Archiv der Kategorie: Strategie

Strategie besteht aus Vision, Mission, SWOT, Kritische Erfolgsfaktoren, Wertdisziplinen, strategische Ausrichtung, strategische Ziele und strategischen Kern.

Die Sackgasse externer Bewertungen

Die Güte von Produkten und Services steckt in den erzeugten Leistungen und im Auge des Konsumenten, nicht in den externen Bewertungen. Und immer weniger Leute vertrauen ihrer eigenen Wahrnehmung. In der Folge werden Dinge gekauft und konsumiert, die von Anderen gelobt, von sogenannten neutralen Institutionen empfohlen oder mit einem entsprechenden Gütesiegel versehen werden. Die Unternehmen orientieren sich an den Kriterien der Bewertungen und sparen sich ein eigenes Qualitätsverständnis. Es spricht viel für die Nutzung allgemeiner Kriterien zur Bewertung von Leistungen. Es ist jedoch langfristig fatal seine persönlichen Qualitätsansprüche zugunsten externer Kriterien, die von allen genutzt werden, aufzugeben. Die Kunden kaufen kein Gütesiegel, sondern gute Produkte und Dienstleistungen. Sollte der interne Maßstab nur noch aus der Erfüllung der externen Gütekriterien bestehen, dann befindet man sich in der Sackgasse externer Bewertungen.

Die folgenden Punkte betrachten diesen Trend.

