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Agilität verträgt keinen Bonsaistil

Bonsai ist die Kunst das Wachstum von Bäumen so zu beeinflussen, dass die Bäume zwar durch künstlerische Gestaltung eine schöne Wuchsform haben, aber durch regelmäßige Schnitte in Töpfen klein gehalten werden. Das Ergebnis ist eine Vielzahl von einzigartigen, scheinbar wilden Bäumen. In der Natur würden diese Bäume in den Himmel wachsen. In Unternehmen hat sich ein ähnlicher Ansatz entwickelt. Bonsaistil ist die Kunst Mitarbeiter klein zu halten. Dieses Mikromanagement wirkt auf die Aktivitäten der Mitarbeiter, wie die Schere auf das Wachstum des Baumes. Agilität, die von der Proaktivität, Initiative und Flexibilität der Mitarbeiter lebt, verträgt jedoch keinen Bonsaistil.

Was macht den Bonsaistil aus, der Agilität unterminiert?

  • Mehr Kritik als Lob
    Vertreter des Bonsaistils haben die Tendenz jedes noch so kleine Engagement von Mitarbeitern im Keim zu ersticken, indem sie unentwegt herumkritteln. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Beanstandungen berechtigt sind oder nicht. Verstärkt wird das Ganze durch das Fehlen von Lob. In einer agilen Welt könnten sich solche Leiter nicht behaupten, da niemand sich ihnen anschließen würde.
  • Mit Formalien Ergebnisse entwerten
    Der agile Mitarbeiter ist ein Getriebener seiner eigenen Ansprüche. Die Aufmerksamkeit beschränkt sich auf die Lösung der Aufgabe. Dies führt dazu, dass Aspekte, die nicht so viel mit der Lösung zu tun haben, als Nebensächlichkeiten ausgeblendet werden. Sitzt die Krawatte? Wurden offizielle Formulare genutzt? Stimmt der Font? Das Ergebnis besteht aus achtzigprozentiger Problemlösung. Die schlechte Beurteilung der Äußerlichkeiten geht völlig am Ziel vorbei und tritt das zarte Pflänzchen des Engagements der Mitarbeiter mit Füßen.
  • Konsequent den Vorgesetzten-Joker ziehen
    Nach vielen Jahren der Entwicklung von lernender Organisation, Mitarbeiterbeteiligung und Teambuilding, haben sich die Machtverhältnisse, mit ihren Vorgaben, Beurteilungen und Entscheidungen von oben, erhalten. Jetzt erhoffen sich jene, die an ihre Grenzen gekommen sind, eine Entbürokratisierung und die Nutzung der dem Mitarbeiter innewohnenden Energie, etwas gestalten zu wollen. Meldet sich jedoch keiner freiwillig, so werden die Freiwilligen bestimmt. Liefert keiner, was die Oberen erwarten, müssen die Mitarbeiter mikrogemanagt IHR Ergebnis anpassen. Zur Absicherung des Geschäfts werden neben den agilen Strukturen die hierarchischen beibehalten.
  • Verunglimpfen im Plenum
    Ein sehr effektives Vorgehen, um die Mitarbeiter klein zu halten, sind verletzende Kommentare in der Öffentlichkeit. Abwertende Anmerkungen zu dem persönlichen Arbeitsstil, zu kleinen Fehlern in der Argumentation oder zu der Aufbereitung der Ergebnisse stellen sicher, dass die Mitarbeiter das Gesicht verlieren. Das vorauseilende Engagement des agilen Mitarbeiters ist dann nicht mehr wahrscheinlich.
  • Mikromanagement
    Die stets nicht verfügbaren, aber 24/7 detailversessenen Mikromanager sind eigentlich ihre besten agilen Mitarbeiter. Ihr Engagement ist immer auf Maximum. Sie kümmern sich um alles und sind entscheidungsfreudig. Leider fehlt ihnen die Zeit zu überlegen, da es unentwegt Aufgaben gibt, um die sie sich offensichtlich kümmern müssen. Da Alles ihre Aufmerksamkeit erregt, schaffen sie es nicht mehr, sich einzuarbeiten und tragen damit nichts zur Sache bei. Ihrer eigentlichen Funktion kommen sie verständlicherweise auch nicht nach. Mikromanagement ist eine der größten Hürden auf dem Weg zur Agilität.
  • Fehlende Deckung
    Die Einstellung, jederzeit jede Feinheit nach eigenem Gutdünken zu korrigieren, führt dazu, dass die Mitarbeiter im Krisenfall schnell ohne Deckung, dem Problem alleine ausgesetzt sind. Um agil agieren zu können, brauchen sie aber das Vertrauen von oben, dass ihre Aktionen stets im Interesse des großen Ganzen stattfinden. Wo viel passiert, da passieren auch viele Fehler. Fehlertoleranz ist ein Ansatz, um eine gute Deckung zu erzeugen. Eine verbleibende Aufgabe der Leiter im Rahmen von Agilität ist die grenzenlose Unterstützung und Abschirmung der Mitarbeiter bei der selbstorganisierten Abarbeitung der Themen.
  • Regel eins und zwei
    Neben dem Mikromanagement sind die größten Agilitätskiller die Regeln der Macht. Regel 1: Der Chef hat immer recht. Regel 2: Hat er mal nicht recht, so gilt automatisch Regel 1. Damit hat die aufkeimende Initiative keine Chance, sich langfristig zu beweisen und eine wirksame Lösung zu entwickeln.

