Archiv der Kategorie: Trends

In diesem Bereich werden Zukunftsthemen, Trends und Szenarien diskutiert.

Wem gehört der Fortschritt?

Vergessen wir mal für einen Moment die Rechteinhaber von grundsätzlichen Verfahren wie Pflügen, Schneiden und Hacken – auch wenn es sich dabei um Erfindungen handelt, die die Menschheit auf den Weg gebracht haben, auf dem wir uns heute noch bewegen. Sprache und Schrift ermöglichen es uns die Gedanken auszudrücken, ohne dass wir für das Sprechen und Schreiben derzeit Lizenzen oder Gebühren zahlen müssen – wenn wir mal von den Medien zur Veröffentlichung absehen. Antibiotika wurde bereits bei den alten Ägyptern eingesetzt. Erst die Veröffentlichung von Alexander Fleming und der flächendeckende Einsatz im Zweiten Weltkrieg führten zu den heutigen Ausprägungen von Penicillin. Oder erinnern wir uns an die grafische Benutzeroberfläche, für die die Welt Steve Jobs dankt, obwohl das originale Heureka Xerox hatte. In der Vergangenheit war das größte Problem eine bestimmte Lösung nicht zu kennen. Heute gibt es Anwendungen, die schwierige Situationen beheben, aber einzelnen Unternehmen gehören, die darüber entscheiden, ob und zu welchem Preis sie verfügbar sind. Denke man nur an den medizinischen Wirkstoff Ocrelizumab, der im Rahmen der Behandlung aktiver rheumatoider Arthritis (RA) ein Zehntel des heutigen Preises im Rahmen einer MS-Therapie kostete. Sollten lebensverlängernde Dinge nicht unabhängig von ökonomischem Kalkül verfügbar sein?

Wem gehören eigentlich all die Fortschritte, die gemacht werden? Und wer kann über ihre Anwendung entscheiden? Mögliche Kandidaten sind die folgenden.

  • Entdecker/Erfinder
    Im Interesse weiterer Fortschritte sind die Urheber für ihre Anstrengungen zu vergüten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie langfristig die Macht haben sollten, über die weitere Nutzung zu entscheiden oder die Preisgestaltung nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage zu bestimmen.
  • Unternehmen
    Auch Unternehmen, die über lange Zeit in die Erforschung investiert haben, haben einen Anspruch auf die Kompensation ihrer Anstrengungen. Die Honorierung ihrer Forschung sollte sich nicht nur auf die gelungenen Entdeckungen beschränken, sondern auch für Entwicklungen erfolgen, die noch nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben. Dadurch entfallen die Argumente für eine übertriebene Kommerzialisierung.
  • Staat
    Als Repräsentant der Bevölkerung wären staatliche Stellen die ideale Zuständigkeit, wenn Staaten nicht nationale Interessen verfolgen würden. Ein abschreckendes Beispiel, wohin das „Wir zuerst” führt, können wir derzeit beobachten. Derartige Staatsdiktaturen sind kein angemessener Verwalter des Fortschritts.
  • Menschheit
    Übrig bleibt nur noch die Gesamtheit der Menschen. Grundsätzliche Entwicklungen, wie bestimmte Medikamente, das Internet und Allgemeingüter (z.B. Straßen, Gleisanlagen, Wasserquellen, Energieerzeuger, Strom- und Kommunikationsnetze), die von allen genutzt werden, sollten nicht durch Konzerne verwaltet werden, sondern durch neutrale, allen verpflichtete Organisationen GERECHT verfügbar gemacht werden.

Fazit: Die Tatsache, dass der Fortschritt durch die Ökonomisierung nicht gerecht verteilt wird, ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt in vorgeschichtliche Zeiten, als bestimmte Klassen für das Gemeinwohl zuständig waren – mit einer aus heutiger Sicht grenzenlosen Ignoranz der Bedürfnisse der Allgemeinheit. Dem Einsatz von Menschenleben sind die heute noch sichtbaren Artefakte zu verdanken – Hunderttausende Tote bei der Errichtung der Chinesischen Mauer; Zehntausende Todesfälle beim Bau des Panamakanals. Nachdem Verlust einer verpflichteten Moral, beuten heute Konzerne Neuerungen bedenkenlos aus, um das eigene Goldene Kalb immer weiter wachsen zu lassen. Selbst wenn man nicht der Erfinder einer Benutzeroberfläche ist, hat man keine Hemmungen die Wettbewerber zu verklagen, wenn auch sie sich bei Anderen inspirieren. Am Ende handeln sie nur noch nach den Gesetzesbüchern – oder besser gesagt innerhalb deren Lücken. Jeder Spalt, den die Anwälte freilegen, wird genutzt, um persönlichen Mehrwert außerhalb der Gesetze zu schaffen. Steigt der Wohlstand von Einigen, so findet das IMMER auf Kosten Anderer statt. Da am Ende jedoch alle vom Kollaps des Ganzen betroffen sind, wird es früher oder später eine Institution geben, die sich um die gerechte Verteilung kümmern wird, denn der Fortschritt gehört allen.

