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Bausteine einer wertschöpfenden Ganzheit

Aristoteles hatte bereits in seiner Metaphysik vor über zweitausend Jahren die richtige Eingebung – das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Allerdings hat die kartesianische Perspektive Jahrhunderte lang die Welt in ihre Bestandteile zerlegt und dadurch den Blick auf die ganzheitlichen Möglichkeiten verstellt. Trotz den ermutigenden Erfahrungen von Firmen wie 3M oder W. L. Gore & Associates GmbH tun sich große Unternehmen schwer, umzudenken. Die Zusammenarbeit an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden auszurichten und mit dem sich ergebenden Engagement ein fruchtbareres Ganzes zu erzeugen, ist der letztendliche Zweck. Die Unfähigkeit, diese Stärken zu nutzen, lässt sich nur durch das Beharrungsvermögen der verantwortlichen Führungskräfte erklären. Sie sind unsicher, wie es für sie weitergeht, nachdem bürokratische Ordnungspolitik, fortwährende Überwachung und ausschweifende Verbreitung von Nachrichten nicht mehr benötigt werden und sie damit obsolet werden. Die Mutigen versuchen sich bereits mit Agilität in verschiedenen Ausprägungen – agiles Unternehmen, agile Organisation, agile Mitarbeitende, agile Manager, agile Kultur, agiles Mindset, agiles Projektmanagement und agiler Produktentwicklung, einfach agilem Allerlei.

Die folgenden Bausteine fördern eine produktive Ganzheit.

  • Positive Vielfalt
    In einer VUKA-Welt beeinflussen sich wechselseitig die Bestandteile, die sich auf verschiedenen Ebenen Um angemessen reagieren zu können, d.h. an der richtigen Stelle und vor allem zeitnah zu agieren, stehen andere Fähigkeiten im Mittelpunkt. Das Ashbysche Gesetz der erforderlichen Varietät hat verdeutlicht, dass ein System, das andere steuert, umso besser Störungen ausgleichen kann, je größer seine Handlungsvarietät ist. Dies bedeutet, dass die beteiligten verbleibenden Führungskräfte und Mitarbeitende in ihren Eigenschaften, Verhalten und Mitteln vielfältiger sein müssen als die Aufgaben und der Wettbewerb. Der Unterschied entsteht durch
    – ein breiteres Spektrum an Fähigkeiten (z.B. neben den fachlichen, auch soziale und systemische Fähigkeiten),
    – besonderes Engagement von allen,
    – erweiterte Perseveranz,
    – die Beschränkung auf Aufgaben, die gebraucht werden,
    – das Zusammenwirken im Team und
    -ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein.
    Die Verlierer sind alle, die weiterhin dem Gleichschritt huldigen und nur solche Fähigkeiten hinzugewinnen, die schon im Unternehmen vorhanden sind.
  • Führungsstil ohne Führung
    Der neue Stil ersetzt Führung durch Förderung. Die größte Belastung für eine Firma ist eine althergebrachte Struktur, deren Entscheidungs- und Berichtswege unnötig lang sind und Beschlüsse verwässern sowie die Geschwindigkeit ausbremsen. Überlässt man den Mitarbeitenden am Ort des Geschehens die Wahl, dann entsteht ein Momentum, das durch die gewohnte Führung nicht erreicht werden kann. Gleichzeitig bietet der offene Arbeitsstil den Mitarbeitenden eine gemeinsame Ausrichtung und Sicherheit. Einfluss entsteht dann nicht mehr durch eine formal begründete Position, sondern durch Vertrauen und ansteckender Begeisterung.
  • Unternehmende im Unternehmen
    Die Zeiten des wirtschaftlichen Beamtentums neigen sich dem Ende zu. Das neue Führungsverständnis wirkt durch unternehmerisches Handeln. Die Mitarbeitenden können sich nicht mehr darauf zurückziehen, eine vorgegebene Aufgabe zu lösen, sondern müssen sich verhalten, als würde ihnen das Unternehmen gehören. Sie haben dadurch mehr Risiken. Auf der einen Seite bietet ein großes Unternehmen die Gefahr von ungewollten Missgeschicken und Verlusten, die jedoch auf der anderen Seite durch überraschende Gewinne mehr als ausgeglichen werden. Auch wenn einzelne Einheiten ihre Aufgaben flexibler erfüllen können, bleibt das Ganze immer noch eine große Flotte, die durch ihre gemeinsame Ausrichtung zusammenwirkt.
  • Die Energie steckt in jeder Persönlichkeit
    Alles, was passiert, entsteht in den Köpfen von einzelnen Mitarbeitenden. Wird das Menschenbild der Theorie Y von den Führenden angenommen, können sie ihre Erfahrungen und Fähigkeiten zur Wirkung bringen. Gemeinsam erleben sie Abenteuer, die ihre mentalen Modelle durch neue Erkenntnisse erweitern. Mit einer gemeinsamen Vision entstehen Ideen, die nicht mehr vorgegeben, sondern gemeinsam erarbeitet werden und das Unternehmen weiterbringen. Verbunden mit dem persönlichen Tatendrang, der durch den gemeinsamen Schwung befeuert wird, entsteht die Fitness, die das Geschäft sichert.