  • Bewertet wird nur, was bewertet wird
    Im Rahmen einer Zertifizierung betrachten die Verantwortlichen eine bestimmte Anzahl sachlich messbarer oder persönlich ausgedrückter Merkmale, z.B. der erhobene Schadstoffausstoß von Fahrzeugen oder die Kundenzufriedenheit. Der vorbereitete Kriterienkatalog soll dabei die Vergleichbarkeit aller Größen sicherstellen. Wie beim Allergietest können damit aber immer nur die Sachverhalte untersucht werden, die geprüft werden. Alle anderen Aspekte liegen außerhalb der Untersuchung und haben damit keine Bedeutung. Dadurch wird es mit der Zeit immer schwieriger in Bereichen zu investieren, die nicht explizit untersucht werden. In der Folge wird bei sekundären Bestandteilen der Leistungen, wie z.B. den Bedienelementen, den unsichtbaren Bauelementen, der Anzahl der Servicetelefone, den Mitarbeitern, immer weniger in die Qualität investiert.
  • Beurteilungskriterien zeigen nicht alles
    Sobald es sich um schwer greifbare Messpunkte handelt, wird die Bewertung durch die Beteiligten beeinflusst. Auf der einen Seite verfälscht der Fragesteller die ermittelten Sachverhalte durch die Art Fragen zu stellen und durch seine Vorannahmen bezüglich der Zielgruppe. Und damit sind die internationalen Unterschiede des Settings bei einer Zertifizierung noch nicht berücksichtigt. Auf der anderen Seite bestimmen die Teilnehmer der Zertifizierung mit ihren Antworten das Ergebnis. Auch hier verzerren die persönlichen Einstellungen und Fähigkeiten die Resultate. Sogar bei der Messung von objektiven Daten werden die Ergebnisse durch das Messszenario verzerrt, wie man bei dem Schadstoffausstoß von Autos lernen musste. Damit bietet die beste Zertifizierung immer nur ein unvollständiges Bild.
  • Wenige sachliche Messpunkte
    Die größte Schwierigkeit besteht in der geringen Zahl sachlich erfassbarer Kriterien. Das Funktionieren eines Unternehmens wird jedoch nicht nur bestimmt von dem Vorhandensein beschriebener Abläufe und Verantwortlichkeiten. Bestenfalls sind die verfügbaren Beschreibungen ein Hinweis darauf, wie sich die Firma um ihre Abläufe bemüht. Für die Frage, wie das Unternehmen tatsächlich funktioniert, fehlen einfache Messpunkte. Selbst das Abfragen der Mitarbeiter schafft keine Klarheit. Es geht ja nicht um das Aufsagen von theoretischem Verhalten, sondern um die tatsächliche Anwendung. Vor allem in diesen schwer zu ermittelnden Bereichen ist das gemeinsame Verständnis von Qualität die wichtigste Möglichkeit, um die angestrebte Klasse zu halten. Am Ende wird die Qualität in den Produkten und Leistungen sichtbar – und am Umsatz, d.h. der Zufriedenheit und Treue der Kunden.
  • Zertifizierung steht im Vordergrund
    Obwohl den Verantwortlichen die bisherigen Punkte bewusst sind, unterliegen sie trotzdem der Zertifizierung. Kunden und Behörden fordern in ihren Ausschreibungen die zertifizierte Güte der Leistungserbringung. Selbst die Endkunden trauen mehr den Siegeln als ihrer eigenen Urteilskraft. Ungeschickterweise führt die geringer werdende Sensibilität der Kunden auch dazu, dass in den Ecken, die der Beurteilung nicht unterliegen, kleine Einsparungen anfallen, die über einen langen Zeitraum zu großen Qualitätsverlusten führen. Nur mit einer eigenen Vorstellung, was gut und was schlecht ist, werden Produkte und Dienstleistungen mehr liefern, als das, was gemessen wird. Damit ist klar. Man kann sich den externen, besiegelten Bewertungen nicht entziehen – aber auch nicht der Notwendigkeit zuverlässige Leistungen zu erbringen, die darüber hinaus gehen.
  • Vorbereitung ist alles
    Damit die Bewertung ohne Schwierigkeiten abläuft, bereitet man sich mit entsprechender, externer Unterstützung vor. Hierfür werden vorab die formalen Auflagen erfüllt, vor allem bezüglich der erforderlichen Dokumente, Abläufe und sonstigen Installationen. Zusätzlich werden die Mitarbeiter auf die Bewertung durch Schulungen vorbereitet. Im Alltag bleibt wenig Zeit für die Weiterentwicklung des Unternehmens. Darum ist es geschickt, die anstehende Zertifizierung um die Besonderheiten der eigenen Firma zu erweitern. Die Vorbereitung ist, egal wie man zu den Gütesiegeln steht, eine sinnvolle Aktivität, da sie das Zusammenspiel der Beteiligten verbessert.
  • Alle gleich
    Zu Beginn eines neuen Ansatzes der Zertifizierung, bietet er Wettbewerbsvorteile, da man damit eine Art Alleinstellungsmerkmal (USP) erhält. Sobald sich der Standard durchgesetzt hat, geht dieser Vorteil verloren. Die sukzessive Standardisierung führt dazu, dass alle Unternehmen ähnlichen Kriterien folgen – und nicht mehr. Im Interesse eines hervorstechenden USPs ist es erforderlich, eigene Kriterien zu behalten oder zumindest zu entwickeln.

Fazit: Der klassische Handwerksmeister wird aufgrund der Qualität seiner Produkte beurteilt. Heute bestimmen externe Zertifizierer die Güte der Leistungen anhand von formalisierten Kriterienkatalogen. Im Interesse von Kunden und Shareholdern steht nicht mehr die Qualität im Vordergrund, sondern die Erfüllung der vorgeschriebenen Merkmale. Das blinde Vertrauen in solche Standards hat uns Fukushima, Dieselgate und den Berliner Flughafen gebracht. Und wir sehen bereits die Kollateralschäden der Dezibelschiebung und S21 auf uns zurollen. Zumindest leistet die Vorbereitung auf die Zertifizierung einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität, indem sich das Unternehmen mit seiner Weiterentwicklung beschäftigt. Im Interesse zukünftiger Wettbewerbsvorteile ist es wichtig, dass man sich nicht auf die allgemein geforderten Kriterien beschränkt, sondern sich durch ein besonderes Qualitätsverständnis aus der Sackgasse externer Bewertungen begibt.

