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Der richtige Moment

Sachverhalte zu betrachten ist eine Form des Nachdenkens. Dabei machen wir uns Auslöser, Abläufe, Abhängigkeiten und Effekte bewusst. Während eine Maßnahme abgewickelt wird, kümmern wir uns aufmerksam um den aktuellen Schritt. Dadurch fehlt in diesem Moment der nötige Abstand zu unserem Tun. Dies verstellt uns den Blick auf Zusammenhänge und mittelbare oder langfristige Auswirkungen. Darüber hinaus wird viel Zeit in die Diskussion von unnötigen Sachverhalten verschwendet. Dies findet vorab statt, selten während und eher rückblickend, um beispielsweise Verantwortliche für das Scheitern zu finden. Der beste Zeitpunkt, um etwas zu lernen, ist am Ende eines Abschnitts. Dabei ist es unwichtig, ob es sich um ein Zeitalter, Paradigma, Vorhaben, eine Phase oder ein Arbeitspaket handelt.

Die Amplitude und Dauer eines Durchlaufs verläuft nicht so gleichmäßig, wie oben idealtypisch dargestellt. Jeder Abschnitt folgt einem eigenen Ausschlag und dauert bei jeder Runde verschieden lang. Dadurch endet zu jeder Zeit mindestens eine Phase. Diese Meilensteine sind entweder das Ende einer Unternehmung oder der Übergang zu einer Folgephase. In diesem Moment sind alle Aktivitäten abgeschlossen. Es fehlen nur noch die mittel- und langfristigen Auswirkungen, die sich von allein ergeben. Es gibt keinen besseren Moment, um auf eine vollendete Aktion zu blicken. Ob wir glauben, dass sich die Vergangenheit wiederholt oder nicht, ist dabei unwesentlich. In der Rückschau haben wir eine ausreichende Distanz, um die Zusammenhänge zu erkennen. In jedem Fall werden immer Aspekte sichtbar, die längerfristig gültig sind. Die Dauer eines Vorhabens und der Phasen beträgt bei einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Initiative schnell Monate oder Jahre. Ein agiles Projekt führt einen Sprint in vier Wochen durch und eine militärische Eingreiftruppe braucht für eine Aktion eine Nacht. Am Ende von allen Aktivitäten bietet es sich an, auf die Geschehnisse und Ergebnisse zurückzublicken. Das Erlebte ist im Gedächtnis noch leicht abrufbar. Die Teilnehmer erinnern sich kurz danach an die Durchführung, was getan werden sollte, wie es stattgefunden hat und was es dabei zu lernen gibt. Sie könnten am Ende eines jeden Arbeitstages Erkenntnisse aus den Tätigkeiten und Ergebnissen ziehen, um am nächsten Tag besser zu sein. Allerdings belasten regelmäßige kurzfristige Termine die Arbeitszeit. Deshalb sollten wir ausreichende Meilensteine festlegen, aber nicht mehr.

Wir haben durch diese After Action Reviews folgende Vorteile:

  • Frühzeitig scheitern
    Je früher wir einen Holzweg erkennen, umso eher können wir die Sackgasse wieder verlassen. Dies spart Zeit und Geld. Es vermeidet Aufwände für etwas, das nicht mehr zum Einsatz kommt. Ganz zu schweigen von den unnötig abgestimmten Verbindungen zu parallelen Aktivitäten, die ebenfalls nicht mehr benötigt werden.
  • Frühzeitig lernen
    Als Individuen lernen wir unbewusst ständig dazu. Wir verbessern unser Tun, sobald eine Hürde auftaucht, und finden eine Lösung, die das Problem umgeht. Wenn sich das Ganze wiederholt, übernehmen wir den gefundenen Umweg in unsere Routine.
  • Frühzeitig anpassen
    Seit Lean Management schauen alle nach Japan. Die Mitarbeitenden können dort die Produktionslinie anhalten, wenn sie einen Fehler feststellen. In kürzester Zeit wird die Fehlerquelle ausgemacht und behoben. Dadurch wird verhindert, dass sich Fehler vervielfältigen und in der Folge die Nacharbeitskosten explodieren.