Fazit: Es ist keine Frage der Größe Ihres Unternehmens, ob Sie sich um eine neue Führung jenseits der Agilität kümmern müssen, sondern wann. Der Wandel findet in jedem Fall statt. Und wenn Sie schon unter dem Gefühl leiden, dass Sie sich eigentlich mehr um Ihre Mitarbeitenden kümmern müssten oder der Kostendruck Ihre Marge schmelzen lässt oder das wirtschaftliche Klima Sie bedroht, dann ist der richtige Moment erreicht, um aktiv zu werden. Hätten Sie das früher machen sollen? Diese Frage bringt nichts, da Sie die Zeit nicht zurückdrehen können. Die positive Vielfalt, der Führungsstil ohne Führung, die Unternehmenden im Unternehmen und die Nutzung der vorhandenen Persönlichkeiten sind Bausteine, die Sie bereits sehr weit bringen. Sie müssen nur Ihren stärksten Vorteil jetzt aktivieren – nämlich das Ganze, das gemeinsam mit allen erzeugt wird und mehr bringt als arbeitsteilige Verschwendung durch althergebrachte Bürokratie.

Die Zukunft von Führung

Führung ist eine der ältesten Rollen in Gesellschaften. Und trotzdem suchen Führungskräfte immer wieder nach dem richtigen Stil für ihre Rolle. Neben den Aufgaben und Werkzeugen der Führung beschäftigen sich Leiter mit den folgenden Fragen.

  1. Wie viel Beteiligung ist möglich?
  2. Wie viele Regeln werden benötigt?
  3. Wie verteile ich die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen?
  4. Wie viel Loyalität brauche ich? Wie entsteht sie?
  5. Wie fördere ich die Zusammenarbeit?
  6. Wie werden Führungskräfte bestimmt?
  7. Wie viel Führung brauchen wir überhaupt noch?

Werden die neuen systemischen Konzepte, wie Ganzheitlichkeit, autonome Einheiten, Vernetzung, Partizipation und Selbstorganisation, neue, noch nicht erkennbare Stile der Führung ermöglichen? Wie sieht die Zukunft von Führung aus?

Fuehrung

Führungskräfte sorgen für Ziele, organisieren, entscheiden, bewerten und fördern Mitarbeiter mit Hilfe von vielfältigen Werkzeugen (z.B. Rollenbeschreibungen, regelmäßiger Kommunikation, Leistungsbeurteilungen). Sie steuern damit ihren Bereich, schaffen Orientierung und verantworten die Ergebnisse (Sie finden mehr zu Aufgaben und Werkzeuge der Führung hier: http://www.malik-management.com/de/malik-ansatz/malik-basis-modelle ).
Ohne Führung müssten diese Aspekte in der Gruppe entwickelt und ein Konsens vereinbart werden. Positive Beispiele für selbstorganisierende Gruppen sind die agilen Teams in der Softwareentwicklung und anderen kreativen Berufen.