Unternehmertum im Gleichschritt

Sind es die Regeln der Zertifizierungen oder ist es die künstlich geschaffene Compliance, die das unternehmerische Handeln heute zunehmend belasten? Oder sind es vielleicht die Mitarbeiter auf allen Ebenen, die Geduld beweisen, nicht anecken und langsam das Peters Prinzip ausleben? Impulse für neue Ansätze sollten die Wissenschaft, die Berater und die Best-Practice liefern. Sie führen aber bei allen immer wieder das Gleiche ein. State-of-the-Art Software erstellen bei Autoherstellern immer ähnlichere Autos. Immer gleiche Zielgruppen werden von wenigen, spezialisierten Agenturen erstellt. ERP-Systeme von der Stange führen zu immer ähnlicheren Abläufen. Trotz der gleichbleibenden Ergebnisse werden immer noch zertifizierte Projektmanager bevorzugt, anstelle von fähigen Führungspersönlichkeiten. Unternehmer wiederverwenden die Geschäftsmodelle, die bereits am Markt etabliert sind, um ja nichts falsch zu machen. Die Outsourcing-Karawane folgt dem Schwarm – erst China, dann Indien, jetzt Afrika. Ist das nicht Unternehmertum im Gleichschritt?

gleichschritt

Heute hätte es ein Henry Ford schwer, seine Ideen umzusetzen – zu viel staatliche Reglementierungen, überbordende Bürokratie, aktiv behindernde Interessensgruppen. Der Ford Modell T, den es in allen Farben gab, solange es schwarz war, würde heute keine Straßenzulassung erhalten. Kartellbehörden würden jegliche Bündelung von Unternehmen im Keim ersticken. Innovative Ideen müssen im Interesse des Schutzes der Shareholder frühzeitig publiziert werden. Die Führungskräfte von heute sind nicht in der Lage unternehmerisch zu agieren, selbst wenn sie wollten. Nach Jahren der Normierung wissen die Verantwortlichen, hinter welchen Argumenten sie sich verstecken können.