Fazit: Meilensteine entstehen nicht von allein. Sie werden etabliert. Jede Anstrengung braucht eigene Meilensteine mit einer gewissen Häufigkeit. Idealerweise haben die Aktivitäten einen ausreichenden Fortschritt erzielt, wenn durch den Rückblick zukünftig unnötige Fehlentwicklungen vermieden werden. Gleichzeitig werden alle Beteiligten auf den aktuellen Stand gebracht. Der Abschluss einer Phase ist dabei der richtige Moment. Teilnehmer sind noch verfügbar und die Erinnerungen sind wacher als irgendwann später.

Mittel schlägt Regel

In der Heckwelle von langfristigem Wachstum und bewältigten Krisen wuchert Bürokratie in allen Ecken eines Unternehmens. Dies gilt vor allem für große Betriebe, die das wilde Wachstum zusätzlich befeuern, indem sie Stellen für Fachleute schaffen, die den Amtsschimmel mit immer neuen Regelungen erweitern, ohne alte abzuschaffen. Dies passiert vor allem durch die Schaffung von neuen Regeln, die die Verantwortung an die Anwender übertragen – anstelle Mittel bereitzustellen, denen die Umsetzung bereits einprogrammiert ist.

Die entsprechenden Tools reichen von selbsterklärenden Formularen, über bereitgestellte Methoden zur Abarbeitung, bis hin zu Apps, die den Anwendern die erforderlichen Lösungen anbieten. Formulare gibt es schon lange, allerdings sind sie häufig nicht wirklich selbsterklärend. Das Mittel schlägt die Regel bei der Wirksamkeit aufgrund der folgenden Effekte.