Der Blick in die Zukunft

Unsere Äußerungen sind von Natur aus auf das beschränkt, was wir mit Worten, Bildern und anderen Hilfsmitteln ausdrücken können. Die anfallenden Zeichen erschließen sich jedem unterschiedlich. Und obwohl wir wissen, dass es Menschen gibt, denen einzelne Sinneskanäle fehlen, wenn sie beispielsweise blind oder taub sind, können wir uns nur schwer vorstellen, dass uns weitere Kanäle fehlen. So spricht Rudolf Steiner von der Fähigkeit in der geistigen Welt wahrnehmen zu können – was nicht allen vergönnt ist, wir es uns nicht erlauben oder weil wir es einfach nicht bemerken. So wie es eine spirituelle Blindheit gibt, fehlt manchen die Fähigkeit in die Zukunft blicken zu können. Und wenn jemand über diese Gabe verfügt, dann wird ihm empfohlen: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Dabei ist der Blick in die Zukunft eine elementare Voraussetzung, um die Gegenwart zu gestalten, sodass man in der angestrebten Zukunft ankommt.

Für alle, denen die Übung fehlt, die Zukunft zu antizipieren, betrachten wir mal unterschiedliche Formen der Vorausschau.

  • Vision
    Die Vision ist der visualisierte Eindruck eines Zukunftsbildes. Es bietet einen Schnappschuss der vorgestellten künftigen Gegebenheiten – im nächsten Jahr, in zehn Jahren oder noch weiterer Ferne. Vermittelt werden Zustände, die jemand erwartet oder befürchtet, die da sind Utopien oder Dystopien. Die Menschen sollen dadurch begeistert oder verängstigt werden. Die fehlenden Beschreibungen dieser emotionalen Zukünfte werden von der Zielgruppe mit eigenen Details vervollständigt. Dadurch entsteht bei ihnen eine tief gehende Wirkung, die sie am Ende gefühlsmäßig mitreißt – nach unten in einem ablehnenden Teufelskreis oder sich selbst verstärkend in einer zustimmenden Aufwärtsspirale.
    Damit diese Wirkung entsteht, braucht es einen bedeutungsvollen Satz, der die Betroffenen benennt, was zu tun ist, für wen und wann.
  • Szenario
    Die verschiedenen Entwürfe sind erarbeitete Visionen mit mehr Inhalten. Dazu werden die politischen, ökonomischen, sozialen, technologischen, ökologischen oder rechtlichen Einflüsse ermittelt und mit unterschiedlichen Ausprägungen zu verschiedenen Entwürfen zusammengefasst. Als Ergebnis sollen sich deutlich unterscheidbare Extreme ergeben – bestmögliche und schlechtestmögliche. Für die einzelnen Entwürfe werden in der Folge entsprechende Förder- bzw. Gegenmaßnahmen erarbeitet.
    Wirkungsvolle Szenarien kennen keine Beschränkungen, wie stark sich die einzelnen Variablen der Einflüsse entwickeln können.
  • Strategie
    Die Ausarbeitung für die Zukunft wird unter Berücksichtigung einer bevorzugten Zukunftsvorstellung entwickelt. Hier finden sich weitere Einzelheiten der Vision, Mission, des gemeinsamen Grundverständnisses, der strategischen Ausrichtung, Ziele sowie Kerns. Sie verbindet mithilfe einer Roadmap die Gegenwart mit der vorgestellten Zukunft. Die laufenden Aktivitäten werden auf Kurs gehalten, indem sich die jährlichen Planungen daran orientieren.
    Die Güte der Marschroute ins Übermorgen zeigt sich an ihrem Fortschritt, d.h. der kontinuierlichen Annäherung an den angestrebten Wunschzustand.
  • Story
    Das Storytelling ist so beliebt, weil es ein zielgruppenorientiertes Narrativ liefert. In der Geschichte mischen sich die Gefühle der Vision mit dem detaillierten Bild der Szenarien und der Zeitleiste der Strategie. Ziel ist es, das Publikum zu begeistern und zur Beteiligung anzuregen.
    Die Story zieht ihre Kraft aus dem roten Faden, der nachhaltig im Gedächtnis bleibt und durch Mund-zu-Mund-Propaganda, ohne zusätzliche Marketingmaßnahmen, von Einem zum Anderen getragen wird. Bei dieser Weitergabe bleibt die ursprüngliche Botschaft erhalten, auch wenn sie sich durch immer neue Feinheiten weiterentwickelt. Gleichzeitig lässt sie sich einfach mit der eigenen Wirklichkeit verknüpfen, wodurch sie häufiger wiederverwendet wird.

Fazit: Die Zukunft zu kennen ist unmöglich, da die kommenden Einflussfaktoren im Vorhinein unbekannt sind. Ein gutes Beispiel ist das Internet, dass eine solch überraschende Verschiebung der Wirklichkeit für die gesamte Menschheit gebracht hat. Was wir jedoch beherrschen, ist es die Zukunft zu erahnen und im Anschluss mit Maßnahmen aktiv anzustreben. Die meisten Dinge entstehen im Verborgenen, wie man an Ludwig Kapeller sehen kann, der bereits 1926 den Begriff der Immersion beschrieben hat, just in dem Moment, als die ersten elektronischen Massenmedien aufkamen. Keine hundert Jahre später tauchen viele regelmäßig in der virtuellen Realität ihres Computers ab.
Es bleibt jedem selbst überlassen, ob und wie sie nach vorne schauen: mit einer Vision, mit Szenarios, der definierten Strategie oder einer gut erzählten Story. Entscheidend ist es, sich diesen Blick in die Zukunft zu erlauben. Nur so hat man die Möglichkeit, sie zur Wirklichkeit zu MACHEN.