Darüber hinaus arbeiten Journalisten nach einem bestimmten Vorgehen, das mehr Zeit benötigt für die Recherche. Wenn dann noch der Fall einer lokalen Zeitung bekannt wird, die einen Artikel aufwendig recherchierte, der dann ohne Quellenangabe in einer überregionalen Zeitung erschien, kommt man ins Grübeln. Unterstellt, dass die Nachricht nicht Wort für Wort kopiert wurde und es sich nur um die Meldung des eigentlichen Sachverhaltes handelte, stellt sich die Frage, wem die Nachricht eigentlich gehört – den Quellen, die die Gegebenheiten berichten? Dem Journalisten, der aufwendig recherchiert? Dem Veröffentlichungsmedium, das die Nachricht veröffentlicht? Den Zeugen, die die Inhalte beschaffen, aufbereiten und veröffentlichen?

Tatsachen sind keine persönlichen, geistigen Schöpfungen und damit per se nicht schützenswert. Allerdings könnte man Argumente finden, die die geistige Schöpfung und vor allem die Vergütung der Nachricht nahelegen. Betroffen sind beispielsweise die folgenden Rollen.

  • Die Reporter
    Es gibt viele Blickwinkel, aus denen eine Nachricht erzeugt werden kann. Dazu gehört der Aufwand Quellen zu finden, zu sammeln und auszuwerten, um die Gegebenheiten schließlich zu einer Nachricht zu verdichten und aufzubereiten. Sobald die Nachricht veröffentlicht ist, kann sie von allen als Fakt wiederverwendet werden – solange man sie nicht einfach kopiert. Die Kosten, die, durch die Journalisten und ihre Nachforschungen anfallen, bleiben an dem Verfasser oder der Agentur hängen, während die Trittbrettfahrer die Tatsache ausschlachten. Macht das Reporter zu Urhebern?
  • Die Korrespondenten
    Eine Sonderform der Reporter sind die Berichterstatter, die über die Welt verteilt, die Redaktion repräsentieren. Die Güte einer Tatsache ist bestimmt durch ihre Vollständigkeit, Richtigkeit, Aktualität, Relevanz und Nachvollziehbarkeit (z. B. durch mehrere, voneinander unabhängige Quellen). Die heutigen Informationsblasen und Echokammern funktionieren meinungsverstärkend. Die Korrespondenten integrieren mit viel Aufwand die verschiedenen Berichte von Journalisten, um ihren eigenen Blickwinkel herauszuarbeiten. Auch diese Ausgaben sollten durch entsprechende Einnahmen abgedeckt sein. Macht das die Korrespondenten zu Urhebern?
  • Die Redakteure
    Aufgrund der Flut von schwer prüfbaren Details zu einem bestimmten Ereignis, müssen Nachrichten einen Auswahlprozess durchlaufen, um Inhalte von Nicht-Inhalten zu trennen, d. h. die Einzelheiten herauszufiltern, die nicht zuverlässig genug sind und damit den Status eines Fakts nicht erreichen. Die inhaltliche und politische Ausrichtung ist dabei genauso entscheidend für die Redakteure, wie die Notwendigkeit, die ereignisreichsten Daten zu nutzen. Dies kann in Ermangelung von zuverlässigem Material dazu führen, dass schnell auf unbestätigte Handyvideos von Zeugen zurückgegriffen wird – natürlich mit dem entsprechenden Hinweis, dass kein verlässlicheres Material verfügbar ist. Macht die redaktionelle Arbeit die Redakteure zu Urhebern?
  • Die Texter
    Eine Nachricht ist erst mal ein Sachverhalt, der aufbereitet werden muss. Dies beginnt mit der Auswahl der Originalsequenzen und Bilder und geht bis zur Formulierung des Nachrichtentexts. Die Nutzung von Fahnen- bzw. Stigmawörtern gibt JEDER Nachricht einen Ton, der unbemerkt das Ereignis bewertet – beispielsweise wenn ein Attentäter einer bestimmten Herkunft Terrorist genannt wird, während ein anderer als geistig verwirrt. Auch wenn die Rolle des Schreibers heute zumeist eine der obigen Rollen übernimmt, muss getextet werden. Macht das die Texter zu den Urhebern?
  • Die Verursacher
    Vergessen wir nicht die, die ein Ereignis auslösen. Dazu gehören Politiker, Prominente, Veranstalter, Richter, Unfallverursacher, Lebensretter und all die anderen, die eine Nachricht wert sind. Im gewissen Sinne sind sie ja die Erzeuger der Nachricht. Ohne diese Protagonisten gäbe es ja keine Nachrichten. Macht das die Verursacher zu den Urhebern?