Nichtsdestotrotz bringen die Ansätze auch neue Antworten auf die Fragen der Führungskräfte.

  1. Beteiligung ergibt sich aus demokratischen Formen der Mitwirkung, wie z.B. Mitsprache und Mitbestimmung. Diese lassen sich auch im Zusammenhang von hierarchischen Strukturen etablieren. Eigenverantwortliche, selbstorganisierende Teams sind schon länger gang und gäbe im Rahmen von bürokratischen Strukturen, wie z.B. Projekte, Kompetenzzentren oder Fertigungsinseln.
  2. Regelungen reichen von Chaos bis Ordnung und von freiwillig bis verbindlich. Sie sind wichtige Werkzeuge, um den Mitarbeitern das gewünschte Verhalten zu verdeutlichen. Sinnvoll werden diese Regeln durch den passenden Detaillierungsgrad, der das Spannungsfeld zwischen Bevormundung und Eigenverantwortung abdeckt. Die gemeinsame Vereinbarung von grundsätzlichen Vorgaben in der Governance minimiert die Anzahl der Bestimmungen.
  3. Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung (AKV) einer Rolle sollten möglichst in einer Hand liegen. Das beste Beispiel für die Verteilung von AKV ist das Subsidiaritätsprinzip des Vatikans. Es bündelt Entscheidungen am Ort des Geschehens. Erst wenn dies nicht mehr möglich ist, wird die Rolle auf der nächsthöheren Ebene angesiedelt.
  4. Die Loyalität ist ein wichtiges Element der Führung, die nicht direkt hervorgerufen werden kann. Sie ergibt sich einerseits aus den autoritären oder charismatischen Eigenschaften der Führungskraft. Andererseits entsteht sie aus der indirekten Förderung des Commitments mithilfe von persönlichen, inhaltlichen und formalen Commitment-Verstärkern.
  5. Die Zusammenarbeit lässt sich durch die neuen Möglichkeiten der Vernetzung und Selbstorganisation vielfältig gestalten. Der Austausch von Informationen lässt sich durch gemeinsame Intranetseiten, Diskussionsgruppen und Blogs realisieren. Über mobile PCs oder Smartphones greifen die Mitarbeiter auf ihre benötigten Daten zu – wo und wann auch immer. Durch Telefon-und Videokonferenzen treffen sich die Mitarbeiter unabhängig von ihrem Aufenthaltsort.
  6. Die Auswahl von Führungskräften hat einen Einfluss auf ihre Akzeptanz. Jedoch garantieren demokratische Vorgehensweisen, wie die direkte Wahl oder das Rekrutieren von Führungskräften durch die Mitarbeiter, nicht deren Wirksamkeit. Unabhängig von dem Auswahlverfahren werden stets einige Mitarbeiter den Chef akzeptieren – oder nicht. Wie auch in der Politik ergeben demokratische Wahlen häufig eine Verteilung von 51% zu 49% – d.h. die Hälfte der Wähler wollen den Gewinner nicht.
  7. Spätestens, wenn die Anzahl der Mitglieder einer Organisation die magische Dunbar-Zahl von 150 übersteigt, brauchen wir Führung und eine angemessene Hierarchie. Kleine Organisationen, wie Start-ups, können eine gewisse Zeit ohne formale Strukturen überleben. Wir sollten nicht vergessen, dass auch diese meistens von einem Gründer autokratisch getrieben werden.

Fazit: So wie ein Orchester nicht auf einen Dirigenten verzichten kann, werden wir auch in Zukunft nicht auf die integrative Rolle der Führung verzichten können. Jede Unternehmung braucht die strategische Ausrichtung und abschließende Entscheidungen durch Führungskräfte. Zeitgemäß wird die Führung durch die Nutzung der neuen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit.