Archiv der Kategorie: Herausgeber

In diesem Bereich werden redaktionelle Artikel gesammelt.

Raus aus der Routine

Nach einhundert Monaten wöchentlichen Bloggens steige ich aus dieser Routine aus. 2013 habe ich mit fünfzehn Kategorien begonnen (siehe Dropdown-Menü „Kategorien“ rechts), ohne einen langfristigen Plan im Sinn zu haben. Die Auswahl der Themen entstand im Laufe der Zeit spontan. Es geht vor allem um Kommunikation, Management, Bedeutungsgestaltung, Changemanagement und Governance. Zusätzlich habe ich alle Beiträge mit über 3300 Tags verschlagwortet. Die Wortwolke rechts hebt die häufigsten Schlagworte mittels Schriftgröße hervor. Die meisten deutschen Schlagworte sind Metapher, Kommunikation, Kontext, Fähigkeiten und Veränderung. In diesem Beitrag fasse ich meine Einsichten aus über acht Jahren zusammen.

Wie groß war der Aufwand?
In Ermangelung einer Stechuhr wurde das Erstellen nicht gemessen. Der Aufwand für die über 420 Beiträge ergibt sich vor allem aus den zwei Sprachen – Deutsch und Englisch. Ich strebe ca. 500 Wörter pro Post an. Die vorliegenden Artikel umfassen zwischen 300 und 1700 Wörtern. Im Schnitt schätze ich den Aufwand für einen zweisprachigen Beitrag auf durchschnittlich acht Stunden pro Woche. Die Spanne reicht von vier Stunden bis zu mehreren Tagen. Insgesamt sind einige Tausend Stunden bzw. mehr als 400 PT zusammengekommen.

Wie mein Schreibprozess aussieht
Für mich ist eine wichtige Lessons Learned der Weg von der Idee bis zur Publikation. Der typische Ablauf sieht wie folgt aus.

  1. Das Thema vorbereiten
    Im ersten Schritt wird ein Thema entwickelt, dass mir mitteilungswürdig erscheint, besonders die Recherche der dazugehörigen Aspekte. Es besteht aus den einzelnen Teilen, deren Zusammenhang und der stimmige Aufbau. Daneben entwickle ich eine vereinfachte Abbildung des Themas und übertrage es in ein metaphorisches Bild. Erst nachdem ich das Ganze strukturiert habe, fange ich an zu schreiben. In Einzelfällen zieht sich das über Wochen hin.
  2. Die Rohfassung schreiben und überarbeiten
    Mit dem Thema im Hinterkopf schreibe ich eine erste Version in Deutsch. Dabei wird das Modell in eine sprachliche Form gebracht – das Beschreiben der Begriffe, das Erklären des Zusammenhangs und das Aufzeigen von Beispielen. Am Ende fasse ich die Erkenntnisse im Fazit zusammen. Diese Version reift über Nacht und ich überarbeite sie an einem der folgenden Tage. Jetzt schaue ich dissoziiert auf den Text, als wäre er von jemand anderem. Sobald mich nichts mehr stört, lasse ich den Rechtschreib- und Grammatikcheck laufen (zurzeit: Duden-Mentor und/oder Wortliga). Anhand der Vorschläge überarbeite ich die Sätze und behebe Fehler. Um den Text verständlicher zu machen, identifiziere ich abstrakte Begriffe und umständliche Passagen mit Blablameter.
  3. Den Text übersetzen und überarbeiten
    Der gereifte Text wird jetzt übersetzt. Ich nutze seit Jahren Software (früher SYSTRAN und heute DEAP), um eine grobe Übersetzung zu erhalten. Die englische Version überarbeite ich, bis ich auch hier nicht mehr hängen bleibe. Der englische Text wird danach mit Grammarly von Fehlern und umständlichen Formulierungen befreit. Beim Überarbeiten des englischen Textes passe ich parallel den deutschen an, um beide Versionen synchron zu halten. Im Nachhinein wäre es aufwendiger, die veränderten Stellen wiederzufinden.
  4. Die Texte vorlesen lassen
    Nachdem der Text in Deutsch und Englisch vorliegt, lasse ich ihn mir vorlesen. Ich habe festgestellt, dass das Zuhören ein weiterer wirksamer Weg zum Verbessern eines Textes ist. Hierfür nutze ich den Vorleseautomat TextAloud. Beim Zuhören kann ich einerseits herumlaufen oder die Augen schließen. Andererseits liest das Programm den VOLLSTÄNDIGEN Text vor, d.h. ohne Absätze zu überspringen. Auf diese Weise entdecke ich weitere Fehler und Schwachstellen in meinen Formulierungen, die ich ansonsten überlese. Auch hier überarbeite ich die deutsche und englische Version nebeneinander, wie oben beschrieben.
  5. Die letzte Korrektur durchführen
    Manche Texte bestehen den vierten Schritt nicht zufriedenstellend. In diesem Fall rutschen sie in die Wiedervorlage und werden zu einem späteren Zeitpunkt komplett überarbeitet. Überleben die Texte das Vorlesen, dann erfolgt eine letzte Korrektur mit Duden-Mentor und Grammarly. Damit sind die Beiträge fertig.
  6. Den Blogpost veröffentlichen
    Beim Veröffentlichen werden die Texte in memecon.info hochgeladen und mit Schlagworten versehen. Meistens habe ich mehrere Beiträge in der Pipeline. Da ich pro Woche nur ein Thema veröffentliche, sammeln sich mit der Zeit mehrere fertige Beiträge an. Durch diese Vorarbeiten habe ich einen Puffer für die wöchentliche Veröffentlichung. Daneben sammle ich Ideen für Themen und halb fertige Texte in einer Entwicklungsdatei. Mit dem Hochladen endet der Schreibprozess. Ich veröffentliche in der Reihenfolge des Hochladens. In seltenen Fällen werden die Texte nach einiger Zeit nachgeschärft.

Einzelne Thema sträuben sich gegen das Veröffentlichen. Sie lassen sich nicht sofort stimmig zusammenfügen. Die Erläuterungen sind zu umständlich oder es entstehen Zweifel an dem Beitrag. Dann verbleibt dieses Fragment in der Entwicklungsdatei, bis ich die Bedenken auflöse. Der Ablauf stellt im Normalfall sicher, dass ich leichter zu einem Ende komme und nicht „unendlich“ an dem Ausdruck feile. In einer Woche verteilt sich der Ablauf im Idealfall über acht Stunden.

Was ich gelernt habe

Ein Blog ist kein Selbstläufer. Je nach Anspruch erfordert ein Text viel Zeit für die Recherche. Ich sammle Belege in einem besonderen Folder, da es ansonsten schwer wird, die Quellen im Nachgang zu finden. Das Überarbeiten der Texte erfordert Disziplin. Der Schreibprozess und die erwähnte Software helfen dabei. Sie „zwingen“ einen, den kompletten Text zu überarbeiten. Besonders bewährt hat sich das Vorlesen. Die Qualität der Stimmen ist mittlerweile so gut, dass ich die Mängel wie die besondere Intonation und Sprechfehler nicht mehr bemerke.

Entscheidend für die vorliegenden Texte war der gewählte wöchentliche Rhythmus, am Wochenende einen Beitrag hochzuladen. Bis auf eine familienbedingte Ausnahme habe ich diesen Rhythmus durchgehalten – neben meiner Arbeit. Angetrieben wurde ich von den täglich Lesenden. Der beliebteste Text ist MPPI – The indicator for project problems mit über 10.000 Aufrufen. Gefolgt von Contacts with a difference mit ca. 8.000 Aufrufen, Das Meer – die ideale Metapher für eine Vision (über 6.600 Aufrufe), Free willing – Deciding without obligation (6311 Aufrufe) und Der Berg – die ideale Metapher für ein Ziel (5.803 Aufrufe). Heute würde ich nicht mehr so viele Schlagworte nutzen, denn dadurch wird das Clustern der Themen erschwert. In jedem Fall erleichtert die eingebaute Volltextsuche das Auffinden von Texten.

Wie geht es weiter?

Ich werde in Zukunft meine Energie in Bücher stecken. Die ersten Titel beschäftigten mich schon lange. memenotes – Gedankenfutter für Umdenkende (siehe Video) ist eine zweisprachige Kollektion von Denkanstößen, die ich über Jahre gesammelt und in die Form von Notizzetteln gebracht habe. Denke/Th!nk (siehe Video) ist ein kleines Buch, dass die Kreativität der Lesenden wecken soll. Im Windschatten von geschäftlichen und persönlichen Initiativen inspirieren die Bilder, Thementableaus, Prozesse und Templates zu neuen Ideen. Weitere Bücher sind im Entstehen. Ich lenke meine Blogging-Routine dorthin um.

Ich beende memecon.info nicht, sondern wechsle zu einem unregelmäßigen Rhythmus. Ich hoffe, dass die vorliegenden Themen weiterhin auf reges Interesse stoßen.

Schreiben, um des Schreibens willen

Nach vier Jahren regelmäßigen Schreibens ist dieser Beitrag der Zweihundertste in Deutsch. Zu diesem Anlass denke ich verbal über das Schreiben nach. Der Schwung ist bisher nicht abgeebbt. Die Inhalte liefern eigentlich keine revolutionär neuen Aspekte zu den Themen Kommunikation, Management, Changemanagement, Bedeutungs­gestaltung, Governance, Strategie (die Reihenfolge entspricht der Häufigkeit der Artikel). Und trotzdem bieten sie neue Sichtweisen. Manche Themen entwickeln sich zu einer Serie, wie z.B. die ideale Metapher. Andere folgen tagesaktuellen Schlagzeilen. Ich sinne dieses Mal darüber, aus welchen Gründen der Schwung nicht aufhört.

