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Mehr als gesagt und gehört wird

Es ist schon verwunderlich, dass nachdem viele Jahre das Team auf der Agenda steht, tun sich die Unternehmen sich immer noch schwer, die zusätzlichen Schätze zu heben, die sich durch das Bündeln von Mitarbeitern in Arbeitsgruppen ergeben. Die Förderung von individuellen Laufbahnen, das künstlich angeheizte Wetteifern um Leistungspunkte und das Fehlen von informellen Gelegenheiten sich auszutauschen, behindern ein partnerschaftliches Verhältnis. Im Fall der Fälle werden immer noch die individuellen Kriterien bemüht, um die Leistungen zu beurteilen. Die Einzelnen stehen im Mittelpunkt – obwohl das die vertrauensvolle Zusammenarbeit belastet.

Das Unternehmen oder besser seine Repräsentanten tun wenig dafür, dass dieser zusätzliche Vorteil entstehen kann. Auch wenn jetzt mal agiler Schwung aufkommt und alle sich von den Mitarbeitern den entsprechenden Einsatz wünschen, gibt es nicht

  • die dafür erforderlichen, offenen Strukturen,
  • agile Arbeitsplätze und Besprechungsräume, um sich spontan zu treffen,
  • neue Verteilungsmechanismen für die Ressourcen, oder
  • Führungskräfte, die jeglichem Mikromanagement

Kann es eigentlich auch nicht geben, solange die Entscheider selbst nur Mitarbeiter in einer vielschichtigen Rangordnung sind. Vielleicht hilft es sich bewusst zu machen, dass eine Gruppe von Mitarbeitern mehr ist, als die Summe der einzelnen Erfahrungen – wenn mehr sagbar und hörbar ist.

  • Die Sender verfügen über mehr Gedanken, als sie ausdrücken können
    Die Zusammenarbeit lebt von Ideen, die im Team ausgetauscht werden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass ein Großteil der Gedanken, die sich ein Mitglied des Teams macht, nicht vollständig mitgeteilt werden können. Bei der Umsetzung in Sprache und Bilder gehen viele Aspekte verloren. Durch Verallgemeinerungen, die Nutzung von Klassifizierungen, unausgesprochenen Vorannahmen und dem Einsatz von mehrdeutigen Begriffen werden wichtige Inhalte herausgefiltert.
    Beispiel: Alle Vertriebler folgen dem Salesprozess mit der Überzeugung, dass alles möglich ist. Ihr Credo ist AIDAS. Warum lässt sich das nicht durch intensive Zusammenarbeit verbessern? Wir brauchen agile Vorgehensweisen.
    In dem Beispiel bleiben viele Sachverhalte unausgesprochen: Vertriebler? Salesprozess? Was ist möglich? AIDAS? Was macht Zusammenarbeit intensiv? Agil? Der Sender weiß zwar mehr, aber drückt es nicht ausführlicher aus.
  • Die Empfänger bestimmen den Gehalt des Wahrgenommenen
    Der Austausch der Ideen erfordert, dass alle die Gedanken der Anderen auch mitbekommen. Da alle Menschen über verschiedene Kanäle wahrnehmen, wirkt manchmal das gesprochene und ein anderes Mal das geschriebene Wort und manchmal ein Bild oder eine Zahlenreihe mehr als Tausend Worte – solange man die Botschaft nicht verpasst In jedem Fall übernimmt die Zielgruppe die Auslegung der Aussagen. Der Weg ins Bewusstsein nutzt die bereits vorhandenen Gedanken und Denkmuster der Zielpersonen, um die Inhalte mit nützlichem Wissen im Kopf anzureichern.
    Beispiel: Jim und John arbeiten schon lange im Vertrieb und setzen Clickfunnels ein, um seit Wochen jeden Tag 1500 neue Kontakte, sogenannte Leads, zu sammeln, die sie mit ihrem Softwaremodul priorisieren, um die interessantesten Kontakte in nur einer Woche zu interessierten Kunden zu machen, die bereit sind, sich mit unseren Verkäufern zu treffen.
    Das Beispiel zeigt, das beim Empfänger das Wahrgenommene sofort an seine Vorstellungen angepasst wird: Jim und John sind Vertriebler; Clickfunnels scheint etwas mit dem Salesprozess zu tun zu haben; möglich sind 1500 Leads pro Tag; der Rest, z.B. das Agile, ist verschwunden. Der Empfänger hat einige Botschaften angereichert und gleichzeitig andere ausgeblendet.
  • Wechselseitiger Diskurs erweitert das Verständnis
    Eigentlich läuft alles wie gewünscht. Der Sender teilt sich mit und der Empfänger versteht, was er kann. Tatsächlich hat der Empfänger sich das Ganze bisher nur gedacht. Damit die Erfahrungen ausgetauscht werden, muss jeder im Team zum Sender werden und seine Rückmeldungen teilen. Die Zielpersonen nehmen die Beiträge wieder wahr und verbinden die Inhalte mit ihrem Erfahrungshorizont. Durch wechselseitiges Nachfragen werden die Ideen zu einem immer umfassenderen gemeinsamen Ergebnis weiterverarbeitet. Je intensiver der Gedankenaustausch, umso umfassender entwickelt sich das Gesamtverständnis.
    Beispiel: Wie erreichen wir Jim und John? Wer sollte dazu kommen? Was genau macht Clickfunnels? Wie können wir die Ergebnisse für Bedarfsanalysen nutzen? Wie erhöhen wir unsere Flexibilität?
    Im Beispiel geht es nicht um rhetorisches Fragen, sondern um das Füllen von Verständnislücken und dem Erzeugen eines gemeinsamen Bildes. Sobald der Sättigungsgrad erreicht ist, arbeitet das Team auf Basis dieses Konsenses wirkungsvoller und leistungsfähiger zusammen.