Neben dem Mikromanagement sind die größten Agilitätskiller die Regeln der Macht. Regel 1: Der Chef hat immer recht. Regel 2: Hat er mal nicht recht, so gilt automatisch Regel 1. Damit hat die aufkeimende Initiative keine Chance, sich langfristig zu beweisen und eine wirksame Lösung zu entwickeln.

Fazit: Solange die alten Ansätze zur Gestaltung von Unternehmen beibehalten werden, wie die hierarchische Struktur, die Kommandokette oder der Vorgesetzten-Joker, werden auch die damit verbundenen Nachteile erhalten bleiben. Die großzügige Ermächtigung der Mitarbeiter mit ausreichend Ressourcen, Befugnissen und Unterstützung ist entscheidend für das Ausschöpfen der Vorteile von agilen Ansätzen. Bonsaistil verhindert dabei die gewünschten Effekte, da eine im Keim beschnittene Mitarbeiterinitiative keine Blüten tragen kann.

(Fr)agil

Unternehmen, die lange existieren und über die Zeit gewachsen sind, haben viele Herausforderungen bewältigt – veränderte Anforderungen des Marktes, neue Technologien, verschiedene Zusammenarbeitsstile. Mit der Zeit haben sich diese Firmen einen maßgefertigten Panzer an Aufbau- und Ablaufstrukturen, Regeln und Vorgaben entwickelt, der möglichst jede Eventualität abdecken sollte. So wie die Rüstung eines Ritters ein zusätzliches Gewicht von 30 kg bedeutete, tragen auch die Unternehmen einen riesigen Ballast an Richtlinien mit sich herum. Auch wenn dieser Harnisch an die Proportionen seines Nutzers angepasst ist, beschränkt er die Beweglichkeit und erzeugt damit eine gewisse Fragilität. Wie löst man sich von dem „Fr“?

Eine Rüstung besteht aus verschiedenen Metallplatten, die für bestimmte Teile des Körpers einer einzelnen Person geschmiedet wurden – der Helm, das Bruststück, das Armzeug, die Schenkeldecke, das Kniestück, die Beinröhre und vieles mehr. Auch das Unternehmen entwickelt intern Regelungen für seine verschiedenen Bereiche. Um agil zu werden, ist es entscheidend, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen.