Schreiben nutzt die gleichen Worte wie das Sprechen. Trotzdem ist das Schreiben eine bewusstere Auseinandersetzung mit dem Thema. Durch tonales Ausatmen bilden sich Worte, die, wenn sie ein Ohr nicht erreichen, ungehört verpuffen. Geschriebenes bleibt. Warum aber schreiben, wenn das beschriebene Rad bereits rund ist?

  • Aus einem Mitteilungsbedürfnis
    Der Mensch spricht seit ca. 100.000 Jahren und heutzutage durchschnittlich 16.000 Worte täglich. Dass der Austausch von Worten eine wichtige Voraussetzung für das gesellschaftliche Miteinander darstellt, erkennt man an der kulturellen Prägung einzelner Regionen der Welt sowie an deren Verschiedenheit. Wichtige Bedeutungsträger waren und sind Religionen. Dies erkennt man an dem westlichen Ansatz die Welt in Gut und Böse, Richtig und Falsch einzuteilen oder an der Ausgeglichenheit des Yin und Yang im Osten. Getrieben wurden die Entwicklungen von dem natürlichen Bedürfnis sich mitzuteilen – zuerst mündlich, seit 5.000 Jahren handschriftlich und seit Jahrhunderten gedruckt. Geschriebenes bleibt länger erhalten, auch wenn sich der Schriftträger hier mit der Zeit auflöst – Papier sehr schnell, Pergament langsamer und Stein scheinbar gar nicht. Lassen wir uns überraschen, wie lange das Internet die Beiträge bereitstellt..
  • Sachverhalte beschreiben
    Die Inhalte, die transportiert werden, reichen von wirtschaftlicher Buchhaltung, über sakrale und politische Texte bis hin zu heutiger Literatur. Bei aller Vielfalt der Worte bleiben bestimmte Bereiche dem Schreiben verwehrt. Gefühle und abstrakte Gedanken lassen sich nur umschreiben, ohne das Eigentliche ausdrücken zu können. So wie Wittgenstein es auf den Punkt gebracht hat: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“. Gerade diese Bereiche sind es, die nach einer weiteren Ausformulierung schreien. Abstrakte Themen haben kein greifbares Dasein und existieren deshalb nur im Bewusstsein der Einzelnen. Was sie daraus machen, lässt sich nicht ermitteln, da die inneren Gedanken für Andere nicht erreichbar sind. Das ist ein Grund, warum bestimmte Sachverhalte immer wieder beschrieben und so zu einer druckbaren Version werden, über die man trefflich wiederholt sprechen kann.
  • Passende Worte finden
    Schreiben hat den Vorteil, dass ein Gedankengang, der in Worte gefasst vorliegt, verbessert werden kann. Theoretisch ist der richtige Moment für die Korrektur dann gekommen, wenn es etwas Druckbares gibt. Dabei bremst die sofortige Umformulierung eines Satzes den Schreibfluss, weil man in eine unendliche Schleife der Berichtigung geraten kann. Es ist fruchtbarer einen längeren Text hintereinander zu erfassen, für eine bestimmte Zeit liegen zu lassen, um ihn danach zu überarbeiten. Es fallen einem dann Teile auf, die nicht zu dem eigentlichen Thema passen. Worte fallen einem auf, die fehl am Platz sind, zu abstrakt oder die sich zu häufig wiederholen. Gleichzeitig liegt der Reiz auch in der Bildung von Worten, die in einem normalen Wörterbuch nicht zu finden sind. Oberstes Ziel ist es, wenige und gleichzeitig einfache Worte so anzuordnen, dass sie der gewünschten Absicht am nächsten kommen. Als Folge sind nebeneinander mehrere Texte in Vorbereitung. Sobald der richtige Gehalt erreicht ist, werden sie abgeschlossen.
  • Passende Bilder finden
    Dies gilt in einem doppelten Sinn. Einerseits sollen die Inhalte mithilfe von übertragenen Verbildlichungen illustriert werden. Die Suche nach einer sinnvollen Gliederung des Themas, nach Analogien und Metaphern ist ein wichtiges Element des Schreibens. Andererseits besteht jeder Blogbeitrag aus einer gescrippelten Strichzeichnung. Da Worte nur einen Teil der Absicht ausdrücken können, ist das Bild eine weitere Möglichkeit den Zweck sichtbar werden zu lassen. Das Schreiben beginnt erst, wenn das Bild vorliegt. Es schafft den Rahmen und stellt immer wieder sicher, dass der ursprüngliche Zweck nicht verloren geht. Bei den Bildern kann es sich um realitätsnahe Abbildungen des Themas oder um metaphorische Visualisierungen handeln. Ganz selten ergeben sich Widersprüche zwischen Text und Bild. Wenn doch, dann erfolgt meistens die Überarbeitung des Bildes. Der Gesamtprozess des Schreibens besteht immer aus beiden Teilen: dem Visualisieren und dem Schreiben.
