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Der Baum – die ideale Metapher für Lebenszyklen

Alles folgt dem Weg von der Wiege bis zur Bahre. Dies gilt für Lebenszyklen von Produkten, Moden, Unternehmen, Technologien, Kulturen und der Natur. Die Lebenserwartung eines TV-Geräts beträgt knapp acht Jahre, ein Video-Spiel knapp sechs Jahre, ein Smartphone gute vier Jahre. Autos haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von 18 Jahren und Flugzeuge von ca. 30 Jahren. Technologiezyklen verändern die unternehmerischen Geschäftsmodelle alle 40 bis 60 Jahre. Die römische Kultur überstand 1000 Jahre, während sich die Spanier 500 Jahre als globale Supermacht behaupteten und die USA seit ihrem Eintritt in den Ersten Weltkrieg bis heute gerade mal 100 Jahre durchhielten. Der Neandertaler ist vor ca. 30.000 Jahren ausgestorben – nach geschätzten 170.000 Jahren Besiedelung der Welt. Es gibt nichts, dass sich dem Werden und Vergehen entziehen kann.

Die folgenden Phasen bilden die Grundlage für einen ganzheitlichen Lebenszyklus.

  • Entwicklung
    Alles beginnt im Kleinen, mit einem Samen, der im fruchtbaren Boden eingepflanzt wird. Es reift etwas Neues heran und entwickelt die ersten Versionen, die mit dem endgültigen Exemplar nicht viel gemein haben. Es erfordert Offenheit und Kreativität, um viabele Ergebnisse zu verwirklichen. Die ersten Mobiltelefone, die sogenannten „Knochen“, waren nur in soweit mobil, als dass sie kein Telefonkabel benötigten. Ansonsten waren sie viel sperriger als die heutigen Smartphones. Der Schritt der Entwicklung nutzt die vorhandenen Freiräume, um zur letztendlichen Gestalt zu kommen. Die Ergebnisse sind dadurch vielfältig und gleichzeitig sehr ähnlich. Am Ende setzen sich die praktischsten Lösungen durch und bilden die Grundlage für die zukünftigen Varianten. Der Baum wächst auch unter Ausnutzung des vorhandenen Lichts und Wassers. Nach einer bestimmten Zeit hat er seinen Platz erobert, was man an seiner Form erkennt. Die Natur ist in dieser Phase spendabel und verteilt Unmengen an Samen, da nur eine geringe Anzahl eine Chance hat, zu überleben. Da dies auch für menschgemachte Dinge gilt, braucht es eine große Anzahl von Versuchen, damit einzelne es schaffen.
  • Störung
    Die sogenannte Störung ist ein wiederkehrender Entscheidungspunkt. Hier stellt sich die Frage, ob der gewählte Weg sich im Tagesgeschäft bewährt. Vermutlich sehen Sie diesen Blogbeitrag auf Ihrem Tabletcomputer. Als diese PCs in den Achtzigern das erste Mal auf den Markt kamen, waren sie noch nicht reif dafür, da die entsprechenden breitbandigen Netze noch nicht verfügbar waren. Erst 2010 hat das IPAD den Weg bereitet für die heute aktuellen Geräte. Sobald man an diesen Entscheidungspunkt kommt, sind Kriterien zur Bewertung erforderlich, die bei der Wahl helfen, ob es weiter geht oder nicht. Auch ein Baum muss sich mit Störungen auseinandersetzen. Neben seinen jährlichen aktiven Phasen (s.u.) durchläuft er einen natürlichen Lebenszyklus, der von den langen Zyklen des Klimawandels abhängt. Ändern sich die Bedingungen des Klimas so stark, dass dem Baum die Lebensgrundlagen abhandenkommen, dann beginnt der Abbau. Während die Natur robust auf die Schwankungen reagieren kann, führen fehlende Nährstoffe bei Produkten und Dienstleistungen, wie Nachfrage und Ressourcen, zu einem schnellen Einleiten des Abbaus.
  • Aktivität
    Aktivität ist der laufende Betrieb. Er läuft solange, bis in der Störung der Abbau entschieden wird. Denken wir an die heutigen Programme, die auf Smartphones laufen, die Apps. Sie werden häufig aktualisiert, solange eine entsprechende Nachfrage besteht. Danach verschwinden sie einfach vom Markt. Die kontinuierliche Verbesserung verlängert deren Einsatzdauer. Der „Betrieb“ des Baumes folgt dem Kreislauf der Jahreszeiten. Im Frühling sprießen die Blüten, die es dem Baum ermöglichen sich zu vergrößern und zu replizieren. Im Sommer nutzen die Blätter das Sonnenlicht für das Wachstum. Im Herbst fallen die Blätter ab, um Energie zu sparen und für die Kälte und das Eis weniger angreifbar zu sein. Im Winter ruht der Baum, indem er soviel Wasser wie möglich aus seinem Stamm treibt, damit die Kälte ihm nichts anhaben kann. Und dann beginnt der produktive Kreislauf von Neuem. Jeder Wechsel der Jahreszeit bedeutet dabei Stress, der durch natürliche Maßnahmen kompensiert wird. Im Geschäftsleben dreht sich alles um einfache Objekte, die wenig Flexibilität haben. Diese Produkte und Dienstleistungen werden solange genutzt, wie sie ohne Schwierigkeiten ihren Beitrag leisten. Anstelle sich an neue Gegebenheiten anzupassen, werden einfach neue Lösungen geschaffen. Aus diesen Gründen haben diese technischen Lösungen eine wesentlich kürzere Lebensdauer, als ein Baum.
  • Abbau
    Nachdem die Entscheidung getroffen ist abzubauen, wird die gewählte Option unbeirrt umgesetzt. In manchen Fällen kann sich dieses Sundowning über Jahre hinziehen. So laufen heute immer noch Großrechnerprogramme, die mit COBOL geschrieben sind, einer Programmiersprache der 1960er Jahren. Andererseits hat Microsoft entschieden, das Betriebssystem Windows XP nach 13 Jahren nicht mehr weiterzuentwickeln. Nichtsdestotrotz wird man das Betriebssystem noch finden, bis der letzte XP-Rechner verschrottet ist. Der Abbau kündigt das Ende an und führt zu einem stetigen Verfall. Die Trägheit der Organisation und der beteiligten Personen erfordert eine stringente Offenlegung der Gründe für die Auflösung sowie hoffnungsvolle Aussichten für die betroffenen Mitarbeiter. Der Abbau eines Baums zieht sich über eine viel längere Zeit hin. Zuerst sprießen weniger Blätter, dann bildet sich Moos und schließlich fault er von innen nach außen, bis er umfällt und sich auflöst – auch wenn der älteste Baum heute schon zehntausend Jahre überlebt.
  • Latenz
    Obwohl Lösungen nicht mehr eingesetzt werden, so sind sie immer noch unterschwellig verfügbar. Die Computermouse ist so ein Beispiel. Sie wurde in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts entwickelt, kam aber erst in den Achtzigern durch Apple zum weitreichenden Einsatz. Die grafische Oberfläche, die mit einer Maus gesteuert wird, hatte nicht Apple entwickelt, sondern Xerox. Da Xerox jedoch auf Kopierer spezialisiert war, verschwand die Idee in der Schublade – in der Latenz. Durch einen offenen Umgang mit latenten Ideen kommt man mit ehemaligen, funktionierenden Lösungen schneller zu Neuem. Das bedeutet, dass das Rad selten neu erfunden werden muss. Auch wenn Bäume offensichtlich verschwinden, sobald sich das Klima verändert, schafft es die Natur, sie wie aus dem Nichts, wachsen zu lassen, sobald das benötigte Klima herrscht und ausreichend Wasser verfügbar ist. Der Weg zu den latenten Lösungen führt über offenes, nicht-wertendes Brainstorming.