Die Magie der Gruppenarbeit entsteht, wenn die Mitarbeiter sich frei von Konventionen und Zwängen austauschen können – wenn sie keine Angst haben müssen, dass ihre aktive Beteiligung ihnen Nachteile bringt. Damit die gewünschte Wirkung erzielt werden kann, brauchen sie den entsprechenden Freiraum, psychisch und physisch. Nicht alles klappt. Aber es gibt ein gutes Beispiel, das das Leistungsvermögen verdeutlicht. Erinnern wir uns an die Post-It-Geschichte. Spencer Silver hatte in den Sechzigern einen Kleber erfunden, der nicht dauerhaft festklebte. Erst als Arthur Fry in der Kirche die Idee hatte, sein Gesangbuch mit anhaftenden Lesezeichen zu markieren, war die Idee von Post-It geboren – heute werden jährlich 50 Milliarden Klebezettel verkauft. Im Schnitt nutzt jeder bei der Arbeit elf Klebezettel pro Tag.

Fazit: Ohne die Unternehmenskultur der Minnesota Mining and Manufacturing Company (heute kurz 3M) gäbe es dieses kulturelle Artefakt wahrscheinlich nicht. Es ist seit Jahrzehnten das Vorzeigebeispiel, dass man der Entwicklung neuer Ideen einen freien Lauf gewähren muss. Gleichzeitig zeigt es, dass sich Personen außergewöhnlich ergänzen können. Alles, was Unternehmen tun müssen, ist die Bereitstellung eines entsprechenden Rahmens. Die Mitarbeiter brauchen den Raum, die Zeit und wechselseitigen Diskurs, um Ergebnisse zu erzeugen, die Einzelne einfach nicht zustande bringen. Es ist immer mehr vorhanden, als gesagt und gehört wird.