  • Schuster, bleib bei deinen Leisten
    Ein offensichtlich pragmatischer Ansatz ist der Fokus auf das Kerngeschäft. Die eigentlichen Aufgaben, die am meisten zum Erfolg eines Unternehmens beitragen oder die der Kunde vor allem mit dem Unternehmen verbindet, machen das maßgebliche Geschäft aus. Erkennbar wird dies an der Fertigungstiefe. Während Ford zu Beginn fast 100% Wertschöpfung erreichte, ist die Fertigungstiefe bis heute im Automobilbereich auf durchschnittlich 20% gesunken. Damit werden die Autos eigentlich von den Zulieferern entwickelt und hergestellt. Mit dieser Arbeitsteilung haben die Unternehmen ihr ursprünglich ganzheitliches Vermögen aufgegeben. Am Ende beeinflusst dies sogar die Innovationsfähigkeit, die den Zulieferern übergeben wird. Damit degeneriert der Schuster zu einem 20-prozentigen Fachidioten, der den Schuh nur noch vernäht, in die Schachtel packt und ihn vermarktet. Langfristig können das andere Fachleute sogar besser. Mit den letzten 20% löst sich dann auch das Unternehmen auf.
  • Wer macht, was alle machen, bleibt Alle
    Die neuen Schwarmansätze suggerieren, dass man ohne Aufwand das Wissen von Anderen nutzen kann. Da viele Unternehmen bereits ihr Tafelsilber im Interesse des Shareholder-Values verscherbelt, mithilfe von Outsourcing viele Arbeitsplätze ins Ausland verlagert und über Jahre ihr Personal abgebaut haben, ist das Wissen der verbleibenden Mitarbeiter das letzte Guthaben, das sich ausbeuten lässt. Durch die Strategie der Schwarmintelligenz ist der Eine oder Andere auf die Idee gekommen, diese kostengünstige Ressource zu erschließen. Kunden und Mitarbeiter werden eingeladen, ihre Ideen zu äußern. Dabei geht es jedoch nicht um Wissensaufbau, sondern um das Abschöpfen der bestehenden Ideen. Was dabei übersehen wird, ist die Tatsache, dass die Schwarmintelligenz hochgradig redundantes Wissen schafft. Es muss immer noch das Sinnvolle vom Rauschen unternehmerisch separiert werden. Schon Goethe hatte geschrieben: „Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.“ Zusätzlich bietet diese Wissensquelle auch den Anderen ähnliche Einsichten. Man ist damit nicht mehr vor der Meute, sondern landet im gleichen schwarzen Loch der Nachteile. Und was vor allem schwierig ist: Die Wettbewerber bleiben auf gleicher Höhe, da sie sich gegenseitig fördern.
  • Wer immer nur in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren
    Die Verfechter von Standardlösungen erhoffen sich Einsparungen durch die Verteilung der Kosten auf die Schultern von vielen Nutzern. Ende des letzten Jahrtausends baute sich der Tsunami der heutigen Standardsoftware auf. In den Unternehmen hatte sich über lange Zeit ein Knäuel an Eigenentwicklungen gebildet, das mit eigenen Mitteln nur noch schwer am Leben gehalten werden konnte. Mittlerweile ist das Knäuel wieder da, nur dass es jetzt von den Anbietern der Software geknüpft wurde. Und wieder verhindern die gleichmacherischen Ansätze den Vorsprung, den man durch eigenes Engagement erzielen könnte. Betrachtet man einfache Anwendungen, wie HR-Systeme, dann unterscheiden sich die Lösungen nur noch an dem Logo. Nachdem der anfängliche Vorteil des ERP-Systems bereits Vergangenheit ist, merken mittlerweile immer mehr, in welchem teuren Loch sie gelandet sind. Der Softwareanbieter bestimmt jetzt, wann, welches Release eingesetzt werden muss – mit allen Konsequenzen für die internen Schnittstellen. Der gordische Knoten wird immer enger. Wer kann sich noch leisten, eine andere Lösung zu entwickeln oder einzuführen? Und was besonders schädlich ist – keiner ist mehr bereit für unternehmerische Improvisationen. Die Führungskräfte sind auf der sicheren Seite, da die Standardlösung stets die richtige Entscheidung ist, weil sie ja jeder nutzt.

Das Ganze erinnert an das unternehmerische Denken der sozialistischen Länder – immer das Gleiche, kein Risiko, nicht auffallen, nicht der Gemeinschaft schaden, sich an die Regeln halten usw. Sichtbar wird das an der heute gültigen Compliance. Zwar musste man sich immer schon an die Gesetze halten, aber heute praktizieren viele den vorauseilenden Gehorsam. Schließlich sind die Folgen eines mutigen Handelns nicht mehr überschaubar. Ganz wie die in den Neunzigern publizierte Bonsai-Methode – jedes aufkeimende Engagement im Keim beschneiden.

Fazit: Die Unternehmer von heute gleichen einer Kompanie von Soldaten, die im Hof exerzieren. Keiner verlässt den allgemein akzeptierten Weg und gibt etwas Neuem eine Chance. Sie vergessen dabei, dass dieses angepasste Verhalten nicht möglich wäre, ohne die Innovationsfreude der früheren Unternehmensgründer und Vordenker, die die jetzigen Unternehmen groß gemacht haben. In den etablierten Unternehmen haben Querdenker, die in der Lage wären etwas Neues zu schaffen, nur noch wenig Freiraum um zur Wirkung zu kommen. Damit dies keiner merkt, versteckt sich die Leitung hinter dem Kerngeschäft, dem Einsatz von Schwarmansätzen und allgemein anerkannten Lösungen. Das ist Unternehmertum im Gleichschritt.