  • Du wählst aus, anstelle zu befolgen
    Werkzeuge lösen Aufgaben, die so vorbereitet sind, dass die beabsichtigten Ergebnisse am Ende herauskommen. Dies zwingt den Beamtenapparat, im Vorhinein zu überlegen, wie die Ergebnisse aussehen sollen, was man für das Ergebnis braucht und in welchen Schritten man es erreicht. Je nach Aufgabenstellung kann dieses der kürzeste Weg sein oder ein verzweigtes Wegenetz, das auch komplexe Anforderungen und persönliche Vorlieben bei der Abarbeitung zulässt. Der Anwender wählt aus, anstelle Vorgaben zu befolgen, die ihm bei der Umsetzung nicht helfen würden, da sie nur bestimmen, was man nicht darf – lieber aktiv als passiv.
  • Du lernst, anstelle dich zu entschuldigen
    Ungeschickterweise ziehen Regeln nur Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, ohne klar zu sagen, was zu tun ist bzw. wie man Ziele erreicht. Die Beschränkungen, die ein Teil der Vorgaben sind, behindern zusätzlich – ganz zu schweigen von den entmutigenden Effekten wiederholter Entschuldigungen. Ausweg bieten Werkzeuge, deren Gebrauch die Bereitschaft zu lernen und eine umfassende Einführung brauchen – lieber offen als verschlossen.
  • Du agierst, anstelle zu überlegen
    Routinemäßiges Verhalten ist zu Beginn einer neuen Lösung noch nicht möglich. Es erfordert die wiederholte Durchführung und die Entwicklung von persönlichen Erfahrungen, um eine Routine zu verinnerlichen. Durch die Bereitstellung von Tools, die so vorbereitet sind, dass sie den Anwendenden Handlungsspielräume bieten und gleichzeitig das gewünschte Ergebnis erzeugen, agieren alle in dem bereitgestellten Rahmen. Über die Zeit werden Erfahrungen ausgetauscht, man bereichert sich gegenseitig und schafft damit bestmögliche Ergebnisse. Regeln bieten im Gegensatz dazu wenige Hinweise zum Vorgehen. Sie führen zu immer neuen Ansätzen, um die fehlerfreien Resultate zu schaffen – lieber praktizieren als zu theoretisieren.
  • Du leistest, anstelle zu improvisieren
    Die Vermeidung von unnötigen Aktivitäten ist ein Grund für die Aufstellung von Regeln. Das Rad wird durch die unterschiedliche Abwicklung der Aufgaben immer wieder neu erfunden und erzeugt in der Zusammenarbeit weitere Aufwände, die die Potenziale der Teams unterminieren. Allerdings führen die Hinweise, was man nicht darf, dazu, dass die Mitarbeitenden ihre Energie in die persönliche Optimierung stecken. In der Folge werden offensichtliche Schwachstellen aus Angst vor Nachteilen nicht behoben. Mithilfe von entsprechenden Tools sind die Lösungswege gut vorbereitet und lassen sich durch entsprechender Feedbackschleifen leicht nachjustieren. Diese Leistungssteigerungen des Unternehmens werden als hilfreiche Werkzeuge ingenieursmäßig vorbereitet – lieber geradlinig, als zu mäandern.
  • Du passt das Tool an, anstelle Dich
    Regeln beinhalten meistens grob vorgeschriebene Abläufe. Die Tücke liegt im Detail, wenn die Umsetzung zu unterschiedlichen Zwischenergebnissen und damit zu unterschiedlicher Güte der Ergebnisse führt. Damit das Ganze überhaupt funktioniert, passen sich die Beteiligten an die Vorgaben an, wodurch ein großer Teil ihrer möglichen Zusatzbeiträge verloren geht. Geschickter ist die Bereitstellung eines Tools, dass die Anwender an ihre Bedürfnisse anpassen können, d.h. Werkzeuge, die alternative Wege zum Ergebnis den verschiedenen Persönlichkeiten bereitstellen, z.B. Top-Down- oder Bottom-Up-Vorgehen; Frontloading, Just-in-time, oder Backloading. Mit der Zeit laufen die Erfahrungen der Mitarbeiter in das Werkzeug ein und es wird immer passender – lieber beherrschen als beherrscht zu werden.
  • Du findest, anstelle zu entwickeln
    Ein Tool kann oft mehr als ursprünglich vorgesehen. Denken wir an einen Schraubenzieher – Schrauben festziehen oder lösen; etwas aufhebeln oder aufstemmen; Löcher stechen oder ausweiten; etwas stützen; usw. Administrative Tools, wie Mechanismen zur Beantragung und Freigabe, können in unterschiedlichen Umgebungen wiederverwendet werden. Man verfügt dann über eine standardisierte Lösung, die nach kurzer Zeit für alle zur allgemeinen Praxis wird. Ganz abgesehen von dem Aufwand immer wieder die gleiche Aufgabe mit unterschiedlichen Lösungen entwickeln zu müssen – lieber wiederverwenden als neu zu erfinden.

Fazit: Der Blick auf die eigene Bürokratie ist der erste Schritt bei der Überwindung der Altlasten an Regelungen. Um zusätzliche Regelwerke zu erstellen, die den Arbeitsablauf belasten, anstelle zu entlasten, sollten neue Regeln lieber in Form von praktischen Werkzeugen eingeführt werden. Mit den entsprechenden Freiräumen in den Tools wird der Gestaltungswille der Anwender gefördert, die Grundlage für Fehlertoleranz geschaffen, Routine möglich, Verschwendung vermieden, das Wissen um das beste Vorgehen im Tool implementiert, Wiederverwendung möglich und, vor allem, unerwünschtes Verhalten minimiert. Die erwartete Vereinheitlichung und Compliance der Mitarbeiter wird damit gestaltbar – das bereitgestellte Mittel schlägt die vorgegebene Regel.