  • Englisch praktizieren
    Alle Blogbeiträge werden sofort zweisprachig entwickelt. Neben der Tatsache, dass sich dadurch die Reichweite der potenziellen Leserschaft erhöht, ist ein wichtiger Grund die Texte besser zu machen. Sobald der Text in Deutsch vorliegt, wird er ins Englische übertragen. Dabei zeigen sich ungewollt missverständliche Passagen im deutschen Text. Die zwei Texte, Deutsch und Englisch, werden schließlich aufeinander und auf die ursprüngliche Absicht hin angepasst. Das riesige Vokabular des Englischen macht einem hie und da fehlende Worte im Deutschen bewusst – und vice versa. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die Bedeutung aus dem Unterbewusstsein meldet, solange die Formulierung noch nicht so ist, wie sie sein sollte. Die zweisprachige Bearbeitung der Texte hat sich für beide Sprachen bewährt, da der aktive Wortschatz von beiden erweitert wird.
  • Die Vergänglichkeit der Zeit austricksen
    Wie oben beschrieben löst sich Gesagtes in Luft auf, manchmal ungehört oder unverstanden. Es sind jedoch auch die Gedanken, die kurz auftauchen und dann wieder in der Latenz verschwinden, soweit man sie nicht aufschreibt. Ansonsten werden sie nur sichtbar, wenn ein entsprechender Reiz die jeweilige Gehirnregion anregt und den Gedanken ins Bewusstsein zurückholt. Ein Gegenmittel ist das Schreiben. Eine geschickte Formulierung, ein schlüssiger Gedankengang oder ein Heureka, das ein seit Langem schwelendes Enigma zur Lösung bringt, könnten ansonsten verloren gehen. Manchmal steht einem im Schlaf plötzlich die Lösung vor Augen. Schnell das Licht angeknipst, den Block gegriffen und … Mist, wo ist denn der Stift. Ohne Notizen wäre die Idee am nächsten Tag weg. Das Gleiche gilt für jeden Blogartikel. Ich erinnere mich zwar nicht mehr, was es war, aber den Sachverhalt habe ich bereits einmal in Worte gefasst. Und dann ist noch die Tatsache, dass bis heute Inhalte auf die Lektüre warten – mittlerweile seit vier Jahren. Dadurch besteht auch die Möglichkeit, eigene Gedanken länger zu vermitteln, als man sie erzählen könnte.
  • Fruchtbare Routine
    Ein wichtiges Element des Schreibens ist die Routine, die es braucht, um immer wieder zu neuen Texten zu kommen. Unbestritten hilft die richtige Stimmung beim Schreiben. Manchmal lohnt es sich, auch mal auf den inneren Widerstand zu achten und nichts zu erzwingen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man dem Impuls nachgibt und aus dem Rhythmus kommt. In diesem Fall ist es ein Beitrag pro Woche. Im Sinne des steten Tropfens, der den Stein höhlt, bringt die Disziplin nach einer bestimmten Zeit viele Gedanken ins Netz und aufs Papier. Zusätzlich bietet die wochenendliche Routine einen meditativen Aspekt sowie Futter für die eigene Zufriedenheit. Und natürlich verbessert die Schreibpraxis die alltägliche Erzeugung von Inhalten – sei es in Berichten, Broschüren oder selbst in Powerpoints.

Fazit: Dieser Text ist ein gutes Beispiel für die letzten einhundertneunundneunzig Blogbeiträge. Das Thema war gefunden, das Bild gescribbelt und schließlich entwickelten sich die Struktur und die Formulierungen. In diesem Fall sind es Gründe für das Schreiben: Mitteilungsbedürfnis, Sachverhalte beschreiben, passende Worte und Bilder, Englisch praktizieren, die Vergänglichkeit austricksen und die fruchtbare Routine. Ob diese Gründe zu schreiben für alle gelten oder einfach nur für mich, liegt in der Sicht des Betrachters. Für mich reicht es, um erst mal weiter zu machen. Je mehr Seiten entstehen, desto mehr wird gelesen. Vielleicht ist ein weiterer Grund diese Routine fortzusetzen auch Schreiben, um des Schreibens willen.