Fazit: Die Langlebigkeit eines Baums beeindruckt. Und trotzdem folgt er auch dem gleichen Ablauf: Entwicklung, Störung, Aktivität, Abbau und Latenz. Da alles zu verschiedenen Zeitpunkten beginnt und unterschiedlich lange dauert, erzeugen alle Lebenszyklen das Chaos, das wir im Alltag und im Geschäftsleben bewältigen müssen. So wie viele Bäume Wälder entstehen und wieder verschwinden lassen, so ermöglichen Technologien neue Geschäftsfelder und verschwinden nach einer bestimmten Zeit wieder. Werden und Vergehen mit all den Phasen machen den Baum zu einer idealen Metapher für Lebenszyklen.

Form folgt dem Lebenszyklus

Der Weg von der Idee zum fertigen Text, mit all seinen Abbildungen und Formatierungen, durchläuft in vielen Fällen einen ähnlichen Ablauf – durchdenken, thematisieren, konzipieren, formulieren, formatieren. In jedem Schritt sind besondere Formate erforderlich. Ist der Gedanke noch nicht zu Ende gedacht, dann macht eine Reinschrift noch keinen Sinn. Bereitet man die Formatierung vor, so reicht eine Skizze nicht mehr. Damit folgt die gerade benötigte Form immer dem Status im Lebenszyklus eines Textes.

Die folgenden Schritte zeigen ein paar Beispiele.