  • Vision
    Das Bild eines idealen, zukünftig agilen Zustands des Unternehmens bildet die Grundlage für den Verzicht auf die über Jahre entwickelten, detaillierten Festlegungen. Die Vision baut auf der idealen Vorstellung der Mitarbeiter, der weiteren Ressourcen und dem kundenorientierten Zusammenwirken auf. Die Elemente, die diese Vision behindern, müssen aufgelöst werden.
  • Überzeugungen
    Alle Beteiligten haben mit der Zeit Denkweisen aufgebaut, die bei der Agilisierung stören. Die Mitarbeiter müssen sich davon lösen, dass sie von außen motiviert, angeleitet und beauftragt werden müssen. Die Führungskräfte müssen sich davon lösen, dass sie die Mitarbeiter direkt steuern, kontrollieren und sanktionieren. Das magische Wort der Zukunft ist Selbstorganisation.
  • Intrinsische Motivation
    Um das Momentum in einem Unternehmen zu erhalten, wurden entsprechende extrinsische Belohnungen und Anreize entwickelt – die Bezahlung, der Bonus, die Karriere, die Weiterbildung. In der Selbstorganisation werden andere Anreize wichtig, die den Mitarbeiter von innen antreiben – die Befriedigung eine Tätigkeit durchzuführen, eine Kompetenz zu haben, seine Neugierde befriedigen zu können oder durch die Tätigkeit einen persönlichen Selbstzweck erreichen zu können.
  • Vertrauen
    Den größten Vertrauensvorschub müssen die Eigentümer leisten. Sie kommen nicht umhin den direkten Einfluss aufzugeben und zu glauben, dass die interne Gesellschaft, die Mitarbeiter, das wirtschaftliche Geschick so lenken, dass das Unternehmen überlebensfähig und wirtschaftlich einträglich bleibt. Die Zuversicht, dass die intrinsische Motivation das erforderliche Zusammenwirken der Mitarbeiter sicherstellt und dadurch ergiebige Resultate spontan entstehen, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter überhaupt die Chance bekommen, sich zu beweisen.
  • Organisatorische Offenheit
    Das bestehende Kettenhemd zu öffnen, sodass die Möglichkeit zur selbstorganisierten Vernetzung und Teambildung überhaupt entsteht, erfordert viel Mut. Die DNA eines Unternehmens hat sich derart in das Bewusstsein der Mitarbeiter gebrannt, dass es eine große Anstrengung erfordert, sich von dem lieb gewordenen Gefühl der Sicherheit zu lösen. Ein Unternehmen und zwei Ansätze erfordern neutrale Zonen, in denen sich die Mitarbeiter ausprobieren können, ohne den alten, etablierten Wegen folgen zu müssen.
  • Governance
    Die Einführung eines grundsätzlichen Regelwerks, dass kurz und leicht verständlich die neuen Prinzipien, die Wege der Abstimmung, die gemeinsame Sicht und klare Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung beschreibt, ist eine wichtige Vorbedingung. Denkbar ist es Sonderbereiche einzuführen, so wie es China mit seinen Sonderwirtschaftszonen (z.B. Shenzhen, Hainan, Hongkong) gemacht hat. In diesem Bereich können völlig neue Ansätze getestet werden – Holacracy, PODS, Plattformen.
  • Plattform
    Selbstorganisierte Einheiten sind fokussiert auf ihr Thema. Sich wiederholende Tätigkeiten und allgemein benötigte Dienstleistungen stören dabei. Aus diesem Grund ist es geschickt, die Teams von bestimmten grundsätzlichen Aufgaben zu befreien. Die Bündelung dieser Umfänge in einer Plattform steigert die Wirksamkeit der Einheiten. In der Plattform finden sich standardisierte Vorgehen und Werkzeuge als Dienstleistung – IT, Infrastruktur, Logistik, usw.

Im Zuge der (Fr)agilität bestehen die Mitarbeiter nicht nur aus den ausführenden Personen, sondern auch aus den steuernden, dem sogenannten Management. Der anstehende Verlust an Macht, der sich aus der Selbstorganisation ergibt, ist die größte Herausforderung, da Führung sich zukünftig aus dem Zusammenhang und nicht mehr durch die klassische Karriere ergibt. Es führt die Person, die am meisten Menschen begeistert und mitreißt und nicht mehr der am besten angepasste Karrierist.

Fazit: Die (Fr)agilität von Unternehmen wird bestimmt durch die Rüstung, die die Bewegungsfreiheit beeinträchtigt. Dazu gehören die Aufbau- und Ablaufstruktur, das etablierte Regelwerk, dass versucht alles bis auf den letzten Handgriff zu regeln. Um die Transformation hin zum agilen Unternehmen zu schaffen, braucht es in jeder Einheit eine Vision, gemeinsame Überzeugungen, intrinsische Motivation, Vertrauen, organisatorische Offenheit, Governance und eine allgemeine Plattform, die den agilen Einheiten zur Verfügung steht. Bedroht wird die Agilität durch die, die am meisten zu verlieren haben – die Führungskräfte. Aus diesem Grund brauchen sie Perspektiven, die auch ihnen das Überleben ermöglicht.