Die Quellen, die Journalisten und das jeweilige Medium sollten einerseits für ihren Beitrag gewürdigt werden und andererseits die angefallenen Aufwendungen sich auszahlen. Der originale Text ist aus sich heraus durch das Urheberrecht geschützt und darf nicht unentgeltlich wiederverwendet werden. Inwieweit das auch für die eigentlichen Fakten, deren Zusammenspiel und der sich ergebenden Einsicht gilt, ist schwierig zu beantworten. Für die Nachrichtenmedien geht es dabei ums Überleben.

Fazit: Die Diskussion des Urheberrechts ist noch nicht bei den sogenannten Fakten angekommen. Da die Glaubwürdigkeit von Fakten häufig infrage gestellt wird, entsteht allmählich das generelle Verständnis, dass in jedem Fakt auch gestalterische Leistung steckt – die dann auch schützenswert werden könnte. Wenn dann noch immer mehr Einzelpersonen ihre eigenen Kanäle eröffnen und sogar eine interessierte Gefolgschaft um sich scharen, dann zeichnet sich das Ende der vierten Gewalt an, der Presse. Wenn Tatsachen wie Waren behandelt werden, dann folgen sie auch den Regeln von Angebot und Nachfrage. Spätestens dann wird die Frage aufkommen: Wem gehört eigentlich eine Tatsache?

Who actually owns a fact?

As soon as the virtual word of mouth reaches everyone immediately, the contribution of a messenger, the conveyor of the fact or briefly the performance of the traditional media, gets lost. Agencies can’t deploy reporters everywhere at the place of the news. At the same time, there are witnesses everywhere, who can unveil and publish a message with the simplest means – with their mobile phone via Facebook or Instagram. In addition, journalists work according to a certain working standard that requires more time for research. If then the case of a local newspaper becomes known that researched an article extensively that appeared then without indication of source in a nationwide newspaper, one starts thinking. Assuming that the news was not copied word by word and that it was only the message of the actual facts, the question arises, who actually owns the message. The sources that report the circumstances? The journalist, who does the extensive research? The publication medium that publishes the news? The witnesses, who obtain, prepare and publish the content?

Facts are not personal, intellectual creations and therefore per se not worth protecting. However, one could find arguments that suggest the intellectual creation and above all the compensation for the news. For example, the following roles are affected.

  • The reporters
    There are many perspectives from which a news can be generated. This includes the effort of finding, collecting and evaluating sources in order to eventually condense and prepare the circumstances into a news. Once the message is published, it can be reused as a fact by anyone – unless you simply copy it. The costs accrued for the journalists and their investigations stick to the writer or the agency, while the copy-cats exploit the fact. Does that make reporters creators?
  • The correspondents
    A special type of reporter is the rapporteur, who is located all around the world and represents the editors. The quality of a fact is determined by its completeness, accuracy, up-to-dateness, relevance and traceability (e.g. through several independent sources). Today’s information bubbles and echo chambers amplify opinions. The correspondents integrate with a lot of effort the different reports of reporters in order to work out their own point of view. These expenditures should also be covered by appropriate revenues. Does that make the correspondents creators?
  • The editors
    Due to the flood of hard-to-verify details about a particular event, news have to go through a selection process to separate content from non-content, i.e. filter-out the details that are not reliable enough to reach the status of a fact. The content and political orientation is just as significant for the editors as the need to use the most eventful data. This can lead in the absence of reliable material to quickly using unconfirmed smartphone videos of witnesses – with the corresponding indication that no more reliable material is available. Does the editorial work turn the editors into creators?
  • The copywriters
    A news is first of all a fact that has to be prepared. This begins with the selection of the original sequences and images and continues with the formulation of the message text. The use of flag or stigma words gives EVERY message a tone that rates unnoticed the event – for example, when an assassin of a certain origin is called terrorist, while another is called mentally confused. Even if nowadays the role of the writer is usually part of one of the above roles, texts have to be written. Does that make the copywriter the creator?
  • The perpetrators
    Let’s not forget those that trigger an event. These include politicians, celebrities, organizers, judges, those responsible for accidents, lifesavers and all the others who are worth the news. In a certain sense they are the creators of the news. Without these protagonists, there wouldn’t be any news. Does that make the perpetrators the creators?

The sources, the journalists and the respective medium should on the one hand be appreciated for their contribution and on the other hand the expenses accrued should pay off. The original text is protected by copyright and may not be reused free of charge. To what extent this also applies to the actual fact, their interplay and the resulting insight is difficult to answer. For the news medium, it’s all about survival.

Bottom line: The discussion of copyright has not yet reached the so-called facts. Since the credibility of facts gets frequently questioned, the general understanding is gradually emerging that every fact also contains creative achievement – which could then also become worth protecting. If then more and more individuals open their own channels and even rally an interested fellowship, then the end of the Fourth Power, the Press, arises on the horizon. If facts are treated like goods, they also follow the rules of supply and demand. Then, at the latest, the question will arise: Who actually owns a fact?