  • Reden
    Reden ist das passende Format, um eine Idee mit anderen zu teilen. Dabei werden erstmalig die Worte gefunden, die die Gedanken ausdrücken. Beim Reden entwickelt sich die Argumentation durch die Rückfragen der Zuhörer. Dies schärft den Einfall.
    Solange sich die Vorstellung noch nicht gefestigt hat, ist die ausgefeilte Erklärung noch nicht hilfreich, da die Gliederung noch nicht vorliegt.
  • Skizzieren
    Die gefundenen Worte können jetzt gesammelt und in Beziehung gesetzt werden. Dadurch entsteht langsam eine Skizze des ursprünglichen Einfalls. Jetzt ist ein guter Moment, um sich um den Wortschatz zu kümmern, der den Inhalt weiter auf das Gewünschte konzentriert.
    Eine Mindmap ist ein wirksames Werkzeug, um die Elemente zu sortieren und ein erstes Bild der Gliederung zu erhalten.
  • Entwerfen
    Auf Basis der Skizze kann jetzt die Rohfassung des Textes erstellt werden. Hier wird die Gestalt des Skripts erarbeitet. Es erscheinen die Überschriften, ein erster Rhythmus der Absätze und Ideen für die Illustrationen.
    Spätestens jetzt ist der Einsatz einer Textverarbeitung von Vorteil. Wenn hier bereits allgemeine Formate für die Überschriften, Absätze und Bilder vorliegen, erleichtert dies in der Folge die Arbeit, auch wenn es sich nicht um die finalen Formate handelt.
  • Ausarbeiten
    Irgendwann beginnt die Ausarbeitung der finalen Texte und Bilder. Dabei werden die inhaltlichen, roten Fäden, z.B. welche Metaphernfelder oder welchen durchgängigen Illustrationsstil (z.B. Photos, Grafiken, Karikaturen) man nutzen möchte, abschließend festgelegt. Ab jetzt werden die Inhalte auf die Goldwaage gelegt und in den endgültigen Zustand gebracht.
    Noch befindet man sich nicht in dem geplanten Format. Die endgültigen Inhalte sollten aber zu über 95% ausformuliert und gestaltet vorliegen.
  • Formatieren
    Um abschließend zu formatieren muss das Zielformat entschieden werden – A4-PDF, E-Book, Druckbuch (A5, Standardbuch, Textbuch A4). Daraus ergeben sich die Vorgaben des abschließenden Formats. Die Fußzeilen, Querverweise, Ränder sowie das Impressum, Klappentexte usw. brauchen jetzt den endgültigen Text.
    Man sieht zum ersten Mal, wie der Endzustand aussehen wird. Mit diesem Format führt man die abschließenden Prüfungen und letzte inhaltliche Änderungen durch.

Bei der Vervielfältigung gibt es keinen Weg zurück. Es fallen die einzelnen, nur noch mit viel Aufwand anpassbaren Exemplare aus der Druckmaschine heraus. Änderungen können nur noch durch Überkleben der falschen Stellen, durch Nachlegen von Seiten oder bei der nächsten Auflage eingebaut werden  Je nach Auflage benötigen die vorgelagerten Schritte mehr oder weniger Genauigkeit.

Der größte Fehler, der im Ablauf gemacht werden kann, ist das Überspringen eines Schrittes. Wenn beispielsweise bei der Entwicklung einer Abbildung keine Skizzen angelegt, sondern sofort Reinzeichnungen gemacht werden. Oder, wenn in Ermangelung von Ideen zu einem frühen Zeitpunkt die Formate vorbereitet werden. Niemand entwickelt ein Konzept von Grund auf mit dem finalen Inhalt und in einem Rutsch. Die Formate behindern den freien Fluss der Gedanken.

Fazit: Jeder Schritt in der Entwicklung von neuen Themen hat ein geeignetes Format. Vom Reden, über das Skizzieren, Entwerfen und Ausarbeiten, bis zum Formatieren und der abschließenden Vervielfältigung gibt es jeweils eine Form. Das Gespräch fördert das Kneten der eigenen Gedanken; die Skizze schafft die Gliederung unbelastet von verwickelten Formulierungen; die Ausarbeitung des Themas wird durch eine entsprechende Textverarbeitung erleichtert; die meisten Programme unterstützen alle Möglichkeiten der Formatierung.
Wird ein Format zu früh im Ablauf genutzt, dann bremst das die Entwicklung. Die inhaltliche Ausarbeitung ist die Pflicht, das Format ist die Kür. Darum: Die Form folgt dem Status im Lebenszyklus eines Textes – und nicht der Text dem Format.