Die inhärente Unschärfe jeder Botschaft

Mit Wingdings Alt-C 120 schafft man es mit einem Tastendruck acht Dreiecke zu erzeugen, die bedeuten, dass in bestimmten Kulturen etwas ausgewählt und in anderen etwas abgewählt wird. Zum x-ten Mal erkennt man die zehn der Lateiner oder das Symbol der Forschungsabteilung von Alphabet Inc. Der Blick von oben auf die Pyramide zeigt gleichzeitig das Kennzeichen der bulgarischen Luftwaffe und ist auch noch das genealogische Symbol für unehelich. Alles klar? Meistens nicht. Jede Botschaft ist aus Prinzip unscharf, da für die Auslegung der ungenannte Kontext der Beteiligten entscheidend ist.

Idealerweise haben wir drei Perspektiven: den Sender, den Empfänger und die unbeteiligten Beobachter einer Botschaft. Jeder für sich hat seinen Standpunkt bzgl. einer Botschaft: Ablehnung, Neutralität oder Zustimmung.

  • Sender
    Die Sender entwickeln Gedanken und verbreiten mehr oder weniger und manchmal gar nicht durchdachte Botschaften. Inwieweit die Sender damit eine Absicht verfolgen, wissen sie selbst – wenn überhaupt. Manche erzeugen Aussagen, die stimmig zu ihren Absichten passen. Andere formulieren Mitteilungen, die ihren sonstigen Meinungen zuwiderlaufen. Es kann sogar sein, dass die Ausführungen überhaupt nichts bedeuten. Nur die Sender wissen, was sie eigentlich meinen. Von außen können wir nur auf Basis der weiteren Aussagen spekulieren.
  • Empfänger
    Für die Empfänger besteht die Botschaft nicht nur aus dem Gesagten oder Gezeigten, sondern auch aus den begleitenden Signalen. Sie nehmen die Botschaften über ihre Sinne wahr, z.B. visuell, auditiv, oder kinästhetisch – sie sehen, was gemeint ist, es klingt gut und fühlt sich stimmig an. Am Ende bestimmen sie den Inhalt der Botschaft. Sie verknüpfen die Inhalte mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen. Für manche bestätigen die Inhalte ihr Weltbild. Andere können nicht anders, als der Aussage zu widersprechen. Und einige interessiert das Ganze nicht. Nur die Empfänger wissen, was in ihnen vorgeht. Von außen nehmen wir anhand der Reaktionen wahr, wie die Botschaft wirkt.
  • Beobachter
    Die Beobachter sind nicht die Zielgruppe der Botschaft. Sie können unbeteiligt verfolgen, was beim Sender und Empfänger passiert. Auch wenn sie meinen neutral zu sein, verarbeiten sie in Ihren Beobachtungen ihre mentalen Modelle. Manche ziehen wohlwollende Schlüsse und bauen sie in ihre bestätigende Sicht ein. Andere machen unbewusst das Gegenteil und liefern mit ihrer ablehnenden Sicht eine kritische Aufbereitung des Ganzen. Selbst der neutrale Beobachter verfälscht, da sein Desinteresse sich entsprechend in seiner Beschreibung der Situation niederschlägt. Was in ihren Köpfen passiert, wissen nur sie. Von außen ist es uns unmöglich zu bewerten, was tatsächlich passiert ist.

So betrachtet müssen wir uns darauf einstellen, dass wir es in den meisten Fällen mit alternativen Fakten zu tun haben – so ungerne professionelle Faktenmacher das hören. Was erwarten wir von einer Botschaft, die der Sender nicht so gemeint hat, die der Empfänger in den falschen Hals bekommt und die der Beobachter ablehnend berichtet. Die Botschaft erzeugt in diesem Fall nichts als Rauschen in dem Strom der bedeutsamen Informationen. Am Ende zählen die Taten.

Fazit: Das Einzige, was gilt, ist die wesenhafte Unschärfe von Botschaften. Es gibt keine objektiv greifbare Wahrheit, sondern stets nur persönliche Auslegungen. Sender, Empfänger und Beobachter können nicht aus ihrer Haut und verfälschen damit gewollt oder ungewollt die Fakten. Der Schrei nach objektiven Fakten ist damit nichts weiter als der hilflose Wunsch nach Wahrheit.